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Interview

TWarum Schauspielerin Katja Studt sich selbst nicht als Power-Frau sieht

Katja Studt, hier 2014 auf einem Pressetermin, spricht offen über ihre ungewöhnliche Karriere und aktuelle Herausforderungen - auch über das Älterwerden.

Katja Studt, hier 2014 auf einem Pressetermin, spricht offen über ihre ungewöhnliche Karriere und aktuelle Herausforderungen - auch über das Älterwerden. Foto: dpa

Katja Studt hat eine ungewöhnliche Karriere hingelegt. Die Schauspielerin spricht im Interview über Filmen am Fließband, ihr Image als Power-Frau und Deutschlands bekanntestem metoo-Skandal.

Von Manfred Ertel Sonntag, 11.02.2024, 12:00 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Zählen Sie eigentlich noch mit, wie viele Filme sie gedreht haben?

Katja Studt: Nein, habe ich auch noch nie gemacht. Ich weiß eher, wie oft ich mit dem einen oder der anderen Kollegin gearbeitet habe. Mir war die ersten Jahre überhaupt nicht bewusst, dass so ein Erfolg auf mich zukommen könnte. Filmen hat mir immer Spaß gemacht, ich freue mich an den Erfahrungen und habe eigentlich erst rückblickend verstanden, dass und warum ich zu so etwas wie einem Star gemacht wurde, vor allem durch die Presse.

Nach 120 Filmen laut Wikipedia hat es Sie jetzt auf die Bühne verschlagen. Haben Sie genug vom Fernsehen?

Ich habe mich der Bühne ja nie verweigert und hatte riesigen Spaß, als ich mal an den Hamburger Kammerspielen gespielt habe. Aber die meisten Angebote, die ich bekam, waren eben Film und Fernsehen. Die wenigen Theaterangebote kollidierten dann mit Dreharbeiten und gingen einfach nicht. Jetzt hat es mich besonders gefreut, dass es Hamburg ist. Ich bin ja auch Mama und freue mich, wenn ich auch mal hier arbeiten darf. Und ich hatte einfach Lust auf Komödie, weil das eine schwierige Herausforderung ist.

Weil sie tief im Herzen keine Humorbombe sind?

Ich bin ein Garant für Humor (lacht). Im Ernst: Etwas auf die Bühne zu bringen, das nicht plump dargestellt wird, finde ich schwierig. Weil gerade viele Deutsche ein sehr spezielles Verhältnis zu Humor haben. Bei meinen ersten Gesprächen habe ich deshalb gleich gesagt, wenn das Stück richtig Boulevard sein soll, dann bin ich das nicht, das mag ich nicht und das bediene ich auch nicht. Auf der Bühne muss ich anders spielen als vor einer Kamera. Aber ich will mich über meine Rolle nicht lächerlich machen, das zündet bei mir nicht. Nur wenn ich alle Facetten ausspielen darf, auch die etwas tragischen, wenn ich auch das Lustige ernsthaft spielen darf, wird das für die Zuschauer auch lustig.

Sind Heimspiele für Schauspieler eigentlich genauso wichtig wie für Fußballer oder kommen dann all die hyperkritischen Freunde und Bekannten?

Nee, ich freue mich wahnsinnig, hier zu spielen. Ich bin durch und durch Hamburgerin, ich liebe die Menschen hier, ich kann mit dem Schlag Menschen gut, denn ich bin ja selbst so. Und vor konstruktiver Kritik habe ich keine Angst. Wir erarbeiten als Ensemble über fünf Wochen etwas, was wir gemeinschaftlich auf die Bühne bringen. Natürlich gibt es unterschiedliche Tage. Neulich hatten wir so ein frühlingshaftes Flirren im Saal, das übertrug sich sofort auf die Bühne. Und dann wieder geht es mal etwas gesetzter zu. Und es gibt Lacher an einer Stelle wo man denkt, warum ist das denn so ein Brüller.

Fühlen Sie sich eigentlich als Power-Frau?

Ich sehe mich selbst nicht so. Ich schaffe ziemlich viel im Leben, aber ich bin kein strategischer Karriereplaner, war ich noch nie. Bei dem, was ich tue, gebe ich alles, was ich geben kann. Und wuppe ziemlich viel, engagiere mich auch oft, zum Beispiel für Kinder in meinem Kosmos, die nicht gut lesen können. Ich möchte gern auch einen aktiven Part in der Gesellschaft mit bedienen, ohne das an die große Glocke zu hängen.

Als Sie die Hauptrolle im TV-Film „Ausgerechnet Sylt“ spielten, bescheinigte Ihnen ein Interviewer, dass Sie noch eine „ziemlich gute Figur“ hätten. Wie sehr müssen Schauspielerinnen wie Sie gegen Klischees ankämpfen?

