TAirbus schützt Flieger vor Vogelschlag mit Hilfe von KI

Kein lebender Vogel weit und breit: Die Beluga startet auf dem Airbus-Sonderflugplatz in Finkenwerder. Vorher sind die Vögel mit Pyrotechnik vergrämt worden. Foto: Vasel
Bei Start und Landung: Flugzeuge brauchen Schutz vor Vögeln. Airbus plant, Schallkanonen und Kameras einzusetzen, um Vögel automatisch zu vertreiben.
Neuenfelde. Das Airbus-Werk liegt inmitten der vogelreichen Naturschutzgebiete Mühlenberger Loch, Westerweiden und Finkenwerder Süderelbe. Die Gefahr ist groß. Vogelschläge verursachen weltweit Schäden in Höhe von 1,8 Milliarden Euro in der Luftfahrt.
Im Extremfall droht sogar der Absturz. Ein Beispiel: das Wunder vom Hudson River. Eine A320 musste am 15. Januar 2009 vor New York notwassern. Der Airbus war in einen Vogelschwarm geraten.
Kanadagänse waren nach dem Start in die Triebwerke gesaugt worden. Flugkapitän Chesley Sullenberger meldete der Flugsicherung: „Vogelschlag und Schubverlust in beiden Triebwerken.“ Alle 150 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder überlebten.
Größte Gefahr bei Start und Landung
Die gefährlichsten Momente seien Start und Landung, heißt es beim Verband für biologische Flugsicherheit (DAVVL) in Bremen. Schäden treten vor allem am Triebwerk auf, aber auch an Radarnase, Tragfläche und am Rumpf.
1400 bis 1880 Wildtierschlagmeldungen gebe es im Jahr in Deutschland. Die Wildtierschläge pro 10.000 Flugbewegungen liegen bei 5 bis 8.
Flugzeugbau
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Gefahr bestehe vor allem bis zur Flughöhe von 152 Metern (500 feet). In diesem Bereich teilen sich Vögel und Flugzeuge „auf ihren täglichen Pendelflügen“ den Luftraum, sagt DAVVL-Biologin Dr. Juliane Riechert dem TAGEBLATT.
Während des Vogelzuges im Frühjahr und Herbst ereignen sich mehr Kollisionen in größeren Höhen - maximal bis auf die Reiseflughöhe. Das sind etwa 10.000 Meter.

Vor dem Start einer A321 und der Beluga werden die Vögel vergrämt, aus dem Bus wird an der Start- und Landebahn mehrfach Pyrotechnik abgeschossen. Foto: Vasel
Mit Knall, Blitz und Co.: Pyrotechnik vergrault Vögel
Flughäfen vergrämen deshalb aus Sicherheitsgründen die Vögel. Standard sei die Pyrotechnik-Vergrämung mit unterschiedlicher Munition (Knall, Pfeifen, Rattern, Blitze). Daneben werden Gaskanonen sowie Angst- und Warnrufe per Megafon eingesetzt, aber auch Laser oder Drachen.
Die besten Effekte ließen sich mit natürlichen Feinden wie Beizvögeln - sprich Falken, Habichte und Bussarde, die falknerisch ausgebildet sind - oder Hunden erzielen. Bei diesen treten keine Gewöhnungseffekte auf.
Deshalb steige der Anteil der Flughäfen mit Einsatz natürlicher Feinde deutlich an. Aber auch Laser seien in den vergangenen Jahren verstärkt eingesetzt worden.
Vogelvertreibung mit Künstlicher Intelligenz
Das alles geschieht auch bei Airbus in Finkenwerder. Bevor am Mittwoch kurz nach 9 Uhr sich eine A321 und eine Beluga in die Luft erheben, fährt ein Bus der Flugsicherung die 3273 Meter lange Start- und Landebahn ab.
Es knallt, Rauch steigt auf. Unzählige Vögel machen sich aus dem Staub. Doch Donnerschläge sollen bald Geschichte sein. Airbus hat im Regionalausschuss Finkenwerder ein neues KI-basiertes vollautomatisches System zum Schutz der Flugzeuge vor Vogelschlag vorgestellt.
Die Abkürzung KI steht für Künstliche Intelligenz. Die Unternehmen BioConsult und Protectis Air haben ein Joint Venture gegründet: ProTecBird. Die Technik kommt bereits bei Windkraft- und Industrieanlagen zum Einsatz.
Antikollisionssystem mit KI-Technologie
Das Antikollisionssystem basiert auf KI-Technologie. Es sei in der Lage, Vogelschwärme und einzelne Vögel effektiv abzuschrecken und zu vertreiben. Dies geschehe mit einem Akustikmodul und einem KI-unterstützten Kameraeinsatz. Die Technik erkenne und verfolge die Vögel mit präzisen Sensoren und KI-basierter Tracking-Software.
Vögel werden mit „gezielten Schallimpulsen“ aus dem 360-Grad-drehbaren Hochleistungslautsprecher umgeleitet - tags und nachts. Diese stehen auf kleinen Kästen am Flugfeld. Laut ProTecBird gebe es keine Gewöhnung. Das Automatische Vogel-Erkennungssystem Airport (AVES) werde drei Minuten vor Start oder Landung eines Flugzeugs aktiviert. Danach schalte es sich wieder ab.
Bürgervertretung fordert Informationsabend
ProTecBird spricht von einem „Meilenstein in der Flugsicherheitstechnologie“. Das Airbus-Projekt sei allerdings noch nicht abgeschlossen. „Wir sind noch nicht aussagefähig“, sagt AVES-Artenschutzbeauftragte Esther Clausen. Aktuell sei die Technik in der Erprobung. Die Schallbelastung solle auf ein Minimum reduziert werden.
Darauf baut die Politik in Finkenwerder und Neuenfelde. Lehrer und Schüler der nahen Schule fühlten sich „vom unterschwelligen, aber nicht lauten Vergrämungston gestört“, sagt der Sprecher der CDU-Fraktion im Regionalausschuss Finkenwerder, Fabian Haase. Der sei nicht laut, aber unangenehm. Haase geht davon aus, dass die Technik vor dem Dauereinsatz noch verbessert wird.

Blick von Neuenfelde auf das Airbus-Werk mit Start- und Landebahn und Umfahrung in Hamburg-Finkenwerder. Foto: Vasel
Lärmbelastung: Bewohner sollen informiert werden
Die Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz erwarte auch eine Information der Neuenfelder durch das Bezirksamt Harburg, Airbus und Luftfahrtbehörde, so Manfred Hoffmann (SPD).
Insbesondere Anwohner der Hasselwerder Straße nahe der Kirche müssten über Ausrichtung und Lärmbelastung der Vogelvergrämungsanlage informiert werden. Hoffmann: „Dass Airbus großes Interesse hat, alles zu tun, um die Luftsicherheit zu gewährleisten und zu verbessern, ist gutzuheißen.“ Dabei gelte es, nach den Finkenwerdern auch die Altländer mitzunehmen.