TWarum Schützen in Nordkehdingen um ihren Schießstand zittern mussten

Marco Heinsohn als Kommandeur und Jessika Suhr als Präsidentin führen den 100 Jahre alten Schützenverein Jägerlust. Foto: Susanne Helfferich
Vor 100 Jahren gründete sich der Schützenverein Jägerlust in Hamelwördenermoor. Er erlebte Nazi-Deutschland, den Zweiten Weltkrieg und zwei Fluten. Die heutige Generation schaut aber vor allem auf die vergangenen zehn Jahre, die sehr schwierig waren.
Wischhafen. Der Schießstand, den der Verein Jägerlust seit Jahrzehnten nutzt, ist in der Vereinsgeschichte untrennbar mit der Gastwirtschaft Moorkate verbunden. Einst gehörte die Gaststätte dem 2014 verstorbenen Richard Toborg, langjähriger Wischhafener Bürgermeister, ehrenamtlicher Landrat und Landtagsabgeordneter.
Der Schützenverein Jägerlust war mit allen Versorgungsleitungen an die Moorkate gebunden. Probleme gab es damit nie, war doch Toborg Schütze mit Leib und Seele. „Als Wirt hatte er ja auch was davon“, sagt die heutige Präsidentin Jessika Suhr.
Die Probleme begannen mit dem Verkauf der Moorkate
Erst mit dem Verkauf der Moorkate habe es Probleme gegeben, erzählt Kommandeur Marco Heinsohn. Verschiedene Pächter kümmerten sich in sehr unterschiedlicher Weise um die Gaststätte. Im Mai 2014 kam es zum Super-Gau für die Hamelwördener Schützen: Einen Monat vor dem Schützenfest schloss das Lokal. Die Folge: Der Verein Jägerlust musste 2014 sein Schützenfest absagen.
Die Schließung des Lokals zeigte, wie abhängig der Verein von ihm war. Er versuchte, sich versorgungstechnisch von der Gaststätte abzunabeln: Anschlüsse für Wasser, Gas und Abwasser mussten gelegt, ebenso eine Heizung eingebaut werden. Es war ein Kraftakt für den Verein. Viele Schützen brachten sich ehrenamtlich ein. Finanziert wurde der Umbau über eine Mitgliederumlage, Spenden und ein Benefizkonzert. 10.000 Euro wurden so gesammelt.
Zwangsversteigerung konnte abgewendet werden
Doch damit war die Kuh noch nicht vom Eis. Zwar konnte Jägerlust ab 2015 mit Unterstützung von Gastwirt Heiko Sieb aus Wolfsbruchermoor wieder Schützenfest feiern. Aber die wechselnden Pächter der Moorkate ließen das Gebäude immer mehr verfallen, erzählen Suhr und Heinsohn. Der Verein wollte den Schießstand und einen Teil der Fläche kaufen, ein Benefizkonzert spielte ordentlich Geld ein, doch hatte der Verein keine direkten Ansprechpartner.
Schließlich drohte die Zwangsversteigerung der Moorkate samt Schießstand, doch die konnte abgewendet werden. Dem Verein gelang es 2019, das Grundstück mit dem Vereinshaus zu kaufen und begann, den Festplatz herzurichten. Wieder waren die Mitglieder gefragt. „Zum Glück haben wir einige, die über die notwendigen Maschinen verfügen“, erzählt Heinsohn. Jessika Suhr lobt den Zusammenhalt: „Wenn es was zu tun gibt, haben wir immer Helfer.“
Inzwischen ist Jägerlust der einzige Verein im Ort. 261 Mitglieder zählt er, seit 2023 ist die 31-Jährige Präsidentin. „Ich kann gut sabbeln, bin schlagfertig und begeisterte Schützin“, sagt die junge Frau, die nun einen 100 Jahre alten Verein lenkt.