Ach, die Klischees sind ja in den Köpfen der anderen. Was habe ich davon, mich darüber zu ärgern, das nimmt mir nur Energie. Aber man darf sich auch nicht immer so anstellen. Und manchmal freue ich mich auch über sowas, zumal ich sportlich nicht sehr aktiv bin. Die Rolle damals spielte an der Nordsee, ich trug Badeanzug und Shorts. Und mein Körper hat schließlich zwei Kinder zur Welt gebracht. Es wäre mir auch egal, wenn ich Kleidergröße 42 hätte, mich aber in meinem Körper wohlfühlen würde.

Wie sind Sie als Schülerin auf die Idee gekommen, sich einfach mal so für eine Hauptrolle in einem Dreiteiler des prominenten Regisseurs Dieter Wedel zu bewerben?

Ich kannte ihn ja gar nicht, für mich war das einfach ein Herr Wedel. Wir machten im Gymnasium ein Projekt, bei dem wir Zeitungsüberschriften erklären sollten, warum die uns anspringen oder nicht. Zusammen mit einer Freundin habe ich dann im Hamburger Abendblatt den Aufruf zum Casting gesehen. Ich hatte damals viel Laienspiel gemacht, und wir haben uns einfach spontan beide beworben. Auf einmal kam dann der Anruf.

War nach den guten Kritiken für Sie sofort klar, dass Sie Schauspielerin werden wollten?

Ich hatte damals noch nie etwas gemacht, das mich so erfüllte. Auch wenn ich den anderen beim Dreh nur zugucken durfte, hat es mich einfach nur glücklich gemacht. Danach gab es für mich eine große Klarheit, das in meinem Leben machen zu wollen. Ich hatte Schauspielen aber noch nicht als Beruf verstanden. Dieter Wedel hat mich die ersten Jahre dann intensiv künstlerisch betreut. Er hat mir die Weichen gestellt für die ersten Filmprojekte und es kamen wahnsinnig viele. Er hat mich wirklich geführt.

Was haben Sie dann gedacht, als die MeToo-Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe gegen Dieter Wedel laut wurden?

Ich war total geschockt. Ich kann nichts berichten für meine Person, ich war sogar bei ihm zu Hause, auch allein mit ihm im Zimmer. Aber ich habe nie Übergriffiges mit ihm erlebt. Ich habe ihn nur als künstlerischen Ziehvater erlebt. Aber ich halte die Vorwürfe der Kolleginnen absolut für glaubwürdig.

Warum?

(überlegt) Ich sollte Anfang der 2000er in seinem Mehrteiler „Die Affäre Semmeling“ die Tochter spielen, alles war eingetütet, ich hatte sogar das Buch für meine Rolle schon bekommen. Dann gab es eine Situation beim Deutschen Fernsehpreis in Köln. Eine Kollegin mit großer Oberweite wurde von ihm vor einer Reihe von Männern gehobenen Alters sehr uncharmant angegangen, er hatte ganz schlimme Sprüche losgelassen. Ich beobachtete das erst aus der Entfernung, merkte, dass irgendwas nicht stimmte und bin dann hin. Meine Kollegin hatte Tränen in den Augen, und ich habe noch einige Sprüche mitbekommen. Ich habe mich dann vor sie gestellt und zu Dieter Wedel gesagt: Das macht man nicht! Das hat er mir nicht verziehen. Er hat mir die Rolle wieder weggenommen und ich hatte danach nie wieder Kontakt mit ihm. Er hat mich als Bestrafung fallen gelassen. Aber ich habe nicht geahnt, was noch dahintersteckt. Mit der Kollegin bin ich immer noch befreundet.

Wären Sie begeistert, wenn auch eine Ihrer Töchter schon als Teenager Schauspielerin werden wollte?

Ich würde es nicht verbieten, das kann ich nicht, aber ich würde es mir nicht wünschen. Die Zeiten haben sich einfach geändert, als ich in die Branche einstieg, war alles irgendwie behüteter: Social Media hat inzwischen solche Ausmaße angenommen, die ich als 50-Jährige nur bedingt erfüllen muss, denn das wird gar nicht mehr so erwartet. Aber für die Jüngeren gehört das dazu. Das dicke Fell, das man braucht, wenn man der Öffentlichkeit praktisch zum Fraß vorgeworfen wird, wenn Kritik längst nicht nur konstruktiv ist, sondern zum Beispiel nur auf das Äußere abzielt, das wünsche ich niemandem. Das finde ich einfach furchtbar.

Sie haben in Hamburg-Volksdorf Ihr „Bullerbü“ gefunden, haben Sie mal gesagt. Was heißt das?

