TWolfsberater Michael Ohlhoff rät zur Vorsicht und lüftet ein Rätsel

Ein Rüde, festgehalten von einer Wildkamera im Aschhorner Moor. Mit dem Drochterser und dem Oldendorfer Rudel gibt es zwei bestätigte Wolfsfamilien im Landkreis. Zwei weitere sind wahrscheinlich. Foto: Jägerschaft
Nur wenige Kilometer Luftlinie von der Oldendorfer Schule entfernt lebt ein Wolfsrudel im Hohen Moor. Wolfsberater Michael Ohlhoff informierte vor Ort, wie die Tiere ticken, wie wir Menschen uns verhalten sollten und lüftet dieses Rätsel.
Oldendorf. Michael Ohlhoff aus Ahrenswohlde ist als Wolfsberater des Landes Niedersachsen für sechs Landkreise zuständig. Auch die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu seinen Aufgaben. In Oldendorf war er am Donnerstag auf Einladung des Schulfördervereins zu Gast. Der Verein wollte damit sachliche Informationen zu einem emotionalen Thema anbieten. Knapp zwei Dutzend Zuhörer waren dabei.
Wölfe hören das Heulen von Artgenossen im heimischen Wald bis zu zehn Kilometer weit. Ihr Geruchssinn ist extrem ausgeprägt, ebenso das Nachtsehen. Außerdem sind sie „extrem gute Bewegungsseher“, so Ohlhoff. Die Bisskraft ist doppelt so groß wie bei einem Deutschen Schäferhund. Wölfe wiegen um die 40 Kilogramm, sie können bis zu 70 km/h schnell rennen.
Geburt der Welpen steht an
Nur wenige Kilometer Luftlinie von der Oldendorfer Schule entfernt lebt das Rudel im Hohen Moor. „Wir sind jetzt kurz davor, dass die ersten Welpen geboren werden, im Schnitt sind es zwischen vier und sechs. Im Hohen Moor waren es letztes Jahr fünf“, sagt Ohlhoff. Die Welpen bekommen das Futter von den Eltern serviert, können selbst nicht jagen und wenn sie im Alter ab zehn Monaten das Rudel verlassen, „sind die komplett verpeilt. Das ist der Moment, in dem wir 99 Prozent aller Nahbegegnungen haben“, so Ohlhoff. Diese Welpen ernähren sich hauptsächlich von kleinen Säugetieren oder schnappen sich totgefahrene Tiere von den Straßen - Rehe zu reißen schaffen sie noch nicht.
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Zahl der Wölfe im Rudel bleibt konstant
Durch die Abwanderung der Welpen bleibt die Rudelgröße konstant. Die Familienstruktur ist festgelegt. Es gibt die beiden Elterntiere, zwei bis sechs Welpen und die Jungtiere, die bis zu 22 Monate noch beim Rudel bleiben. „Das sind fast ausschließlich Mädels, und die kümmern sich darum, die Welpen großzuziehen.“ Ohne ein Territorium gebe es keinen Nachwuchs. Zugewanderte Rüden markieren das künftige Territorium, wenn es noch nicht besetzt ist. Das kann bis zu eineinhalb Jahre dauern. Wölfe seien wählerisch bei der Partnerwahl. Erst wenn die „richtige Fähe“ ins Revier finde, komme auch Nachwuchs.
Ein solches Wolfsterritorium ist riesig: Zwischen 200 und 350 Quadratkilometer. „Das sind ungefähr 70, 80 unserer Jagdreviere - ein Riesenbereich“, sagt Ohlhoff. Zum Vergleich: Die Stadt Bremen hat eine Fläche von 326,7 Quadratkilometern.
Ohlhoff betont: „In diesem Territorium lebt nur ein Rudel, eine Familie. Jeder andere Wolf, der durch dieses Territorium muss, ist in Lebensgefahr. Die meisten Wölfe verlieren wir, weil sie durch andere Wölfe totgebissen werden.“ Das bedeutet im Umkehrschluss: Ist ein Territorium abgesteckt, wird die Anzahl der Wölfe in diesem Bereich nicht zunehmen.

