TWarum Aldi den Milchpreis bestimmt – auch beim Bio-Bauern aus Drochtersen

Biolandwirt Moritz Morgenstern im Stall. Seine deutschen Rotbunten sind keine Hochleistungsmilchkühe, aber robust. Foto: privat
Bei den Trecker-Konvois macht Moritz Morgenstern nicht mit. Er sieht die Fahrten kritisch. Doch in einigen Punkten protestiert auch er. Dabei spielen Aldi und Edeka eine gewichtige Rolle.
Drochtersen. Moritz Morgenstern hält 170 Kühe. Sie heißen Banana oder Lupine, tragen Hörner, haben weiche Strohboxen im Stall und weiden auf artenreichem Grünland. Tierwohl wird bei der Hofgemeinschaft Aschhorn groß geschrieben. Die Konsumenten wissen das zu schätzen - zumindest in Umfragen. Laut Öko-Barometer 2022 des Bundeslandwirtschaftsministeriums bekundeten 36 Prozent der Befragten, dass sie häufig (33 Prozent) oder ausschließlich (3 Prozent) Bio-Lebensmittel kaufen. 49 Prozent täten das gelegentlich.
„Wäre schön, wenn die Leute das nicht nur sagen, sondern auch tun würden“, sagt Morgenstern. Er weiß, wovon er spricht: Mit einem Kollegen vermarktet er seine Milch direkt über Edeka und Famila. Nach Ukraine-Krise und Inflation begann der Absatz zu schwächeln. An seiner Absatzkurve kann Morgenstern das und vieles mehr ablesen - zum Beispiel, wenn die meisten Leute vor dem Sommer auf den Urlaub sparen.
Wie realistisch ist das 10-Prozent-Bio-Ziel?
Aktuell werden 6,4 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Niedersachsen ökologisch bewirtschaftet. Artenvielfalt fördern, CO2 binden - das ist gut fürs Klima. Die Vereinbarung „Niedersächsischer Weg“ sieht vor, dass es bis 2025 noch 10 Prozent werden, bis 2030 15 Prozent. Doch wie realistisch ist das? Das hat Heiner Baumgarten vom BUND Moritz Morgenstern bei einer Diskussionsveranstaltung in der Seminarturnhalle in Stade am Dienstag gefragt. Unter dem Titel „Mission Klima“ hatte der Verein Wiki Stade, unterstützt von der Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe (AUN), zu einer Diskussion rund um das Thema Klimaneutralität mit Experten eingeladen.
Morgenstern hält es für unrealistisch, das 10-Prozent-Ziel bis 2025 zu erreichen. Allein die Umstellung auf Bio dauere drei Jahre. Zudem seien Verordnungen oft unübersichtlich und nicht immer logisch: „Manchmal verzweifelt man an diesem System.“ Er habe überlegt, bei der Aktionswoche der Landwirte ab 8. Januar mitzumachen, doch die Blockade der Fähre von Robert Habeck habe ihm das verdorben. „Auch die Ampel am Galgen oder Plakate in Frakturschrift sind nicht meins“, sagt er. Doch in Teilen verstehe er die Proteste. Den 10-Punkte-Katalog, den seine Kollegen aus dem Protestcamp Am Sande an Bundeskanzler Olaf Scholz geschickt haben, hat er genau gelesen: „Da sind sehr vernünftige Forderungen dabei.“
Warum eine Öko-Kuh weniger bringt
Eine davon ist Bürokratieabbau. Nach jeder Legislaturperiode werde die EU-Agrarpolitik gefühlt neu gemacht. Alles werde umgeworfen, die Ämter seien überfordert. ,„Alle meine Flächen werden einmal pro Woche per Satellit fotografiert“, berichtet Morgenstern. Die gläserne Produktion, das Dokumentieren der Düngung - alles gut. Aber nicht, wenn am Ende keiner kontrolliere, wieviel Gülle wirklich ausgebracht wird.
Eine für ihn unsinnige Regelung sei auch, dass ein konventioneller Landwirt vom Land Niedersachsen 75 Euro Förderung für jede Kuh bekomme, die er auf die Weide bringt, er selbst als Öko-Landwirt jedoch nur 50 Euro. Begründung: Als Öko-Landwirt beziehe er auch EU-Mittel. „Aber die EU-Ökoverordnung schreibt Weidehaltung gar nicht vor.“
Die Forderung nach einer Entflechtung der Monopole in Lebensmittelindustrie und -einzelhandel, vor allem bei Edeka, Aldi, Lidl und Rewe, kann Morgenstern auch gut nachvollziehen. Von einem Kartell will er nicht sprechen. Die großen Handelsketten bräuchten sich bei den Preisen nicht direkt abzustimmen, es funktioniere wie bei den Tankstellen: „Wenn Aldi den Milchpreis senkt, ruft mich eine Woche später Edeka an und sagt: 'Wir müssen was mit dem Milchpreis machen'.“
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Subventionen senken den Milchpreis für die Konsumenten
Dabei kann Moritz Morgenstern sich eigentlich nicht beschweren: „Edeka hofiert uns sehr. Wir sind ja auch beste Werbung.“ Gleichzeitig setzen die Handelsketten gerade auf eigene Produktionsfirmen. „So sind sie noch mächtiger.“ Seine Molkerei verkaufe die Hälfte ihrer Milch an Edeka Bio und Rewe Bio und könne sich nicht leisten, diese Kunden zu verlieren. Sie müsse niedrigere Preise in Kauf nehmen - bei gleichbleibenden Kosten. Der Landwirt sei letztes Glied in der Kette. Was Moritz Morgenstern stört: Wenn Leute sich beschweren, dass Landwirte so viele Subventionen bekommen. Den Konsumenten dazu zu bewegen, für Tierwohl, den Erhalt der Kulturlandschaft und Artenreichtum freiwillig mehr zu zahlen, sei schwierig. Denn am Ende gehe es immer um den Preis: „Ohne die Subventionen müsste ich ein Drittel mehr für meine Milch nehmen.“

Bei der Diskussionsveranstaltung „Mission Klima“ des Vereins Wiki Stade in der Seminarturnhalle in Stade sitzen viele Experten auf dem Podium. Dritter von links: Moritz Morgenstern. Foto: Manfred Wetzel