TWas die Schröderstraße in Buxtehude mit dem Baggersee-Mord zu tun hat

Das Foto zeigt Mobilfunkmasten auf dem Dach eines Hochhauses an der Schröderstraße in Buxtehude. Im Jahr 2002 deckte eine Funkzelle aus der Schröderstraße auch die Mobilfunkkommunikation am Baggersee in Ovelgönne ab. Foto: Sulzyc
Polizeibeamte werteten 2002 die Handydaten der Nutzer aus, die sich zur Tatzeit am Baggersee in Buxtehude-Ovelgönne aufgehalten haben. Ermittler von damals sagten jetzt vor Gericht aus. Führen die Mobilfunkdaten zu den Angeklagten?
Buxtehude. Vor der 2. Großen Strafkammer am Landgericht Stade ist der Baggersee-Mordprozess gegen vier Männer, die wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt sind, fortgesetzt worden. Im Mittelpunkt standen die Daten der Handys, die in der Nähe des Baggersees in Buxtehude-Ovelgönne eingeloggt waren, als im August 2002 ein 27 Jahre alter Mann brutal erschossen wurde.
Ermittler zu Handydaten sagt aus
Anhand der Telefonverbindungsdaten hoffte die Polizei damals, herauszufinden, wer sich am See aufgehalten hat. Ein heute 65 Jahre alter Polizeihauptkommissar, inzwischen außer Dienst, sagte jetzt als Zeuge vor Gericht aus. Er hatte sich vor 22 Jahren bei den Ermittlungen um die Handyverbindungen gekümmert.
Vor mehr als zwei Jahrzehnten war die Telekommunikationsüberwachung deutlich unpräziser, als sie heute durch Experten zu leisten imstande sind. Ein Problem, das die Ermittler hatten: Die Mobilfunkanbieter Deutsche Telekom, Vodafone und E-Plus haben Funkmasten im Bereich des Baggersees betrieben - der vierte große Anbieter O2 aber nicht.
Anbieter O2 war nicht kooperativ
O2-Kunden hätten damals über die Sendemasten der Mitbewerber telefoniert. Das Unternehmen O2 habe sich nicht kooperativ gezeigt, die Herausgabe von Daten erfolgreich hinausgezögert, sagte der frühere Ermittler aus.
„Uns fehlte eine Anzahl Gespräche, die am See stattgefunden hatten“, erinnerte sich der frühere Polizeibeamte. Das sei ärgerlich gewesen, weil viele Zeugen damals mit O2-Daten telefoniert hätten.
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Mehrere Funktürme, überall im Buxtehuder Stadtgebiet verteilt, deckten das Gelände um den Baggersee in Ovelgönne ab. Einer davon befand sich in der Schröderstraße 9 auf einem Hochhaus - etwa sechs Kilometer vom Tatort entfernt. Das bedeutet: Wen die Polizei wegen der Telefonverbindungen verdächtigte, musste sich gar nicht zur Tatzeit am Baggersee aufgehalten haben. Das Handy hätte auch mehrere Kilometer entfernt am anderen Ende der Stadt genutzt worden sein können.
Wohnten Verdächtige in der Schröderstraße?
Die Polizei sei damals davon ausgegangen, dass Beteiligte in dem Mordfall in einem Nachbargebäude zur Schröderstraße 9 gewohnt haben - oder eine Wohnung in dem Gebäude für Treffen genutzt haben, sagt der frühere Ermittler.
Der Rückschluss der Polizei aber, dass Handydaten von Funktürmen, deren Funkzellen den Baggersee in Ovelgönne abdeckten, zu Personen führen, die sich tatsächlich am Baggersee aufgehalten haben, lasse sich so nicht treffen, sagte Dr. Florian Melloh, Rechtsanwalt eines Angeklagten.
Mit laienhaften Mitteln Funkzellen ausgemessen
„Wir haben damals mit laienhaften Mitteln ausgemessen, wie weit die Funkzelle ausstrahlt“, gab der frühere Ermittler zu. Experten, die bis auf wenige Meter genau Funkzellen entschlüsseln, habe es damals nicht gegeben.
Der Staatsanwalt sagte über das damals ermittelte Bild der Telefonverbindungen: „Es bleibt offen, wer wann welches Handy benutzt hat.“
Auch der damalige Ermittlungsführer der Polizei in dem Baggersee-Mordfall sagte als Zeuge aus. Wie schwierig die Aufgabe von Zeugen nach 22 Jahren in dem Gerichtsverfahren ist, zeigt dies: Die Rechtsanwälte der Angeklagten unterbrachen den heute 65 Jahre alten Polizeibeamten mehrmals. Sie ermahnten ihn, keine Wahrnehmungen aus dem Aktenstudium zur Vorbereitung auf dem Gerichtsprozess zu erwähnen, sondern einzig und allein Erinnerungen zu äußern.
Angeklagter soll falsches Alibi gehabt haben
Der damalige Ermittlungsführer erinnerte sich, dass der Angeklagte, der die tödlichen Schüsse abgegeben haben soll, damals behauptet habe, dass seine Schwester ihn vor der vermuteten Tatzeit vom Baggersee abgeholt habe. Dieses Alibi, so der Zeuge, sei widerlegt worden.
Die Frage, ob die vier Angeklagten, die hartnäckig schweigen, sich zur Tatzeit am Baggersee aufgehalten haben, blieb im Gerichtsprozess unbeantwortet. Welche Beweismittel er gehabt habe, die für diese Annahme sprächen, wollte der Staatsanwalt von dem Zeugen wissen. Antwort: „Funkturmdaten und Zeugenaussagen.“