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Naturphänomen

TWie Buchfinkbabys das Singen erlernen

Ein Buchfink beim Gesang.

Ein Buchfink beim Gesang. Foto: Reinhard Paulin

Wie lernen Vögel das Singen? Diese Frage interessierte Vogelzüchter und Vogelhändler seit langer Zeit. Die Antwort ist einfach.

Von Wolfgang Kurtze Sonntag, 21.07.2024, 15:00 Uhr

Landkreis. Der Vogelbeobachter Ferdinand Pernau wusste schon 1702: „Was sie (Buchfinken) das erste Jahr nicht annehmen, das lernen sie hernach nicht mehr, (auch) wann sie schon 30 andere Vögel hörten.“ Die Jugend eines Buchfinks schien zum Erwerb des Gesangs wichtig zu sein. Die Vogelzüchter wussten noch mehr: Nur ein alter Vorsinger bringt junge Männchen zum Singen.

Inzwischen ist über das Gesangslernen bei Buchfinken mehr bekannt. Schon wenige Tage nach dem Ausfliegen probiert ein Buchfinkenmännchen das Singen. Das ist sehr einfach strukturiert, das Männchen befindet sich noch in der Vorschule. Angeborene Grundkenntnisse ermöglichen diese Gesänge.

Junge Buchfinken imitieren Vorsänger in der Nähe

Das beweisen Versuche mit Buchfinken, die andere Männchen nicht hören konnten. Im ersten Sommer ist das Gehirn darauf festgelegt, die anderen wohltönenden Sänger auszublenden und auf andere Buchfinken genauer zu hören. Aufmerksam werden Vorsänger in der Nähe wahrgenommen und imitiert. Eine verbesserte Grundstruktur im Gesang wird Schritt für Schritt erlernt. Dabei werden neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen geschaffen.

Das Buchfinkenmännchen befindet sich aber immer noch in der Singschule und trainiert. Es will immer besser werden. Im September ist das Repertoire des ersten Jahres gut abgespeichert. Typische Besonderheiten im Buchfink-Gesang sind fest einprogrammiert. Im Spätherbst und Winter wird Singen unwichtig, Energie muss gespart werden. Erst mit der größeren Tageslänge werden ab Februar Hormone wie das Testosteron vermehrt produziert. Das fördert die Sangeslust.

Vögel entwickeln unterschiedliche Dialekte

Zunächst wird unser Männchen den Gesang ganz leise vortragen. Subsong nennen das die Ornithologen. Das ist nur als Vorübung zu deuten. Doch dann geht es richtig los: Schon innerhalb einer oder zwei Wochen reift der Grundgesang zum fast perfekten Gesang aus. Mag sein, dass unser Buchfink manches vergessen hat.

Mehr als die Hälfte der Sänger ist jetzt noch nicht wieder perfekt, die Gesangsstrophen werden noch abgebrochen. Aber er hört ja seine älteren Kollegen und passt sich ihnen an. In dieser Zeit reifen Buchfink-Dialekte aus, die schon in der Kindheit angenommen wurden. Buchfinken aus Göttingen zum Beispiel singen deutlich anders als die aus Stade.

Alle Buchfinken singen nicht genau gleich. Die Weibchen erkennen diese feinen Unterschiede, die sämtlich bedeutsam sind. Denn Buchfinkenmännchen geben mit Hilfe des Gesangs noch viele weitere Informationen weiter. Sie präsentieren zum Beispiel Kraft und Ausdauer. Unfassbare 4549 Strophen sang ein Buchfinkenmännchen an einem Tag – ein Prachtmännchen. Das Weibchen kann auch zurückhaltende oder vorlaute Männchen erkennen.

Heute sind Zebrafinken wichtige Versuchsobjekte, mit deren Hilfe wir mehr über den Gesang erfahren können. Sie lassen sich leicht züchten und gut in Volieren halten. Von ihnen wissen wir zum Beispiel, dass es ein Lern-Gen gibt, das in der ersten Lernphase aktiv ist und zum Speichern des Gelernten beiträgt. Auch kennt die Forschung die Nervenzellen und Überträgerstoffe, die Gelerntes weiterleiten und zum Zielort im Gehirn bringen.

Die Serie „Phänomene der Natur“

Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.

Die TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Jetzt ist der zweite Band von Wolfgang Kurtze im Buchhandel erhältlich.

Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Erhältlich ist das reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Werk im Buchhandel für 19,90 Euro.

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