TWarum die Trauer bei Hinterbliebenen raus muss

Seelsorgerin Pastorin Heike Kehlenbeck Foto: Dammer
Wie Menschen trauern, ist individuell verschieden. Doch eines haben alle gemeinsam: Sie erleben einen starken Schmerz.
Stade. In der Trauerphase werden Hinterbliebene von einem Gefühlssturm überwältigt, beschreibt Pastorin Heike Kehlenbeck die Situation. Wer diesem Sturm ausweicht und sich der Trauer nicht stellt, kann negative Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit erleben. Sie rät daher, die Trauer zu akzeptieren, so schmerzhaft es auch sein mag.
Ein schwieriger Weg sei das, wie Dr. Annika Neumann erklärt. „In unserer schnelllebigen Leistungsgesellschaft darf etwas nur eine bestimmte Zeit dauern und dann müssen auch Trauernde wieder funktionieren.“ Von dieser Erwartung sollten sich Hinterbliebene jedoch befreien. „Trauer verschwindet nicht, sie verändert sich nur.“
So unterschiedlich trauern Menschen
Menschen trauern auf vielfältige Weise, und es gibt kein richtig oder falsch, sind sich beide Expertinnen einig. Die Art und Weise, wie jemand trauert, kann von vielen Faktoren beeinflusst werden, wie der Beziehung zum Verstorbenen, kulturellen oder religiösen Hintergründen, persönlichen Erfahrungen und den Umständen des Verlustes.

Palliativmedizinerin Dr. Annika Neumann. Foto: Dammer
Einige Menschen ziehen sich beim Trauern zurück und bevorzugen es, alleine zu sein, während andere Trost in der Gemeinschaft finden. Manche möchten viel über die verstorbene Person sprechen, während andere in Stille gedenken. Manche trauern offen und emotional, andere verarbeiten ihren Schmerz auf ruhigere und kontrolliertere Weise. „All diese Reaktionen sind normal und ein Ausdruck menschlicher Individualität und Resilienz“, bestätigt die Palliativmedizinerin.
Themenwoche
T Eltern von Sternenkindern können bei Lisa Acke trauern
Warum sich manche Menschen dennoch der Trauer verweigern, dafür gibt es verschiedene Gründe, wie Heike Kehlenberg aus ihrer Arbeit weiß: „Da ist die Furcht vor überwältigenden Emotionen und die Meinung, stark sein zu müssen. Manche Hinterbliebene sehen in Trauer ein Zeichen von Schwäche und denken, dass sie weitermachen und „normal“ wirken müssen. Andere verleugnen ihre Trauer, weil sie denken, dass dies ihnen hilft, schneller zum Alltag zurückzukehren.“ Diese Haltung könne langfristig zu mentalen und körperlichen Gesundheitsproblemen führen. Und der Wunsch nach einer Beruhigungsspritze gegen die Trauer sei eine Erwartungshaltung, die auch der beste Mediziner nicht erfüllen könne, ergänzt Annika Neumann.
Appetitmangel, Müdigkeit, Übelkeit oder sogar Schmerzen
Trauer geht mit vielen Emotionen einher: Scham- und Schuldgefühle, Wut und Traurigkeit. Oft sind diese Gefühle mit Störungen des psychischen Wohlbefindens verbunden, wie Konzentrations- und Schlafstörungen. Viele Trauernde erleben auch körperliche Belastungen wie Appetitmangel, Müdigkeit, Übelkeit oder sogar Schmerzen. Um zu verhindern, dass sich diese Belastungen zu chronischen gesundheitlichen Problemen manifestieren, ist Trauerarbeit wichtig. Und die Bereitschaft, bei Bedarf professionelle Hilfe von Seelsorgern, Trauerbegleitern, Psychologen oder Palliativmedizinern anzunehmen. Hier bekommen die Trauernden Raum für ihre Trauer und können sicher sein, dass ihnen zugehört wird.
Und auch hier sind sich die Medizinerin und die Seelsorgerin einig: „Es gibt kein Rezept, um Trauer zu verkürzen oder zu überwinden.“ Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden, um mit dem Verlust umzugehen, und sich die Zeit geben, die er braucht.
Es sei wichtig, zu verstehen, dass Trauer kein linearer Prozess ist - es gibt keine festgelegte Reihenfolge von Phasen oder Schritten. Manche Tage können besser sein als andere; manchmal lässt der Schmerz nach und dann wird er wieder intensiver. Es ist auch normal, dass das Gefühl des Verlustes Jahre später noch präsent sein kann.