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Interview

TWelche neuen Ideen gibt es für Dom, Hafengeburtstag und Co?

Sören Lemke organisiert unter anderem drei Domveranstaltungen im Jahr und den Hafengeburtstag – und macht damit Millionen Besucher glücklich.

Sören Lemke organisiert unter anderem drei Domveranstaltungen im Jahr und den Hafengeburtstag – und macht damit Millionen Besucher glücklich. Foto: Lorenz

Er ist gewissermaßen der Spaßbeauftragte von Hamburg: Sören Lemke organisiert beliebte Veranstaltungen wie den Dom oder den Hafengeburtstag. Wann ist für ihn ein Event ein Erfolg?

Von Markus Lorenz Sonntag, 04.05.2025, 08:00 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Herr Lemke, haben Sie ein Lieblingskarussell auf dem Dom?

Shaker ist eines meiner liebsten Karussells. Ein Rundfahrgeschäft, bei dem sich die Gondeln nicht nur in der Horizontalen um die eigene Achse drehen, sondern auch in der Vertikalen, also über Kopf.

Ist der persönliche Spaß an solchen Vergnügungen Bedingung für den Job als Organisator von Hamburgs größten Volksfesten?

Begeisterter Domgänger war ich jedenfalls schon immer und als Segler hatte ich auch immer Interesse an maritimen Veranstaltungen. Vor allem aber habe ich Leidenschaft für Veranstaltungen. Ich bin gelernter Veranstaltungskaufmann und habe einige Jahre für die Hamburg Messe gearbeitet, unter anderem für die Hanseboot und die Schiffbaumesse SMM.

Was genau ist Ihr Job als Chef des Domreferats?

Das ist vielschichtig. Aber: In erster Linie geht es darum, Veranstaltungen zu etablieren, die viele Leute mögen. Und die eine Strahlkraft auf Touristen ausüben. Damit das funktioniert, müssen wir die Veranstaltungen attraktiv und zeitgemäß halten.

Eine Art Partyabteilung?

Partyabteilung würde ich vielleicht nicht sagen. Aber wir sind eine exotische Abteilung im behördlichen Kontext und wissen, wie man Veranstaltungen macht.

Warum organisiert die Stadt Dom und Hafengeburtstag selbst und lässt das nicht eine private Eventagentur machen?

Weil private Anbieter Veranstaltungen in solchen Größenordnungen kaum leisten können, vor allem hinsichtlich der personellen Ressourcen. Wir als Stadt haben eine ganz enge Zusammenarbeit mit Polizei, Wasserschutzpolizei, Feuerwehr oder HPA. Gerade beim Hafengeburtstag wird diese große Gemeinschaftsleistung Hamburgs deutlich.

„Das Wetter ist das A und O“

Wie muss eine Ihrer Großveranstaltungen gelaufen sein, damit sie hinterher sagen: Es war gut?

Das sage ich, erstens, wenn die Sicherheit gewährleistet war. Und zweitens, wenn das Wetter stimmt (lacht) …

Aha …

Das Wetter ist tatsächlich das A und O. Denn, wenn es regnet, ist es vor allem beim Hafengeburtstag schwieriger, da er ja nur drei oder vier Tage dauert. Beim Hamburger Dom gleichen sich gutes und schlechtes Wetter über die gut vier Wochen meistens aus. Und natürlich: Als Teil der Wirtschaftsbehörde haben wir ein Interesse daran, dass die Schausteller auf dem Dom und die Sub-Veranstaltenden auf dem Hafengeburtstag ihr Geld verdienen und Lust haben, im nächsten Jahr wiederzukommen.

Vor rund 20 Jahren hatte der Senat sich das Ziel gesetzt, den Hafengeburtstag weltweit so bekannt zu machen wie das Oktoberfest. Arbeiten Sie noch daran?

Das Oktoberfest lebt viel von im Ausland bekannten Klischees, wie Bier, Dirndl und Lederhose. Die Norddeutschen sind nicht so die Verkleidungskünstler mit Matrosenhemd und Schiffermütze. Auch sind Versuche, hier Festzelte aufzustellen, nicht besonders erfolgreich verlaufen. Nein, wir wollen das Oktoberfest nicht nachahmen, sondern unsere maritime und hanseatische Identität pflegen. Mit nordischem, direktem, etwas kantigem Charme, darauf können wir gut aufbauen.

Eine Million Besucher beim Hafengeburtstag

Dennoch: Braucht es neue Ideen für den Hafengeburtstag?

