TWas das Aus von Brokelmann für Stades Innenstadt bedeutet

Nachmieter gesucht: Zettel dieser Art hängen in einigen Schaufenstern in Stades Innenstadt. Dennoch: Der Leerstand hält sich noch in Grenzen. Foto: Strüning
Ein alter Bekannter in bester Lage der Fußgängerzone verlässt die Stader City. Die angekündigte Schließung vom Modehaus Brokelmann wird in der Stadt mit Bedauern kommentiert. Der Optimismus überwiegt aber.
Stade. „Das ist ein herber Verlust, wenn ein Geschäft mit Tradition und Qualität in der Altstadt schließt“, sagt Stades Marketingchef Dr. Andreas Schäfer. „Das ist schade für den Standort“, sagt Jochen Köhler als Betreiber von Sander Herren-Moden. „Das ist traurig, dass es Betriebe dieser Art so schwer haben, und das reißt eine Lücke in die Hökerstraße“, sagt Optikerin Ulrike Fischer. Brokelmann sei eine Konstante gewesen. Für ihn als Nachbar sei es ein „Schlag ins Kontor“, kommentiert Klaus Ney vom gleichnamigen Schuhhaus die Entscheidung Ulf Brokelmanns.
Überraschendes Ende sorgt für Betroffenheit
Brokelmann will Ende Januar 2025 seinen Laden mit hochwertiger Mode für Frauen und Männer schließen. „Es lohnt sich nicht mehr“, hatte er im TAGEBLATT-Gespräch gesagt. Bei aller Betroffenheit über das überraschend angekündigte Brokelmann-Ende sehen alle Gesprächspartner Stade weiterhin als guten Handelsstandort.
„Das Glas ist halb voll“, sagt Jochen Köhler, der jahrelang auch für Stade Aktuell im Sinne einer belebten City unterwegs war. Gefragt seien aktive Pächter und wohlwollende Vermieter. Stade verfüge über gute Strukturen im Einzelhandel mit diversen inhabergeführten Geschäften. Wandel, Aufgaben und Übergänge seien normal.
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In fünf bis zehn Jahren, so Köhler, gebe es wohl keine Einzelhandelsgeschäfte in Sachen Textil wie er eins führt. Da komme einiges an Änderungen auf die Stadt zu. Aber der Standort sei grundsätzlich gut. Köhler: „Stade ist ein spannendes Pflaster.“
Hoffnung auf hohe Kaufkraft durch Industrie
Er denkt dabei genauso wie Schuhhändler Klaus Ney an die industrielle Entwicklung auf Bützflethersand oder an Airbus, die Kaufkraft in die Stadt bringen. Ney, er sitzt im Präsidium des Handelsverbandes Niedersachsen-Bremen, zeigt Verständnis für die Entscheidung Brokelmanns. Aus wirtschaftlicher Sicht sei es der richtige Zeitpunkt, für ihn als Kollegen und Nachbarn tue es weh. Brokelmann habe kaufkräftige Kundschaft in die Innenstadt gezogen. Die Gesamtlage in Stade sieht er in angestrengten Zeiten positiv. Es gebe halt Gewinner und Verlierer.
Bei den Standortbedingungen wünscht sich Ney Verbesserungen: Zum Beispiel günstige Parkplätze für die Mitarbeiter, den einen oder anderen verkaufsoffenen Sonntag mehr in der Innenstadt und weniger Baustellen in der Stadt, die gleichzeitig aufgemacht werden und den Verkehrsfluss zu stark hemmen. Ein Wunsch, der kaum erfüllt werden wird: Ney hätte gern Kernöffnungszeiten für alle verbindlich. Doch das ist derzeit illusorisch.
Leerstand in der City hält sich in Grenzen
Den Leerstand in der Stadt hält Ney im Vergleich zu anderen Standorten für nicht dramatisch. Ulrike Fischer sieht es auch so. Kunden von außerhalb würden immer wieder bestätigen, wie attraktiv die Stader Innenstadt sei mit den zahlreichen von Inhabern geführten Geschäften, jenseits der Ketten. Vielleicht, sinniert Fischer, würden die Stader jetzt auch wachgerüttelt, dass sie schon in ihren Läden einkaufen müssten, wenn diese denn Bestand haben sollen.
„Stade ist weiter attraktiv“, sagt auch Christine Plath als Citymanagerin von Stade Marketing. Wie immer befinde sich der Handel im Wandel. Dabei gebe es bei allem Leerstand auch gute Nachrichten. In der Sattelmacherstraße hat ein Laden für Barfußschuhe aufgemacht, an der Ecke Große Schmiedestraße/Am Sande das Café Schwingegold.
