TWarum der TuS Harsefeld zu den unfairsten Teams des Landes zählt

Kaum eine Mannschaft in Niedersachsen sieht mehr Gelbe Karten. Foto: Struwe
Körperbetonter Fußball oder übertriebene Härte? Der TuS Harsefeld fällt durch zahlreiche Verwarnungen auf. Trainer und Kapitän verteidigen den Stil.
Harsefeld. Von der Bundesliga bis zur Kreisliga: 957 Fußball-Teams in der Halbzeitwertung des Niedersächsischen Fußball-Verbandes (NFV) - und der TuS Harsefeld rangiert am unteren Ende auf Platz 948. Der Landesligist gehört damit im VGH-Fairness-Cup zu den „unfairsten“ Mannschaften landesweit.
62 Gelbe Karten, dazu viermal den Roten und einmal den Gelb-Roten Karton - das ist die Harsefelder Bilanz nach 18 Spielen. In der Wertung ergibt das einen Fairness-Quotienten von 4,72 und den Negativtitel des unfairsten Teams aus dem Kreis Stade.
„Die Tabelle interessiert mich nicht“, sagt TuS-Trainer Nico Matern. Man wolle lieber Spiele gewinnen. „Es soll nicht angenehm sein, gegen uns zu spielen“, ergänzt Kapitän Marco Schuhmann. Das ist es wahrlich nicht. Harsefeld steht für körperbetonten Fußball.
Sich Cleverness aneignen
Die Spielidee des TuS Harsefeld sei es aber nicht, viele Karten zu bekommen, betont Matern. „Es geht nicht darum, den Gegner an der Mittellinie hüfthoch wegzugrätschen“, sagt der Coach. Auch Verwarnungen wegen Meckern seien nicht hilfreich.
„Eine Gelbe Karte muss Sinn ergeben“, sagt Matern seinem Team immer wieder. Er meint Situationen, in denen Spieler den gegnerischen Spielfluss taktisch sinnvoll stoppen. Schuhmann spricht von „cleveren Aktionen“, also den Angriff zu behindern, ohne gelbwürdig einzusteigen.
Das muss auch nicht zwangsläufig ein Foul sein. Er geht als Kapitän mit gutem Beispiel voran und habe als Mittelfeldspieler bislang nur „zwei bis drei Verwarnungen“ gesehen, sagt er.
Einige der Gelbe Karten gehen auf das Konto junger Spieler. Dies sei aber im Rahmen, und Cleverness müsse man lernen. „Das eignet man sich an je mehr Spiele man hat“, nimmt Matern die Jungen in Schutz.
Die Roten Karten sah der TuS unter anderem nach einer Rudelbildung oder durch eine Notbremse. Danny Berners Platzverweis sei ein Unfall gewesen. Der 31-Jährige traf nach einem Klärungsversuch einen Gegner am Kopf, den er vorher nicht sehen konnte.

Fouls gehören zum Fußball dazu - aber manchmal scheint es der TuS zu übertreiben. Foto: Struwe
TuS Harsefeld: Aktive Bank
„Ich bin auch kein Kind von Traurigkeit“, sagt Nico Matern. Die Bank sah in der Hinrunde fünf Gelbe und zwei Rote Karten. Diese gehen seit der vergangenen Saison in das Fairness-Ranking ein. Das Karten-Kontingent von Trainern und Betreuern beläuft sich mittlerweile auf rund 5,5 Prozent aller ausgesprochenen Strafen.
Sein Platzverweis sei ein Missverständnis gewesen. Er habe sich über eine Szene geärgert und Richtung Boden geschrien. „Das haben die Schiedsrichter anders aufgefasst“, sagt Matern, der an der Seitenlinie sehr aktiv ist. „Ich lebe das Spiel mit.“ Er habe als Spieler früher immer gute Erfahrungen gemacht, wenn ein Trainer mitspielt.

Unfairste Teams aus dem NFV Stade. Foto: Datawrapper
Erste Trainerstation
„Wir haben ein energisches Trainerteam und es ist gut, wenn man merkt, dass sie voll dabei sind“, findet Kapitän Schuhmann. Es gäbe aber auch Situationen, in denen er sich wünscht, sie würden sich etwas zurücknehmen.
Harsefeld ist für den 32-jährigen Matern die erste Trainerstation. „Ich weiß, dass ich noch jung bin und lernen muss, mich mehr mit Dingen zu beschäftigen, die ich aktiv beeinflussen kann“, sagt er. Matern werde aber immer ein Aktivposten bleiben. Der Fußball braucht Charakterköpfe. Abseits des Platzes sei er ein umso umgänglicher Mensch.
Kreis Stade: Farbenfrohe Spiele
Im Vergleich aller 32 NFV-Kreise kommt Stade (nur) auf den 21. Platz. In insgesamt 469 Spielen der Stader Teams gab es 1061 Gelbe, 32 Gelb-Roten und 28 Rote Karten (Quotient: 2,76).
Jeder fünfte Platzverweis (23,3 Prozent) fällt auf die drei unfairsten Teams aus Harsefeld, Hammah und Agathenburg/Dollern.

Fairste Teams aus dem NFV Stade. Foto: Datawrapper
Fairste Mannschaft gewinnt Trainingslager
Die fairste Mannschaft Niedersachsens ist der MTV Wolfenbüttel II. In der Braunschweiger Bezirksliga gab es für Spieler des MTV in den bisherigen 16 Saisonspielen elf Gelbe Karten.
Der Sieger des Wettbewerbs wird nach der Saison mit einer festlichen Ehrung und einem Trainingslager im Sporthotel Fuchsbachtal in Barsinghausen belohnt. Das zweitplatzierte Team darf sich auf einen Sportartikelgutschein im Wert von 2000 Euro freuen, und die drittplatzierte Mannschaft erhält noch 1500 Euro. Zusätzlich werden die jeweils drei fairsten Teams mit bis zu 1000 Euro ausgezeichnet.
So berechnet sich der Fairness-Quotient
In der Gesamtwertung werden Gelbe Karten mit je einem, Gelb-Rote mit je drei und Rote Karten mit je fünf Strafpunkten geahndet. Zusätzlich schlagen Sportgerichtsurteile oder auch das Nichtantreten von Mannschaften mit zehn Zählern zu Buche. Die Summe der Strafpunkte geteilt durch die Anzahl der Saisonspiele ergibt den Fairness-Quotienten.