TWolf reißt Rind: Bauern im Kreis Cuxhaven sorgen sich um ihre Tiere

Das Schild zeigt das Jungrind, das von einem Wolf Ende Mai auf den Weideflächen von Uwe Osterndorf in Berensch-Arensch gerissen wurde. Es soll Radfahrer und Spaziergänger für die Lage der Bauern sensibilisieren. Foto: Leuschner
Uwe Osterndorf ist ein ruhiger Typ. Einer, den nichts so schnell umwirft. Doch was mit seiner Jungrinder-Herde Ende Mai auf einer Weide im Nationalpark passiert ist, das treibt ihn um. Ein Wolf, soviel steht inzwischen fest, hat ein Rind gerissen.
Wurster Nordseeküste. Gelbe Wiesenblumen, Gräser, die sich im Wind biegen, dazu friedlich grasende schwarzbunte Rinder und in der Ferne die glitzernde Nordsee – die Idylle vor dem Nordseedeich bei Berensch-Arensch im Westen von Cuxhaven könnte größer kaum sein.

Die Schwarzbunten Niederungsrinder von Uwe Osterndorf weiden auf Nationalparkflächen im Außendeich vor Berensch-Arensch. Foto: Leuschner
In dieses Bild will das auffällige Schild am Rand einer Nationalpark-Weide eigentlich nicht passen. Ein rot umrandeter Kreis zeigt ein übel zugerichtetes Jungrind. Der Bauch des Tieres fehlt. Gefressen von einem Wolf.
Landwirte stellen Infotafel mit Tierkadaver-Foto auf
Vor ein paar Tagen haben Landwirte das Schild vor den außendeichs gelegenen Nationalpark-Weiden des Berenscher Landwirts Uwe Osterndorf aufgestellt. Kein Zufall, der Kadaver des Rindes auf dem Schild war eines seiner Tiere. Ende Mai war das Rind, ein Jähriger, der zusammen mit 24 weiteren Jungrindern auf der eingezäunten Weide stand, gerissen worden.

Gerissenes Jungrind von Landwirt Uwe Osterndorf auf einer Weide im Außendeichbereich von Berensch-Arensch in Cuxhaven. Foto: privat
Osterndorf informierte die Landwirtschaftskammer, ein Wolfsberater nahm Proben und vermutete angesichts der typischen Spuren, dass hier ein Wolf am Werk gewesen war. Mittlerweile ist der Verdacht amtlich bestätigt. Selbst Schadensersatz habe er bereits erhalten, sagt Osterndorf.
Herde aufgescheucht und schweißnass – ein Tier unauffindbar
Seine Sorgen sind damit aber nicht vom Tisch. Bereits einen Tag nach dem tödlichen Riss vermisste Osterndorf ein weiteres Tier. Nachbarn hätten ihn kurz zuvor darauf hingewiesen, dass der Wolf zurück sei.
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„Ich bin hingefahren, die Tiere rannten hin und her, waren schweißnass, etwas muss da gewesen sein.“ Osterndorf vermisst ein weiteres Tier und macht sich auf die Suche – vergeblich. Das Tier sei weder tot noch lebendig wieder aufgetaucht.
Osterndorf berichtet von weiteren Wolfssichtungen, aber auch weiteren Rissen vor und nach dem Riss im Raum Cuxhaven. So habe ein „sehr glaubwürdiger Zeuge“ Mitte Juni zwischen Holte-Spangen und Berensch gegen 16.30 Uhr einen Wolf über die Straße laufen sehen.

Aufnahme aus einer Tierwildkamera, die nach Auskunft der Jagdpächter aus Berensch-Arensch in Cuxhaven-Arensch, an der Straße am Ortsrand und dem Wernerwald entstanden ist. Foto: Jagdpächter aus Berensch/Arensch
Weitere Zwischenfälle und Wolfsbegegnungen in der Region
„Eine Woche nach unserem Wolfsriss stand eine Spaziergängerin vormittags mit zwei Hunden mitten in Feldmark einem Wolf gegenüber“, erzählt der Landwirt. Anfang Mai seien im Cuxhavener Ortsteil Westerwisch zehn Schafe gerissen worden. Und in Lüdingworth ein junges Rind.
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„Eigentlich passiert jeden Monat etwas“, sagt Osterndorf. Aber längst nicht jeder Zwischenfall würde gemeldet. Die Gründe lassen sich nur vermuten. So könnten Hobbyhalter, die ihre Tiere nicht sicher eingezäunt haben, aus Sorge vor Repressalien schweigen.
Osterndorfs Tiere auf dem Sommerpolder bei Berensch-Arensch sind eingezäunt. Einen besonderen Schutzzaun zur Abwehr von Wölfen nutzt er auf diesen riesigen, von Wassergräben durchzogenen Weideflächen aber nicht. „Das funktioniert aufgrund der Gegebenheiten dort einfach nicht.“
Wolf in Arensch von Wildtierkamera gefilmt
In Arensch, zwischen der Straße Am Ostrand und dem Wernerwald, ist dieser Wolf von einer Wildkamera aufgenommen worden.
Weiden im Nationalpark Wattenmeer nützt der Natur
Vor dem Zwischenfall Ende Mai sei noch nie eines seiner Tiere von einem Wolf angegriffen worden, sagt Osterndorf. Er achte darauf, seine Tiere nicht zu spät im Herbst in den Stall zu holen. Dass der Wolf jetzt schon im Mai komme, wo es eigentlich genügend Wild gibt, sei ungewöhnlich.
Osterndorfs Tiere der alten Rasse Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind weiden nicht ohne Grund auf Vordeichflächen, den sogenannten Sommerpoldern. Der Landwirt ist Vertragspartner der niedersächsischen Nationalparkverwaltung. Die Nationalpark-Verantwortlichen setzen auf Vordeichflächen bewusst auf extensive Beweidung – auch weil damit Baumaßnahmen an anderer Stelle kompensiert werden.
„Kann nicht sein, dass ich meine Tiere in den Stall hole“
Die extensive Beweidung hält die Vegetation kurz und schafft dabei verschiedene Höhenstrukturen, von denen gefährdete Tier- und Pflanzenarten wie Kiebitz und Feldlerche genauso profitieren wie Strandaster und Zahntrost, argumentieren Nationalpark-Schützer. Auch Gänse mögen diese beweideten Flächen.
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Osterndorf braucht eine Lösung, doch die sieht er nicht: „Es kann nicht sein, dass ich mein Vieh in den Stall hole, das ist für mich inakzeptabel. Wir Nationalpark-Partner sollen die Flächen mit unseren Rindern begrasen, dafür haben wir langjährige Verträge abgeschlossen.“
Landwirte: Rückgang der Weidehaltung
Nach Einschätzung von Dirk Tramsen, Landwirt in Spieka-Neufeld und stellvertretender Vorsitzender des Landvolks Wesermünde, führt kein Weg an einer Regulierung der Wolfspopulation vorbei. Er fragt sich auch, ob der hohe Schutzstatus noch gerechtfertigt sei angesichts der hohen Anzahl an Wölfen, die es inzwischen wieder gibt.
Gleichzeitig betont er: „Wir haben per se nichts gegen den Wolf und wollen auch nicht, dass er ausgerottet wird. Aber es muss händelbar bleiben.“
Ansonsten befürchtet er das Aus der Weidetierhaltung. Und das in relativ kurzer Zeit. „Dass die Tiere draußen weniger werden, ist jetzt schon zu beobachten“, sagt Tramsen.