Der Hafengeburtstag funktioniert gut, mit etwa einer Million Besuchern pro Jahr. Und trotzdem haben wir einen Strategieprozess aufgesetzt, um zu gucken, ob es Möglichkeiten einer Weiterentwicklung gibt.

In welche Richtung könnte das gehen?

Spannend ist alles, womit wir einen Blick hinter die Kulissen des Hafens schaffen können, gerade für die Hamburger. Der Hafen ist elementarer Teil dieser Stadt, die Wurzel unseres Wohlstands.

Welche Ideen gibt es?

Ein Ansatz könnte sein, Hidden Places im Hafen einzubeziehen oder Orte, die man sonst nicht sieht, etwa durch Touren zu Hafenterminals. Oder ein Kino im Dock von Blohm + Voss. Oder eine Vernissage im Oberhafenamt. Es geht um kleine dezentrale Inseln, die nicht unten an der Meile zwischen Elbphilharmonie und Fischauktionshalle sind.

Wie konkret sind die Überlegungen?

Das ist ein dynamischer Prozess. Erste Überlegungen haben wir schon im vorigen Jahr umgesetzt, zum Beispiel die schwimmende Konzertbühne „Elbe in Concert“ in der Elbe vor den Landungsbrücken, die NGO-Meile oder das Food-Truck-Festival.

Worauf können sich die Besucher beim Hafengeburtstag 2025 freuen?

Zum Beispiel auf die neue Erlebniswelt „Street Art“: Neben Clowns und Straßenkünstlern findet Sonntag ein Inklusionstag statt, an dem eine 100 Meter lange Graffiti-Wand von Kindern mit und ohne Einschränkungen gestaltet wird. Der im vorigen Jahr eingeführte Flohmarkt war ein Riesenerfolg und kommt wieder. Aber natürlich gibt es vor allem weiterhin all die Klassiker, die Besucher sehen möchten: Open-Ship-Veranstaltungen, die Einlauf- und die Auslaufparade, Schlepperballett, die schwimmende Bühne „Elbe in Concert“ mit echter Starbesetzung und natürlich das Feuerwerk.

Den Hafengeburtstag gibt es in dieser Form erst seit 1977. Den Dom dagegen schon seit Jahrhunderten. Ein unverwüstliches Erfolgsmodell?

Der Dom ist eine echte Konstante mit etwa 1,5 Millionen Besucher pro Veranstaltung. Vor dem Hintergrund der langen Spielzeit sind die Schausteller fast immer zufrieden und sagen: Wir kommen unter dem Strich auf unsere Kosten. Und das trotz aktuell zunehmender Probleme im Schausteller-Business, wie Personalmangel und steigenden Logistikkosten. Entsprechend groß ist das Interesse. Wir haben jedes Mal etwa 2500 Anmeldungen für 250 bis 260 Plätze.

Punkte-Liste für Schausteller

Nach welchen Kriterien wählen Sie aus?

Zum Beispiel nach der Attraktivität. Etwa: Ist das Geschäft bemalt oder nur foliert? Gibt es einen Hamburg-Bezug? Ist ein barrierefreier Zugang möglich? Gibt es besondere und besonders nachhaltige Angebote? Für all das vergeben wir Punkte, die Punktbesten bekommen den Zuschlag, sodass gleichzeitig ein Anreiz geschaffen wird, den Betrieb stets zu pflegen. Zusätzlich veranstalten wir auch immer niedrigschwellige Gratisangebote, wie Geburtstagsparade, 3D-Mapping und Laser-Show, um die Veranstaltung dynamisch zu halten.

Es scheint, als würden die Fahrgeschäfte größer und größer. Muss auf dem Dom das Motto gelten: „Immer höher, immer rasanter“?

Es gibt immer neue Fahrgeschäfte auf dem Markt, kommendes Jahr erwarten wir zum Beispiel eine neue Achterbahn. Aber es ist nicht so, dass wir nur auf Rekorde bei Höhe oder Tempo von Karussells gucken. Grundsätzlich brauchen wir ein breites Angebot für alle Besucher: für Kinder, für Menschen, die überhaupt keine Lust auf Fahrgeschäfte haben, aber eben auch für Besucher, die den Kick suchen und auf schnelle Fahrgeschäfte stehen. Wichtig ist ein guter Mix.

Wie erreicht der Dom-Veranstaltungsprofi die Generation TikTok?