Verein mit 100-jähriger Geschichte
Rückblick: Im Februar 1924 wurde zur Gründung des Schützenvereins Jägerlust in den Gasthof Toborg eingeladen. Die ersten Mitglieder stammten nicht nur aus Hamelwördenermoor, sondern auch vom Kajedeich und aus Neulandermoor. Von dort kam auch der erste Vorsitzende Johannes Toborg, gemeinsam mit dem Gastwirt Wilhelm Oest die treibende Kraft bei der Vereinsgründung. Schon ein Jahr später trat der Verein der neugegründeten Schützenvereinigung des Kreises Kehdingen bei.
Auf einer Wiese neben dem Gasthaus Toborg baute der junge Verein 1927 für 150 Reichsmark seinen ersten ordentlichen Schießstand. Doch schon brauten sich dunkle Wolken zusammen: 1934 berichtete das Protokoll vom neuen Reichssportgesetz, damit werden demokratische Spielregeln im Vereinsleben verboten. Vorstandsmitglieder werden vom Vereinsführer bestimmt und nicht mehr gewählt. Von 1939 bis 1949 wird kein Schützenfest gefeiert. Erst dann nimmt der Verein unter dem Vorsitz von Hermann Giese wieder die Arbeit auf, mit einem völlig verfallenen Schießstand.
Mitglieder bauten das Vereinsheim immer weiter aus
Mit den 50er Jahren kam auch bei den Schützenvereinen der Aufschwung: Von 1951 bis 1953 bauten die Hamelwördener für 1050 D-Mark ihren Kleinkaliberstand. 1958 gründete sich eine Theatergruppe, doch der seither jährliche Theaterball musste 1962 wegen der Sturmflut ausfallen. 1969 gründete sich die Damengruppe, und der Verein wurde Mitglied im Nordwestdeutschen Schützenverband. 1976 verzichtete der Schützenverein wegen der erneuten Flutkatastrophe auf sein Kostümfest. Stattdessen spendete er für den Schützenverein Eichel-Wolfsbruch 200 D-Mark für den überfluteten Schießstand.
Ab den 70er Jahren wurde mächtig gebaut: Ein Luftgewehrstand mit sechs Bahnen wird 1972 errichtet, 1988 folgen sechs Kleinkaliberstände. 1993 erhielt der Schießstand „mit beachtlicher handwerklicher und finanzieller Beteiligung der Vereinsmitglieder“, so die Chronik, Heizung und Toiletten; eine Investition in Höhe von 63.000 D-Mark.
An diesem Wochenende, 25. und 26. Mai, wird in Hamelwördenermoor Schützenfest gefeiert. Wegen des besonderen Jubiläums gibt es erstmals das Ausschießen einer Altersmajestät ab 70 Jahren. Außerdem wird erstmalig die Schießsperre aufgehoben. So können alle Schützen ihr Können unter Beweis stellen und um den begehrten königlichen Titel kämpfen.
Das Programm zum Schützenfest
Sonnabend, 25. Mai
9 Uhr: Vereinsinternes Schützenfrühstück
12.30 Uhr: Antreten zum Einholen der Majestäten
15 Uhr: Schießbetrieb und Vogelstechen für die Kinder, Besuch von den „Paw Patrol“-Helfern
17 Uhr: Kinderproklamation und Preisverteilung
19.30 Uhr: Proklamation der neuen Majestäten mit anschließendem Schützenball
Sonntag, 26. Mai
12 Uhr: Antritt zum großen Festumzug
13.30 Uhr: Einmarsch zur Königstafel ins Festzelt
15 Uhr: Beginn des Schießbetriebs
15.30 Uhr: Fototermin
17.30 Uhr: Proklamation des Gewinners des Gästepokals
18 Uhr: Einmarsch der neuen Majestäten mit anschließendem Tanzabend mit Udo‘s Tanzband

Marco Heinsohn als Kommandeur und Jessika Suhr als Präsidentin führen den 100 Jahre alten Schützenverein Jägerlust. Foto: Susanne Helfferich