Der Screenshot der Umweltkarte Niedersachsen zeigt die Wolfsterritorien als Kreise (Drochtersen ist noch nicht farblich markiert, Wiegersen auch noch nicht) und die Nutztierschäden bis heute markiert. Foto: Land Niedersachsen
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Leittiere beider Rudel sind Schwestern
Aber warum leben dann die Rudel im Oldendorfer Hohen Moor und im Aschhorner Moor so nah beieinander, ohne sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen? „Wir haben jetzt die ersten genetischen Ergebnisse der Losungsproben. Die beiden Leittiere sind Schwestern. Beide Rudel sind extrem dicht miteinander verwandt. Ein ganz seltener Fall“, so Ohlhoff. Das Drochterser Rudel jage weiter in Richtung Norden, das Oldendorfer im Osten und Süden.
Niedersachsen gehört laut Ohlhoff zu den weltweit wildreichsten Gebieten. Auch das ist ein Grund für die schnelle Besiedlung. Alle drei Jahre verdoppelt sich die gesamte Population. Der Wolf breitet sich aus, weil es genug Futter und Nahrung gibt, weil er Langstreckenläufer ist - und weil er bekanntermaßen gesetzlich streng geschützt ist. Bislang verweisen Gerichte bei beantragten Abschüssen auf den Schutzstatus.
Auch Ohlhoff spricht sich für Abschüsse bestimmter Tiere aus. „Es gibt Arschloch-Wölfe“, sagt er. Wölfe, die durch ihr Jagdverhalten auf Weidetiere „Mist bauen“. Das seien fünf bis sieben Prozent der Wölfe, und die müssten schnell entnommen werden.
Er will informieren und sich im Streit um die Rückkehr der Wölfe auf keine Seite schlagen. Zu den Fakten gehört eine Studie zu den Übergriffen von Wölfen auf Menschen zwischen 2002 und 2021. In diesen 18 Jahren gab es in Nordamerika und Europa 14 Angriffe, davon zwei tödlich, durch einen Wolf. Weltweit waren es 489, von denen 26 tödlich endeten. In 78 Prozent der weltweiten Fälle waren die Wölfe an Tollwut erkrankt, die in Europa und Nordamerika als ausgerottet gilt. Die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs auf den Menschen gilt damit als gering.

Michael Ohlhoff ist als Wolfsberater des Landes Niedersachsen für sechs Landkreise zuständig. Foto: Klempow
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Es gibt eine grundsätzliche Gefahr
Es bleibt ein Aber. Die Situation in der Region ist besonders: „Es gibt keine vergleichbaren Daten. Es gab noch nie in der Geschichte der Menschheit so viele Wölfe und Menschen aufeinander“, sagt Ohlhoff. Er hoffe, dass nie etwas passieren wird. Doch fernab jeder Panikmache sagt er sachlich: „Ich kann die grundsätzliche Gefahr nicht negieren.“
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Deshalb warnt er davor, Hunde während der Ranzzeit von Januar bis März im Wolfsgebiet frei laufen zu lassen und rät in dieser Zeit zur kurzen Leine. Fohlen sollten derzeit nachts nur in gut gesicherten Pferchen mit einer Litze als Untergrabeschutz und Stromzaun „unter Volldampf“ draußen sein. „Das Risiko ist zu hoch.“ Intakte Herdenschutzzäune machten Sinn und seien auch wirksam. Auch jeder Hobbyhalter von Schafen und Ziegen habe ein Recht auf Förderung.
Bei einer Begegnung mit dem Wolf bleibt den Menschen, dem Raubtier beherzt, aber mit Respekt zu begegnen, immer Richtung Wolf zu gucken, sich groß zu machen, das Tier anzuschreien und mit Steinen zu werfen. Der Einsatz von Pfefferspray sei ebenfalls wirksam, wegzulaufen dagegen keine gute Idee - „das kann Verfolgung auslösen“.
Wolfssichtungen per App melden
Ohlhoff appelliert, jede Wolfssichtung über die App der Landesjägerschaft zu melden. „Wir brauchen die Daten für das Monitoring“, sagt er. Die App „Wolfsmeldungen Niedersachsen“ ist kostenlos erhältlich. Auch Wolfsködel, im Jägerlatein Losung genannt, sind ein Hinweis, der gemeldet werden kann. Fell und Haare, manchmal auch kleine Knochenreste sind die Kennzeichen in den Hinterlassenschaften, die manchmal noch leicht süßlich nach Fleisch müffeln. Zu finden sind sie einfach, meist mitten auf dem Weg. „Wölfe sind Meister im Energiesparen und nutzen unsere Wege.“