TWas die NS-Hetze gegen Charlie Chaplin mit AfD-Kampagnen gemeinsam hat

Stolz präsentiert Norbert Aping sein neuestes Buch über die filmhistorischen Zusammenhänge zwischen Charlie Chaplin und den Nationalsozialisten. Foto: Buchmann
In seinem neuen Buch wirft Norbert Aping einen tiefgehenden Blick auf die NS-Hetzkampagne gegen den britischen Komiker Charlie Chaplin. Dafür reiste der Buxtehuder sogar bis nach Frankreich. Und er entdeckte bei seinen Recherchen Parallelen zur AfD.
Buxtehude. Norbert Aping brennt für den schwarz-weißen Landstreicher mit Zweifingerbart und schwarzer Melone auf dem lockigen Haar. Schon vor seiner Pensionierung vergrub sich der frühere Direktor des Amtsgerichts Buxtehude mit Vorliebe im filmischen Werk der britischen Stummfilmlegende Charlie Chaplin. Als leidenschaftlicher Filmhistoriker widmete er sich bereits in den beiden Büchern „Liberty Shtunk! Die Freiheit wird abgeschafft“ und „Charlie Chaplin Deutschland“ dem Wirken Chaplins im Kaiserreich sowie der NS-Zeit. Zudem gilt Aping als international renommierter Fachmann für das Slapstick-Duo „Dick & Doof“.
Im Ruhestand denkt der 71-Jährige nicht ans Füße hochlegen, im Gegenteil: Er nutzte die Zeit, um an einer umfassenden Neuauflage seines ersten Chaplin-Buches zu arbeiten. Den Anstoß für das 483 Seiten umfassende Werk „Charlie Chaplin and the Nazis“, das im Dezember 2023 in englischer Sprache in den USA erschien, gab seine Frau.
„Mein erstes Chaplin-Buch erschien 2011 und meine Frau fragte mich schon kurz danach, wann denn das nächste käme“, erinnert sich Aping. In seinem Buch beschäftigte sich der Buxtehuder mit der Wahrnehmung der Kunstfigur Chaplins während des Nationalsozialismus‘, denn anders als in der deutschen Bevölkerung war Chaplins Landstreicher bei der NS-Führung regelrecht verhasst.
„Joseph Goebbels verbreitete bereits in den 1920er-Jahren die Lüge, dass Chaplin Jude sei und deshalb gemieden werden sollte“, erzählt Aping. Den Höhepunkt erreichte die Hetzkampagne des NS-Regimes gegen Charlie Chaplin 1940, als dessen Hitler-Satire „Der große Diktator“ weltweit für Furore sorgte.
Recherche führt nach Frankfurt und Frankreich
Publikationen um diese Hetzkampagnen gibt es zahlreiche, doch für Aping gingen sie oft nicht weit genug. „Die meisten Autoren haben das Thema meist auf „Der große Diktator“ eingeengt“, sagt er. So reifte die Idee, einen umfassenden Blick auf die Nazi-Chaplin-Thematik zu werfen. Ende 2020 habe er mit Recherche begonnen, die ihn zunächst nach Frankfurt am Main führte. Im Privatarchiv des Chaplin-Liebhabers Wilhelm Staudinger wurde Aping fündig: Mehr als 6000 Exponante rund um den britischen Komiker hatte der Frankfurter über die Jahrzehnte zusammengetragen, die inzwischen im Deutschen Filminstitut in Frankfurt am Main als Dauerleihgabe bewundert werden können. „Es war unglaublich, sich durch diese beeindruckende Sammlung zu bewegen und darin zu stöbern“, schwärmt Aping.

In seinem privaten Archiv arbeitet der pensionierte Amtsgerichtsdirektor Norbert Aping bereits an seinem nächsten Buch mit dem Thema „Zensur von Comics“. Foto: Buchmann
Seine Nachforschungen verschlugen den Juristen auch nach Frankreich. Dort erhielt er die seltene Gelegenheit, in 75 Folianten voller englischsprachiger Presseausschnitte nachzuschlagen. „Chaplins älterer Bruder Sydney lebte zwischenzeitlich in Frankreich und kümmerte sich seit den 1910er-Jahren um sein Management“, sagt Aping. In dieser Zeit hatte Sydney Chaplin zahllose Zeitungsausschnitte gesammelt und archiviert, die viel Aufschluss über Aufführungsorte und die öffentliche Darstellung von Charlie Chaplin lieferten.
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Etwa ein Jahr lang recherchierte der Filmhistoriker, bis er mit dem Schreiben in Buxtehude begann. Über Monate stapelten sich in seinem Arbeitszimmer Bücher und Notizen, auch ein Mikrofilm-Lesegerät kam zum Einsatz. „Es sah vorübergehend aus wie beim verrückten Professor“, sagt Aping und lacht.
„Die Hetze funktioniert noch genauso wie früher“
In der damaligen Hetzmaschinerie der NS-Führung gegen den britischen Künstler erkennt Aping auch Parallelen zur aktuellen politischen Lage im Land. „Die Hetze funktioniert noch genauso wie früher“, sagt der pensionierte Richter. Heutzutage würden Faschisten und Rechtsextremisten jedoch das Vulgäre verdeckter in ihren Ansprachen verbauen. „Es handelt sich hierbei um eine sprachliche Übergriffigkeit, bei der das Unsagbare trotzdem im Gesagten mitschwingt“, sagt Aping.
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Auch die beharrlichen Negierungsversuche etwa durch die AfD funktionierten nach diesem Schema. „Schon Goebbels hatte damals gesagt, dass eine oft wiederholte Lüge irgendwann zur Wahrheit wird“, sagt Aping. Solche Fehlinformationskampagnen der Faschisten sollen jedoch nur davon ablenken, „dass sie ertappt wurden“. Deshalb wünscht sich Aping dringend wieder mehr freigeistigen Humor wie den von Chaplin.
Ein passender Film in diesem Geiste ist die Satire „The Death of Stalin“ von Armando Iannucci, dessen Aufführung seit 2018 im Putin-regierten Russland wegen „Entehrung Stalins“ untersagt ist. „Man muss den Diktatoren ins Gesicht lachen“, sagt Aping. „Faschisten haben nämlich mit freigeistigem Humor nichts am Hut.“