TWeglaufen ist keine Option: Hans-Hinrich Fahrenkrug pflegt demenzkranke Frau

Hans-Hinrich Fahrenkrug hilft seiner Frau, die an Alzheimer-Demenz erkrankt ist. Foto: Masorat Foto: rm
„Das ist ein Wahnsinnsstress für uns beide.“ Hans-Hinrich Fahrenkrug kümmert sich zu Hause in Bremerhaven um seine Ehefrau, die an Alzheimer-Demenz erkrankt ist.
Bremerhaven. Die grün-weiße Matte an der Wohnungstür muss ihm einen kleinen Stich geben. Der Bremerhavener Hans-Hinrich Fahrenkrug würde gerne wieder ein Werder-Spiel im Weser-Stadion sehen. Aber das geht nicht, er muss sich um seine Frau kümmern, sagt der Rentner aus Geestemünde wie selbstverständlich. Sie ist vor etwa fünf Jahren an Alzheimer-Demenz erkrankt. Das stellte alles auf den Kopf. „Von Demenz sind alle in der Familie betroffen, nicht nur die erkrankte Person selbst“, meint Fahrenkrug.
Beim Karten-Spielen stutzig geworden
Beim Canasta-Spielen hat er gemerkt, dass seine Frau nicht mehr rechnen konnte. Es folgten anstrengende Jahre mit Arztbesuchen, Verhandlungen mit Krankenkasse und Pflegedienst, Krankheitsrückschritten und der Sorge, wenn seine Karin verschwunden war und mit der Polizei gesucht werden musste. Das Ehepaar, das früher gerne gecampt hatte, hatte sich ein Wohnmobil gekauft, um zu reisen. Aus dem Traum wurde nichts. Das hätte sie überfordert, ist sich Fahrenkrug sicher.
Mit der Demenz ist ein Gefühl von Trauer eingezogen. Nach außen wirkt er gefasst, wie es in ihm drinnen aussieht, wissen die, die ihn gut kennen. „Diese Krankheit beeinflusst das ganze Leben, auch die Emotionen“, sagt er. Auf dem Tisch im Wohnzimmer liegen Fotoalben. Sie schauen sich oft alte Bilder an. Für sie wird die Vergangenheit Gegenwart. Ihren Ehemann erkennt sie manchmal nicht mehr, wenn er sie von der Tagespflege holt.
„Was ist, wenn ich nicht mehr kann?“
Nach der aktuellen Pflegestatistik wurden 2021 in Deutschland mehr als vier Millionen pflegebedürftige Menschen zu Hause versorgt: etwa fünf von sechs pflegebedürftigen Menschen. Würden all diese Angehörigen für ihre Lieben eine Einrichtung suchen, das Pflegesystem wäre komplett überfordert. Man könnte meinen, Fahrenkrug wäre ein „Profi“, hat er doch jahrelang das Alten- und Pflegeheim Karolinenhöhe in Bad Bederkesa geleitet und ist dort oft mit dem Befund Demenz konfrontiert worden. Doch wenn die eigene Frau in eine andere Welt entschwindet, macht das einen gewaltigen Unterschied.
Zwei Fragen quälen ihn: „Wie wird sich ihre Demenz entwickeln?“ und „Was ist, wenn ich mal nicht mehr kann?“ Hans-Hinrich Fahrenkrug ist 77. Die Kinder wohnen zu weit weg. Manche vermeintlichen Freunde kommen nicht mehr; zum Glück hat er nette Nachbarn, die er um kleine Dienste bitten kann.
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Angehörige helfen sich gegenseitig weiter
Ihm helfen Gespräche. Auch deshalb hat er gemeinsam mit Marita Fischer eine Demenz-Selbsthilfe in Bremerhaven gegründet. „Ich brauche Leute, die mich verstehen“, sagt Fahrenkrug. Er weiß aus seiner Zeit als Alkoholiker - seit neun Jahren ist er trocken -, wie wertvoll Selbsthilfe-Gruppen sind mit Menschen, die in einer ähnlichen Situation stecken und so vieles besser nachempfinden können. Der Umgang mit einer dementen Person ist nicht leicht. „Wir helfen uns gegenseitig weiter“, sagt er.
„Ich wache auf und denke nur daran“
Heute hat seine Ehefrau Pflegegrad 4; fünf Pflegestufen gibt es. „Ich wache auf und denke nur daran“, sagt Fahrenkrug. Er ist 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche gefordert. Zur Demenz-Selbsthilfe kann er seine Frau mitnehmen. Zweimal in der Woche bringt er sie zur Tagespflege. Das ist die Zeit, in der er etwas erledigen oder auftanken kann. Das Problem ist, dass sie dann oft nicht aufstehen will. „Das ist ein Wahnsinnsstress für uns beide“, sagt er. Beim Einkaufen gönnt sich Fahrenkrug eine Tasse Kaffee. Zum Verschnaufen.
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Demenz-Selbsthilfe
Mit einem attraktiven Angebot für Demenzerkrankte und ihre Angehörigen wartet die Alzheimer Gesellschaft Stade auf. Es heißt „Abwechslung vom Alltag“. In den Räumen der Alzheimer Gesellschaft in der Bungenstraße 8 in Stade gibt es die Möglichkeit, seinen Angehörigen in die bewährten Hände von ausgebildeten Helferinnen zu geben. Zudem gibt es eine Angehörigengruppe und ein Beratungstelefon unter der Nummer 0 41 41 / 80 02 20.
Es gibt zwei Demenz-Gruppen in Bremerhaven. Die eine trifft sich jeden 1. Donnerstag im Monat von 17 bis 18.30 Uhr beim Bremerhavener Topf, Dürer Straße 27. Die zweite kommt jeden 3. Donnerstag im Monat von 10.30 bis 12 Uhr im Pflegestützpunkt Bremerhaven, Bürgermeister-Smidt-Straße 29/31 (5. Etage Fahrstuhl) zusammen. Anmeldungen bei Marita Fischer 0471/3097790 und Hans-Hinrich Fahrenkrug 0471/47050971.