Ich habe ja auch zweimal in Berlin und ein paar Mal im Ausland gelebt. Aber in Hamburg war Altona lange meins. Als ich dann schwanger war, habe ich dort plötzlich sehr unschöne Erfahrungen für kleine Kinder gemacht. Ich war mit einer Freundin und ihrem kleinen Kind auf dem Altonaer Balkon an der Elbe, und wir fanden in einem Spielhaus neben Scherben und Zigarettenstummeln auch eine Drogen-Spritze. So etwas wollte ich einfach nicht. Ich wollte, dass mein Kind alles in den Mund stecken konnte, was es findet, aber es sollte ehrlicher Dreck sein. In Volksdorf können die Kinder einfach rausgehen auf die Wiese nebenan oder zu den Nachbarn um die Ecke. Das finde ich schön.

Haben Sie Angst vor dem Älterwerden, ist das für Schauspielerinnen immer noch Berufsrisiko?

Ich habe keine Angst vor dem Älterwerden. Mein Vater ist 91, das ist für mich Alter. Für Schauspielerinnen ist Alter ein größeres Risiko als für Männer, aber das macht mir keine Angst. Ich liebe meinen Beruf, aber mein Leben hängt davon nicht ab. Wenn ich irgendwann keine Angebote mehr bekommen sollte, werde ich etwas anderes finden, das mich glücklich macht.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Es ist einfach ein Gefühl, das ich gar nicht in Worte fassen kann. Ich merke einfach, dass wenn ich nach Hause komme, wenn ich mit dem Zug nach Hamburg einfahre oder über die Elbbrücken, habe ich Frühling in mir: So ein ganz leichtes Gefühl und wohlig, das ist ein bisschen wie verliebt sein. Das habe ich woanders so nie gehabt. Woanders kann ich mich heimisch fühlen. Aber Hamburg ist Heimat und meine Basis.

Infobox: Zur Person - Rolle im Honka-Film

Es ist ein Auftritt mit Seltenheitswert. Erst zum zweiten Mal gastiert Katja Studt (50) in ihrer Karriere am Theater. Wer so viel vor Filmkameras steht wie sie, hat wenig Zeit für Alternativen. Ihre Hauptrolle in dem Stück „Es ist nur eine Phase, Hase“ in der Komödie Winterhuder Fährhaus, das noch bis Ende Februar auf dem Spielplan steht, ist für die Hamburgerin ein Heimspiel, was sie besonders freut.

Ihre erste Rolle hatte sie als Gymnasiastin mit 13 Jahren im TV-Dreiteiler „Wilder Westen inklusive“. Nach dem Abitur folgten 1993 die beliebte ZDF-Miniserie „Clara“ mit ihr als Hauptfigur und der Spielfilm „Die tödliche Maria“ unter Regisseur Tom Tykwer, für den sie 1994 mit dem renommierten Max-Ophüls-Preis als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde.

Für die schauspielerische Autodidaktin folgten zahllose Filme, unter anderem mit erfolgreichen Regisseuren wie Fatih Akin: „Der Goldene Handschuh“ über den grausamen Frauenmörder Fritz Honka war für sie eine besondere Herausforderung. „Fatih hat gleich gesagt, es ist eine kleine Rolle, aber alle Frauenrollen in diesem Film sind bei mir ganz hart. Ihr müsst euch trauen“, erzählt Studt. „Honka war mir ein Begriff, als Hamburgerin kennt man die Geschichte. Ich wollte die Rolle unbedingt spielen, so authentisch wie der Fall war. Die Vergewaltigungsszene haben wir choreografiert. Was so spontan aussieht, war harte Arbeit.“

Katja Studt lebt mit ihren zwei Töchtern in Hamburg-Volksdorf.

Bitte ergänzen Sie ...

Abschalten von Dreharbeiten kann ich am besten, … wenn ich mit meinen Kindern zusammen bin und den Alltag erlebe, wir haben viel Spaß zusammen, es ist immer lustig.

Mein Sehnsuchtsort in Hamburg ist … der Elbstrand, wenn es nicht grad der Sonntagnachmittag und voll ist.

Rote Teppiche finde ich … furchtbar, mochte ich noch nie. Mich da hinzustellen und alles flirrt, das bin nicht ich.

Wenn ich auf dem Wochenmarkt erkannt werde, … und es kein Tuschel-Tuschel ist, sondern ich konkret auf Filme angesprochen werde, dann freut mich das total. Ich mag mit Menschen sprechen.

Wenn meine Töchter mich im Fernsehen sehen, … dann haben sie eher einen anderen Blick darauf, weil ich ja vorher schon viel erzählt habe. Aber tatsächlich tun sie das sehr selten.

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