TWolfsattacke auf Schafherde: Angst und Wut in Kranenburg

Verletzt und erschöpft nach der Flucht wurden die Schafe nach der Wolfsattacke rund um Kranenburg aufgefunden. Foto: Plehn
Fünf tote Schafe, eine ausgebrochene Muttertier-Herde, verstörte Tiere auf der Flucht vor dem Räuber: Das ist die traurige Bilanz eines Wolfsangriffs in Kranenburg in der Nacht zu Sonntag. Klare Worte kommen von der Bürgermeisterin.
Kranenburg. „Das war eindeutig ein Wolf“, sagt Olaf Plehn, der zuständige Jagdpächter. Er tippt auf ein Rudel. Eine Bestätigung durch den Rissbegutachter der Landwirtschaftskammer, der am frühen Sonntagnachmittag vor Ort war, steht noch aus.
Entdeckt wurden die verletzten und toten Tiere am Sonntagmorgen um 7 Uhr. In der Dämmerung des Vorabends, als der Schäfer zum Tränken der Tiere vor Ort auf der Weide zwischen Kranenburg und Estorf war, graste die Herde von rund 200 Schafen noch friedlich.

Drei verletzte Schafe mussten eingeschläfert werden. Eines sollte bald lammen, zwei hatten jeweils zwei Lämmer. Foto: Plehn
Am nächsten Morgen waren zwei Schafe tot, drei mussten eingeschläfert werden. Darunter waren zwei hochtragende Schafe und drei Muttertiere mit jeweils zwei Lämmern. Am Sonntagmorgen halfen viele Kranenburger mit, die im Umkreis von eineinhalb Kilometern verstreute Schafherde - Muttertiere und Lämmer - wieder einzufangen. Die Lämmer hat der erschütterte Schäfer am Sonntag zurück in den Stall geholt.
Schafherde in Panik
In ihrer Panik hatten die Tiere beim Angriff den mobilen Zaun niedergetrampelt. Einige wurden im Laufe des Vormittags verstört am Friedhof in Kranenburg gefunden. Eine zweite Herde, etwa 800 Meter entfernt, sei zwar unversehrt, am gleichen Morgen aber deutlich in Aufruhr gewesen. Ob weitere Schafe auf der Flucht verendet sind, steht noch nicht fest.
„Das Schlimme ist doch: Die Weidesaison hat gerade erst begonnen“, sagt Olaf Plehn. Noch grasen die Deichschafe auf Ausweichflächen mit genügend Grundfutter zwischen Kranenburg und Estorf. Gesichert war die betroffene Herde durch einen mobilen Zaun. Ob der den Herdenschutz-Anforderungen genügt, wird formal durch die Fachleute der Kammer festgestellt. „Gott sei Dank war es ein mobiler Zaun, sonst wäre es doch noch schlimmer geworden“, sagt Plehn mit Verweis auf die Attacke in Gräpel im vergangenen Jahr, als 55 Schafe innerhalb eines festen Zauns gerissen oder so schwer verletzt worden waren, dass sie eingeschläfert werden mussten.
Schilder warnen vor Wolfsgebiet
Erst am Dienstag hatte Plehn die von der Landesjägerschaft gesponserten gelben Warnschilder mit der Aufschrift „Vorsicht, Wolfsgebiet“ in seinem Zuständigkeitsbereich gut sichtbar an den Straßen aufgestellt. Die Schilder bringen zum Ausdruck, was die Kranenburger im Alltag erleben.

Diese von der Landesjägerschaft gesponserten Schilder hat der Jagdpächter erst vor einer Woche in Kranenburg aufgestellt. Foto: Plehn
Seit etwa fünf bis sechs Wochen klingelt bei Plehn wieder täglich das Telefon. Etwa ein Mal pro Woche wird ein Wolf mitten im Dorf gesichtet. Die Route der Tiere führe aus dem Estorfer Moor durch Kranenburg Richtung Deich, so die Einschätzung. „Die Dorfbevölkerung hat nur noch Angst“, sagt Plehn.
Die Angst ist nach dem aktuellen Angriff auch ab sofort wieder der morgendliche Begleiter für jeden Halter, der seine Tiere artgerecht auf der Weide hält und der nicht weiß, was ihn morgens erwartet und ob es den Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden gut geht. Die Angst ist da, auch wenn die Weide von wolfsabweisenden Zäunen umgeben ist. Denn eine Garantie sind die Zäune nicht.
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Bei rund der Hälfte der in Niedersachsen nachgewiesenen Risse sei der Herdenschutz in Ordnung gewesen, so Helmut Dammann-Tamke, Präsident der niedersächsischen und deutschen Jäger. Er hatte sich erst vier Tage zuvor, am Mittwoch bei der Diskussionsveranstaltung zur Wolfsproblematik in der Wingst vor 2000 Menschen, für den Abschuss auffälliger Rudel ausgesprochen. Voraussetzung sei dafür eine Änderung der Berner Konvention und der FFH-Richtlinie auf EU-Ebene.
Bürgermeisterin ist wütend
Auch Margitta Bertram war in der Wingst dabei und hatte ihren Sorgen Luft gemacht. Die Bürgermeisterin von Kranenburg ist gefrustet und wütend. „Es reicht. Den Worten müssen auch mal Taten folgen“, sagt sie. Die Situation sei beängstigend, die wachsende Zahl von Rudeln schockierend.
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Gefragt sei Bundesumweltministerin Steffi Lemke - das Ministerium müsse doch in der Lage sein, ein rechtssicheres Verfahren zum Schnellabschuss zu entwickeln. Bertram bezieht sich damit auf den jüngsten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg. Das hatte am Freitag mitgeteilt, der erste vom Land beantragte Schnellabschuss eines Wolfes in der Region Hannover bleibe verboten. Das Bundesumweltministerium will den Gerichtsbeschluss prüfen, sieht aber die Schnellabschuss-Regelung im Einklang mit dem Bundesnaturschutzgesetz.
Auch Helmut Dammann-Tamke kritisiert die Verantwortlichen in der Politik: „Man hat die Zeit seit Oktober nicht genutzt. Jetzt beginnt die Weidesaison - und wir sind genau da, wo wir im Herbst standen.“