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Die leeren Schaufenster sind dennoch nicht zu übersehen. Momentan hat es besonders die Verbindung zwischen Großer Schmiedestraße und Pferdemarkt getroffen, wo mehrere Läden leer stehen. Eindruck von Andreas Schäfer: Der Einzelhandel hat es schwer, der Trend bei den Neuvermietungen geht eher Richtung Dienstleistungen und Gastronomie. Stade Marketing versucht, zusätzlich durch Aktionen neben den ganz großen Partys wie Altstadtfest Menschen in die City zu bringen; ob Stadtgutschein, Straßenfeste oder Modenschauen.
C&A und H&M locken, die Kleinen machen den Reiz aus
Klar ist auch, dass Ankermieter wie C&A oder H&M als Filialen Kundschaft in die Stadt locken. Den Reiz Stades mache aber eben der Mix aus mit den kleinen Fachgeschäften.
Dass der Markt schwierig ist derzeit, bestätigt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade. Der Einzelhandel habe seit Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Corona-Krise, rückläufige Kundenfrequenzen in den Innenstädten oder der Online-Handel sind dafür Stichworte. Viele Händler seien durch höhere Personal-, Energie- und Mietkosten belastet. Die hohe Inflationsrate habe ihr Übriges zur Lage beigetragen.
So berichteten im aktuellen Konjunkturbericht 63 Prozent der Einzelhändler von einer rückläufigen Konsumneigung und jeder zweite Händler von gefallenen Umsätzen. Besonders treffe dies auf die Händler in den Branchen Elektronik, Bekleidung, Schuhe und Möbel zu. Nur fünf Prozent der Einzelhändler sprechen von einem guten Quartalsverlauf, 34 Prozent hingegen sind laut Umfrage unzufrieden.
IHK: So wird dem Einzelhandel geholfen
IHK-Experte Stefan Grienitz sagt auch, wie dem Einzelhandel geholfen werden kann: durch eine attraktive Innenstadt, durch ein gutes Zusammenspiel von Kommune und Handel. Ziel sollte es sein, eine hohe Attraktivität, eine hohe Aufenthaltsqualität und Erreichbarkeit zu schaffen. Hierzu gehörten die Punkte Handel, Gastronomie und Arbeitsplätze.
Aber auch Punkte wie Sauberkeit, Sicherheit, die Erreichbarkeit der Innenstädte mit allen Verkehrsmitteln, Parkplätze und Plätze mit Verweilqualität (Parks, Spielplätze, Wasser) seien ein wichtiger Faktor. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Punkte bestehe die Möglichkeit, die Kundenfrequenzen zu steigern. Die IHK empfiehlt für eine gute Abstimmung der Maßnahmen die Aufstellung eines Zentrenkonzepts.
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T Smash Burger: So kommt der Trend bei den Stadern an
Trotz der momentan vielerorts eher trüben Lage im Einzelhandel hält der Handelsverband Deutschland (HDE) an seiner Umsatzprognose für 2024 fest. Nach einer aktuellen HDE-Umfrage unter 800 Handelsunternehmen rechnen für das zweite Halbjahr 42 Prozent mit stagnierenden und 36 Prozent mit rückläufigen Umsätzen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Handelsverband warnt: Die Innenstädte veröden
Der Handelsverband warnt angesichts weiterer Geschäftsaufgaben vor der Verödung der Innenstädte. Gleichzeitig betont der Verband die hohe gesellschaftliche Bedeutung der Branche und ihr großes Engagement für Sportvereine, Stadtfeste sowie für viele andere soziale Zwecke.
Dabei gerate nach mehrmonatigem Aufwärtstrend die Erholung der Verbraucherstimmung im Juli ins Stocken. Das geht aus dem aktuellen Konsumbarometer des Handelsverbandes Deutschland hervor. Nachdem es für den Index zuletzt fünf Monate in Folge bergauf ging, fällt er nun wieder.
Obwohl die Verbraucherinnen und Verbraucher etwas pessimistischer auf die kommenden Wochen und Monate blicken, sind sie weiterhin optimistischer gestimmt als noch vor einem Jahr. Deutlich werde allerdings, dass der Optimismus bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland noch wackelt. Vom Konsum gehe somit weiterhin kein Wachstumsimpuls für die Gesamtwirtschaft aus.

Mode Brokelmann in der Hökerstraße. Das Geschäft schließt im Winter. Foto: Strüning

Zwischen Pferdemarkt und Große Schmiedestraße ist der Leerstand derzeit auffällig. Foto: Strüning