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Küstenschutz

T„Das ist illegal“: Altländer fordern Ministerpräsident Weil zum Handeln auf

Einig: Die CDU-Landtagsabgeordneten aus dem Umweltausschuss tauschen sich mit den Deichverbänden und dem Landkreis Stade im Alten Land über den Öko-Ausgleich für den Deichbau aus.

Einig: Die CDU-Landtagsabgeordneten aus dem Umweltausschuss tauschen sich mit den Deichverbänden und dem Landkreis Stade im Alten Land über den Öko-Ausgleich für den Deichbau aus. Foto: Vasel

CDU-Fraktion zu Gast in Jork: Die Christdemokraten im Niedersächsischen Landtag unterstützen die Deichverbände bei der Forderung nach mehr Geschwindigkeit beim Deichbau. Die Hoffnungen der Altländer ruhen auf zwei Terminen.

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Von Björn Vasel
Dienstag, 04.06.2024, 14:30 Uhr

Jork. Die CDU-Fraktion wird die Deichverbände im Niedersächsischen Landtag beim Streit um den Öko-Ausgleich unterstützen. Das haben die Mitglieder des Umweltausschusses am Montag bei ihrem Besuch im Alten Land deutlich gemacht.

Die örtlichen Landtagsabgeordneten Birgit Butter (Buxtehude) und Melanie Reinecke (Stade) begleiteten die Fachpolitiker Verena Kämmerling, Frank Schmädeke, Axel Miesner und Jonas Pohlmann bei ihrem Vor-Ort-Termin. Später stieß Landrat Kai Seefried (CDU) hinzu.

„Wir stehen hinter den Forderungen der Deichverbände“, sagte die Landtagsabgeordnete Verena Kämmerling aus Osnabrück nach dem Gespräch mit Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts vom Deichverband der II. Meile Alten Landes und Oberdeichgraf Dr. Albert Boehlke vom Deichverband Kehdingen-Oste.

CDU-Küstenschutzexperten kritisieren Umweltminister

Die Christdemokraten übten Kritik an Umweltminister Christian Meyer (Grüne). Axel Miesner (CDU) beklagte, dass das Ministerium versuche, ein geltendes Gesetz auszuhebeln. Die SPD/CDU-Koalition hatte noch vor der Wahl 2022 das Niedersächsische Naturschutzgesetz geändert, um den Deichbau zu privilegieren.

Das heißt: Ähnlich wie in Hamburg und Schleswig-Holstein sollte kein Öko-Ausgleich für die klimawandelbedingte Erhöhung der Deiche notwendig sein. Das Gesetz gilt weiterhin. Doch die Ministerialen setzen es nicht um und legen es anders aus. „Unser Jurist sagt: Das ist illegal“, erklärte Oberdeichrichter Ulferts.

Doch was bedeutet das konkret? Die Altländer hatten sich darauf eingestellt, 1,68 Hektar ausgleichen zu müssen - durch Anlegen eines Weidengürtels am Ufer. Die für die Erhöhung beanspruchten zusätzlichen Flächen liegen in einem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet an der Elbe.

Nach Vorstellung des Ministeriums soll Ulferts jetzt 15 Hektar für den Öko-Ausgleich nachweisen, für die heutigen und die zusätzlichen Deichflächen. Denn der neue Deich wird höher und breiter. Kreisweit müssten 580 Hektar für 77 Kilometer Elbdeich bereitgestellt werden, sollte es nicht zu einem Kurswechsel kommen, rechnete Landrat Seefried den Landespolitikern vor.

Für Meyers Mitarbeiter ist der Deich ein Biotop mit wertvollen Gräsern. „Der Deich ist grün und wird wieder grün“, sagte Ulferts. Die Forderung aus Hannover sei Steuergeldverschwendung. Rund eine Million Euro wird das kosten, „und wir hätten noch keine Schaufel bewegt“.

Altländer setzen auf zwei Audienzen

Für 2000 Meter Deich in Hinterbrack würden „auf einen Schlag“ die gesamten Kompensationsflächen im Alten Land aufgebraucht. Nach Vorstellung des Ministeriums wäre auch eine erneute Erhöhung des neuen Klimaschutzdeiches in einigen Jahrzehnten wieder voll auszugleichen.

Hinzu kommt: Die Verbände stehen unter Druck. Die Planfeststellungskommissarin beim Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) will den Beschluss für die Deicherhöhung in Hinterbrack erst unterschreiben, wenn der Verband die neue Gesetzesinterpretation akzeptiert. Der Beschluss war für September 2024 angekündigt worden. Das heißt: Unterschreiben die Altländer nicht, kann 2025 kein Bagger anrücken. Doch die Verbände wollen sich nicht erpressen lassen.

Die CDU will grundsätzlich auf Öko-Ausgleich beim Deichbau verzichten.

Die CDU will grundsätzlich auf Öko-Ausgleich beim Deichbau verzichten. Foto: Vasel

Sie hoffen auf ein Machtwort und das Parlament. Oberdeichrichter Ulferts und Landrat Seefried haben - nach Einschalten von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) beim Europatag in der St.-Matthias-Kirche in Jork - am 14. Juni einen Termin mit Umweltminister Meyer, am 26. Juni folgt ein Treffen mit Weil.

Oberdeichrichter fordert neues Niedersachsen-Tempo

Küsten- und Menschenschutz müsse über Naturschutz stehen, so Frank Schmädeke. Er und Ulferts mahnten mehr Tempo an. 1976 starben - wenige Jahre nach der Sturmflut von 1962 - wieder Menschen an der Elbe. Ein Erhöhungsprogramm bis 2050 sei zeitlich inakzeptabel. Die CDU will Ulferts Forderung nach Niedersachsen-Geschwindigkeit in Hannover unterstützen.

Ulferts fordert erstens Deichbau grundsätzlich ohne Ausgleich, zweitens mehrjährige Budgets, drittens beschleunigte Verfahren („allein die Öko-Kartierung dauere drei Jahre“), viertens unbürokratischen Ausgleich durch Geld oder Flächenpools, wo dieser unvermeidbar ist (FFH) und fünftens ein Aufstocken des Personals beim NLWKN, um mit ausreichend Ingenieuren die Erhöhung in maximal 20 Jahren zu ermöglichen.

Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts will den Yachthafen Neuenschleuse im Winter für den Kleiumschlag nutzen. 300.000 Kubikmeter Klei sollen auf einer Fläche von sechs Hektar gelagert werden. Das Material soll über Schuten im Hafen Neuenschleuse angelandet werden. Damit werden Lkw-Transporte vermieden.

Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts will den Yachthafen Neuenschleuse im Winter für den Kleiumschlag nutzen. 300.000 Kubikmeter Klei sollen auf einer Fläche von sechs Hektar gelagert werden. Das Material soll über Schuten im Hafen Neuenschleuse angelandet werden. Damit werden Lkw-Transporte vermieden. Foto: Vasel

Ähnliches fordert die CDU auch in einem Antrag im Landtag. Ulferts bedauert, dass die SPD in ihrem Antrag die Privilegierung, die das Bundesnaturschutzgesetz für Küstenschutz zulässt, noch nicht erwähnt. Er wisse aber Corinna Lange (SPD) auf seiner Seite.

Die CDU forderte auch eine Erhöhung der Mittel. 575 Millionen Euro werden die Ertüchtigung der Deiche, sprich eine Erhöhung um zwei Meter, und der Neubau von sieben Sperrwerken den Steuerzahler kosten - allein im Kreis Stade. 80 Millionen Euro gibt es aktuell für den Küstenschutz in Niedersachsen pro Jahr.

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