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Amtsgericht

TZu viele Zweifel: Vergewaltigungsprozess endet mit Freispruch

Vor dem Amtsgericht Buxtehude musste sich ein 34-Jähriger wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verantworten (Archivbild).

Vor dem Amtsgericht Buxtehude musste sich ein 34-Jähriger wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verantworten (Archivbild). Foto: Thomas Sulzyc

Was tatsächlich passierte, lässt sich nicht feststellen: Warum das Schöffengericht in Buxtehude einen 34-Jährigen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen hat.

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Von Thomas Sulzyc
Donnerstag, 30.01.2025, 15:05 Uhr

Buxtehude. Moralische Schuld, Widersprüchlichkeiten, ein seltenes Krankheitsbild: Eine Verkettung von all dem führt das Schöffengericht in Buxtehude an die Grenzen der Wahrheitsfindung im Strafrecht.

Die Anklage ging von Vergewaltigung und einer besonderen Erniedrigung aus. Doch das Schöffengericht spricht einen 34 Jahre alten Mann frei. Die Verhandlung förderte aus Sicht des Gerichts nicht zweifelsfrei zutage, dass sich das Geschehen so abgespielt hat, wie in der Anklage behauptet.

Auch der Staatsanwalt beantragt Freispruch

Am Ende der Beweisaufnahme plädiert auch der Staatsanwalt auf Freispruch. Er habe Probleme mit der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers.

„Wir wissen nicht, was passiert ist. Eine wahnsinnig unzufriedene Situation“, sagt der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Das Gericht habe Zweifel, über die es nicht hinwegkomme. Dem Mann hatten mindestens zwei Jahre Haft gedroht.

Der 34-Jährige soll im Juni 2024 seine Freundin in ihrer Wohnung auf der Stader Geest missbraucht haben, während sie wegen eines Krampfanfalls bewegungsunfähig war und sich nicht mitteilen konnte. Er soll ihr auch einen Finger in den Po eingeführt haben.

Die Frau leide an einer besonderen Form der Epilepsie. Wenn sie Krampfanfälle erleide, sei sie steif wie ein Brett, dass sie nicht kommunizieren könne, sagte die Frau aus. Dabei sei sie aber durchaus zumindest für eine längere Zeit bei Bewusstsein. Der Zustand sei mal nach fünf Minuten vorbei, ein anderes Mal auch erst nach 20 oder 30 Minuten.

Unterschiedliche Schilderungen der Tat

Ihrem damaligen Freund sei bekannt gewesen, dass sie gelegentlich Krampfanfälle habe. Sie habe an dem Abend keinen Sex gewollt, das aber nicht mitteilen können, sagt die Frau.

Der Angeklagte schildert den Abend anders: Vor dem Zubettgehen habe seine damalige Freundin einen Krampfanfall bekommen. Deshalb habe er sie so in das Bett gelegt, dass sie sicher liege, und ihr die Kleidung bis auf ein T-Shirt und die Unterwäsche ausgezogen. Dann habe er sich zur ihr gelegt. Das sei in Ordnung gewesen, bestätigt die Frau, weil sie ja ein Paar waren.

Er sei sicher gewesen, dass seine damalige Freundin den Kampf überwunden hatte, schildert der Angeklagte die Situation. Dann habe er sich ihr intim genähert und Sex mit ihr gehabt. Einvernehmlich, so habe er das empfunden. Als seine damalige Freundin ihm am nächsten Morgen Missbrauch vorwarf, sei er überrascht gewesen. Heute schäme er sich.

Darum hat das Gericht Zweifel

Was das Gericht und die Staatsanwaltschaft irritiert: Während der Verhandlung kommt zutage, dass die Frau wenige Monate später den Angeklagten wieder getroffen hat. An seinem Geburtstag seien sie wieder intim gewesen.

Dem Gericht fallen in der Aussage der Frau Widersprüchlichkeiten auf: Den Vorwurf der besonderen Erniedrigung, der bei der Strafanzeige eine wichtige Rolle spielte, erwähnte sie kein einziges Mal. Und: Ob und wie lange sie während des Krampfanfalls ohne Bewusstsein gewesen sei, dazu machte die Frau unterschiedliche Angaben.

Über ihren früheren Freund sagt die Frau: „Ich will keine Rache. Ich denke nicht, dass er kriminell ist.“ So habe sie ihn nicht kennengelernt. Mittlerweile hätte sie die Anzeige auch zurücknehmen wollen, um endlich abzuschließen. Aber das ist rechtlich nicht möglich. Dennoch wirft sie ihm bis heute vor, die moralische Tragweite seines Tuns nicht begriffen zu haben. „Mich belastet, dass er sich nicht in meine Lage versetzt.“

Fazit des Vorsitzenden Richters: „Wir haben eine moralische Schuld, keine strafrechtliche.“ Die Konsequenz lautet Freispruch.

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