TWegbleiben trotz Arzttermin? HNO-Arzt warnt: „No-Shows“ werden zum Problem

Wenn die Wartezimmer leer bleiben: So genannte "No shows" - unentschuldigt fernbleibende Patientinnen und Patienten - machen inzwischen eine relevante Schwachstelle im Gesundheitssystem aus. Foto: Reese-Winne
Paradoxes Phänomen im Gesundheitswesen: Während viele monatelang auf einen Arzttermin warten, erscheinen andere einfach nicht. Das passiert hundertfach im Monat auch im Stader Nachbarkreis. Respektlosigkeit oder Gedankenlosigkeit?
Cuxhaven. Arzttermine sind ein kostbares Gut. Es wird immer schwieriger, Haus- oder Fachärzte zu erreichen und einen Termin in absehbarer Zeit zu erhalten. Das Unglaubliche: Ein Teil der Krise ist durch Patientinnen und Patienten selbst verursacht. „No-Shows“ heißen sie nach dem Vorbild ausbleibender Passagiere im Flugverkehr.
Sie kommen einfach nicht, sagen nicht ab, bringen Praxisabläufe durcheinander und sorgen dafür, dass andere, die eine frühere Behandlung herbeisehnen, länger warten müssen. Für viele Praxen ist dies inzwischen Tagesgeschäft.
Vier Wochen lang im Jahr ist die Praxis leer
Eine Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland brachte den HNO-Arzt Dr. Dieter Czapski aus Cuxhaven darauf, dieselbe Betrachtung für die HNO-Praxis in der Nordersteinstraße, in der zusammen mit Dr. Niklas Höllrigl und Janna Röttgers praktiziert, selbst vorzunehmen - mit bestürzendem Ergebnis: „Wir kommen auf einen Leerlauf von vier Wochen im Jahr, genau wie die Praxen im Gebiet der KV Saarland“, erzählt er.
Natürlich sind das keine Momente, in denen nichts stattfindet. Aber es sind vier Wochen, in denen Menschen, die wirklich dringend auf einen Termin warten, hätten behandelt werden können. 140 Termine pro Monat werden schlichtweg nicht wahrgenommen.
Knappe Ressourcen werden noch rascher verbraucht
„So werden sowieso schon knappe Ressourcen aufgebraucht“, gibt der HNO-Arzt zu bedenken. Das Verhalten offenbare mangelnde Solidarität und mangelnde Wertschätzung gegenüber kranken Mitmenschen und gleichermaßen den Beschäftigten im Gesundheitswesen. Auch rein betriebswirtschaftlich gesehen gehe dies nicht in Ordnung: „Vier Wochen lang steht eine mit Ausstattung und Personal voll betriebsfähige Praxis bereit- und dann kommt da keiner.“
Terminabsage wird bewusst einfach gemacht
Mal einen Termin zu vergessen oder unerwartet zu krank für den Arztbesuch zu werden, das könne jedem passieren, aber das könne den neuen Trend nicht erklären. Obwohl es durch ein Telefonansagesystem bewusst sehr einfach gemacht worden sei, einen Termin abzusagen, seien es doch deutlich mehr Personen, die ohne Absage fernblieben, so die Erfahrung des Facharztes, die sich ebenfalls mit den Umfrageergebnissen im Saarland deckt.
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Dagegen könne auch die sorgfältigste Terminvergabe nicht ankommen. Bewusst verzichtet Dr. Dieter Czapsi übrigens auf ein Online-Buchungssystem: Hintergrund ist die Vielfalt der Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, für die unterschiedlich viel Zeit benötigt wird: „Den Mitarbeiterinnen an der Anmeldung liegt im elektronischen Kalender unser Tagesplan vor. Der Zeitbedarf wird von ihnen direkt eingeschätzt und eingeplant.“ Außerdem hat er wahrgenommen, dass die telefonische Vereinbarung wenigstens noch eine gewisse Verbindlichkeit darstellt - jedenfalls mehr als nur ein Klick. Sonst wäre das Problem womöglich noch größer.
„Wir verwalten hier auch die Zeit der Patienten“
Dabei hat er nicht nur die Praxisorganisation im Kopf: „Wir verwalten hier auch die Zeit unserer Patientinnen und Patienten, die mit Termin dann auch pünktlich an die Reihe kommen sollen.“
Selbst zu Operationen bleiben viele einfach aus
Ganz besonders ärgerlich sei das Nichterscheinen, wenn hierdurch kompliziertere und aufwendigere Prozeduren ausfielen. Inzwischen passiere sogar, was früher kaum einmal denkbar gewesen sei: Selbst bei geplanten Operationen blieben Patienten oder - wenn es Kinder sind - Eltern weg. Ein Lied, das inzwischen auch Kliniken singen können, für die durcheinandergewirbelte OP-Pläne schon Alltag sind und die wohlweislich frühmorgens gleich mehrere Patienten zeitgleich einbestellen, um ohne Verzögerungen beginnen zu können.
Auf die Gefährdung der ambulanten Versorgung haben Verbände und Praxen schon das ganze Jahr über mit Kampagnen wie „Praxis in Not“ und „Praxenkollaps“ hingewiesen. Die Folgen von Unterfinanzierung, Bürokratisierung, Budgets und fehlenden Studienplätzen bekommt die Bevölkerung im ländlichen Raum, wo sich immer weniger Ärztinnen und Ärzte niederlassen, zudem noch überproportional stark zu spüren.

Dr. Dieter Czapski, HNO-Arzt in Cuxhaven. Foto: Reese-Winne
Da wäre es schon sehr hilfreich und angebracht, wenn nicht noch Betroffene durch ihr Verhalten die eigene Versorgung weiter gefährden würden, appelliert Dr. Dieter Czapski.