T„Weltspitze“: Unternehmer unterwegs in Viebrocks Smart City und im CFK Nord

In diesem Riesen-Backofen werden sonst CFK-Flugzeugteile gebacken: Gruppenfoto im Autoklav beim MITder Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Foto: Richter
Aus Harsefeld und Stade in die ganze Welt: Wie die Region in Sachen Wirtschaft und Innovation aufgestellt ist, erfahren Unternehmer bei einer Reise durch den Landkreis. Es sind beeindruckende Einblicke.
Landkreis. Im Landkreis Stade passieren zukunftsweisende Entwicklungen: Viebrocks Öko-Wohnsiedlung Smart City ist durch eine Einladung zur Klimakonferenz in Glasgow weltbekannt geworden. Und mit dem Kohlefaserverbundstoff-Forschungsstandort CFK Nord kann in Europa kein zweiter mithalten. Zu einem Tagesausflug an diese beiden Orte hat die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) ihre Mitglieder eingeladen.
Klimaschutz als Innovationsmotor
„Energiesparen und Klimaschutz sind Innovationsmotoren. Das hat sich hier im CFK Nord und heute Morgen bei Viebrock gezeigt“, sagt Heiko Fischer nach einem Tag voller Eindrücke. Fischer ist vom Fach: Seine Firma in Bargstedt ist für Energietechnik bekannt. Seine zweite Einsicht vom Tag ist eine politische: „Wir müssen zusammenhalten. Das zeigt die erfolgreiche Zusammenarbeit von Forschung und Industrie hier im CFK Valley. Wir Europäer sollten uns das angesichts der Weltlage zum Vorbild nehmen.“

Heiko Fischer. Foto: Richter
Energiesparen und Klimaschutz werden unabhängig von der politischen Entwicklung wichtig bleiben, sagt Fischer. Das wüssten viele junge Leute. Seine Firma habe deshalb kein Problem damit, Azubis zu finden. „Wir sind sexy“, sagt der Chef von 70 Mitarbeitern.
Rudolf Mundt aus Oldendorf sieht die Nachwuchssituation anders: Auch seine Produkte sind zukunftsträchtig, seine Firma in Oldendorf fertigt Türen, Fenster, Sonnen- und Beschattungssysteme, Smart-Home Produkte, Terrassendächer und Wintergärten. Doch Mundt ist Lehrlingswart der Tischlerinnung und weiß: Gute Azubis zu finden, wird immer schwieriger. Im CFK Nord hat er etwas Hoffnung geschöpft. Doch dazu später.

Rudolf Mundt. Foto: Richter
Schwindende und neue Jobs in der Hightech-Branche
Auch im CFK Valley ist das Fachkräfte- und Nachwuchsproblem groß. „Damit Produktion in Zukunft überhaupt stattfinden kann, müssen wir automatisieren und digitalisieren“, sagt Dr. Constantin Hildebrandt von der CTC GmbH. Die 100-prozentige Airbus-Tochter mit 100 Mitarbeitern hat eine Brückenfunktion zwischen Wissenschaft und Industrie, soll Innovationen anschieben und dabei von der Idee bis zur Umsetzung denken.
Dabei geht es nicht nur um Roboter. Der ganze Fertigungsprozess soll optimiert werden. Auch durch das Integrieren bestehender Innovationen: Schrauben kann auch ein Mensch, aber ein Hydraulikschrauber kann genau auf die Anforderungen programmiert werden und dokumentieren, dass die Schraube richtig angezogen wurde. „Dann muss keiner mehr einen Zettel unterschreiben“, sagt Hildebrandt.
Zukunftstechnologie
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In der Hightech-Branche werden Jobs verloren gehen. Das schmerze, aber: „Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben“, sagt Dr. Dirk Niermann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM). Es werden auch einige neue Jobs für Hochspezialisierte entstehen, die mit Robotern arbeiten. „Dann hoffen wir mal, dass wir in Zukunft weniger potenzielle Azubis an die Industrie verlieren“, sagt Rudolf Mundt. Airbus und Co. wirkten auf den Nachwuchs wie Magnete - „aber wir im Handwerk brauchen noch viel mehr Leute“.
Roboter made in Niedersachsen
Niermann stellt den neuesten der vom Fraunhofer IFAM entwickelten Roboter vor: Er hat fünf Achsen und zwei Motoren - einen Servomotor für die Kraft und einen Direktmotor für die Präzisionsarbeit. So kann er bis auf 0,1 Millimeter genau schneiden und bohren, nicht nur CFK, sondern auch Aluminium, Stahl oder Titan. „Das ist Weltspitze“, sagt Niermann.
Kunden für den Roboter gibt es schon: Zwei Firmen wollen ihn noch in diesem Jahr in einer jeweils eigenen Version auf den Markt bringen. Entwickelt wurde er ab 2018 im Projekt Romani (Roboter made in Niedersachsen). Die Entwicklungen des Fraunhofer IFAM werden von der Industrie finanziert und oft durch staatliche Fördermittel unterstützt. Wenn ein Produkt Marktreife erreicht, verlassen auch oft dessen Entwickler das Fraunhofer IFAM, um bei der jeweiligen Firma zu arbeiten. Das, erklärt Niermann, sei so gewollt und ein Vorteil der Nähe von Forschung und Industrie.
Bei Dr. Carsten Schmidt von der Leibniz-Universität können die Besucher federleichte CFK-Sandwichstäbe in die Hand nehmen, die sogar in der Ariane 6 mit ins All fliegen. Beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) lässt Dr. Christoph Brauer die Besucher in den Autoklav steigen, in dem Flugzeugflügel und andere CFK-Teile gehärtet werden.
Der Riesen-Backofen kann bis auf 420 Grad hochgeheizt werden. Es gäbe noch viel mehr zu sehen: Tür an Tür arbeiten hier 50 Firmen und Institute, nicht zu vergessen die PFH mit dem Dualen Studium vor Ort. In Anlehnung an das Silicon Valley wird der Standort deshalb CFK-Valley genannt. So nannte sich auch das von einem Verein getragene Netzwerk, das seit der Fusion mit dem Standort Augsburg Composites United (CU) heißt.
Die Forscher und Macher vom CFK-Valley
„Von der Grundlagenforschung bis zur Serienfähigkeit sind hier alle Stufen angesiedelt“, erklärt der Stader Dr. Felix Kruse von der MIT, der früher selbst Abteilungsleiter am DLR war. Das CFK Nord sei das größte und am innovativsten ausgestattete CFK Forschungszentrum in Europa. Aber noch etwas anderes mache es für ihn ganz besonders: „Hier wird nicht viel geredet. Hier wird gemacht.“