Über TikTok (lacht). Wir haben einen Partner, der auf dem Dom Videos dreht, die wir bei TikTok und Instagram hochladen. Das machen wir beim Hafengeburtstag übrigens auch. Heutzutage ist das ein Tool, um bestimmte Zielgruppen zu erreichen. Das funktioniert gut.

Wie erklären Sie sich, das Jugendliche im Internetzeitalter auf ein traditionsreiches Vergnügen wie den Dom abfahren?

Das ist die Urform von Zeitvertreib, von Vergnügen als analoges Erlebnis. Im Netz ein Video von einer rasanten Fahrt in der Achterbahn zu sehen, ist vielleicht faszinierend. Aber mich da selber reinzusetzen, mich selber in die Menge zu begeben und das zu erleben, ist eben noch mal etwas anderes. Auf dem Dom höre ich die Musik, rieche gebratene Mandeln, Zuckerwatte und Bratwurst, sehe flackerndes Licht und höre links und rechts die Schreie der Menschen – es werden alle Sinne angesprochen. Das schafft kein Video bei Instagram.

Auch auf dem Dom steigen die Preise. Beunruhigt Sie das?

Wir haben großes Interesse daran, dass die Preise bezahlbar bleiben. Wäre das nicht der Fall, würden wir nicht eineinhalb Millionen Besucher begrüßen. Natürlich sind die Kosten der Schausteller gestiegen, etwa für Transportlogistik und Personal. Entsprechend muss es auch Verteuerungen geben, das ist ganz logisch. Aber im Verhältnis zur allgemeinen Preisentwicklung bewegt sich der Dom in einem vernünftigen Rahmen.

Keine Großveranstaltung heutzutage mehr ohne Betonabsperrungen und besondere Sicherheitskonzepte. Schlafen Sie noch gut, oder fürchten Sie, dass es den Dom oder den Hafengeburtstag mal mit einem Anschlag erwischen könnte?

Ich kann ruhig schlafen, weil ich weiß, dass das Projekt in guten Händen ist und weil Veranstaltungen einen elementaren Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens darstellen. Es wäre folglich falsch, keine Veranstaltungen mehr durchzuführen. Wir tun viel für die Sicherheit, sind im Austausch mit anderen Veranstaltern und natürlich mit der Polizei. Wir haben für diverse Szenarien Ablaufpläne, Checklisten und wissen, was zu tun ist. Waffen sind beispielsweise verboten, das gilt mit der jüngsten Verschärfung des Waffengesetzes auch für kleine Taschenmesser und wird auf unseren Festen durch Stichproben kontrolliert.

Zur Person

Sören Lemke, auf Fehmarn geboren, ist gelernter Veranstaltungskaufmann und studierter Betriebswirt. Über die Hamburg Messe kam er zunächst als Elternzeitvertretung ins Domreferat der Wirtschaftsbehörde – und blieb. Seit 2021 leitet Lemke die Abteilung, die den Hafengeburtstag und den Dom organisiert.

Sein Team verantwortet zudem die Aufsicht über die Wochenmärkte, die Vermietung des Heiligengeistfeldes sowie die Genehmigung für Großveranstaltungen gemäß dem Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – etwa beim Schlagermove und dem Reeperbahn-Festival.

Lemke, der vor seiner Zeit als Domchef ein Jahr die Welt umsegelte, ist Hobbymusiker (Schlagzeug, Gitarre). Er lebt in einer langjährigen Beziehung auf St. Pauli.

Vervollständigen Sie ...

Hamburg ist meine Wahlheimat, weil … es ein großes kulturelles Angebot gibt und ich die Nähe zum Wasser brauche.

Arbeiten bedeutet für mich … Leidenschaft.

Ich könnte gut verzichten auf … Labskaus.

Was ich immer noch mal machen will, ist … China besuchen.

Die besten Ideen kommen mir … abends, wenn ich im Bett liege.

Kaputtlachen kann ich mich über … gute Witze.

Luxus ist für mich … freie Zeit zu haben.

Das Epizentrum der größten Hamburger Vergnügungen hat einen profanen Sitz: Das unspektakuläre Büro von Sören Lemke im dritten Stock der Hamburger Wirtschaftsbehörde.

Das Epizentrum der größten Hamburger Vergnügungen hat einen profanen Sitz: Das unspektakuläre Büro von Sören Lemke im dritten Stock der Hamburger Wirtschaftsbehörde. Foto: Lorenz

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