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Medizin

TDr. Stephan Brune: Das sind Lösungen gegen den Ärztemangel auf dem Land

Dr. med Stephan Brune, Kardiologe und Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN).

Dr. med Stephan Brune, Kardiologe und Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Foto: Laudien

Immer mehr Hausärzte finden keine Nachfolger für ihre Praxen - und die Zahl wird noch steigen, insbesondere auf dem Land. Was kann dagegen getan werden?

Von Susanne Laudien Dienstag, 28.10.2025, 11:50 Uhr

Apensen. Der Ärztemangel in Niedersachsen ist akut. Immer weniger Hausärzte lassen sich insbesondere auf dem Land nieder. Wie berichtet, fehlen laut Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen (KVN) schon jetzt in den Landkreisen Stade, Cuxhaven und Bremervörde Hausärzte und Fachärzte - und die Zahlen werden noch steigen.

Mehrere Ärzte sind bereits 60 Jahre und älter und werden ihre Praxis in absehbarer Zeit aufgeben. Nicht alle finden einen Nachfolger. Denn es fehlt an Nachwuchs, der eine Praxis auf dem Land übernehmen möchte. Was kann gegen den akuten Ärztemangel getan werden?

„Es gibt zu wenig Nachwuchs, weil zu wenig Mediziner ausgebildet werden. Daher muss die Zahl der Studienplätze unbedingt erhöht werden“, sagt Dr. med. Stephan Brune, Stader Kardiologe und Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Über die Anzahl der Studienplätze entscheidet das jeweilige Bundesland. „Doch mehr Studienplätze würden den Steuerzahler auch mehr Geld kosten“, so Brune.

Seit 2020 gibt es eine Neuregelung: Rund 30 Prozent der Studienplätze werden über die Abiturbestenquote vergeben, 60 Prozent vergeben Hochschulen direkt. Hier zählen neben schulischen Leistungen auch soziales Engagement und Motivationstests. 10 Prozent kommen über eine Eignungsquote, etwa durch eine abgeschlossene Berufsausbildung und Tests für Studiengänge.

Verkürzung der Facharztausbildung

Die lange Studienzeit von sechs Jahren und weiteren fünf bis sechs Jahren für die Facharztausbildung in einem Krankenhaus ist auch ein Grund für den Mangel an Fachärzten. „Hier könnte man die Facharztausbildung verkürzen, um früher in die ambulante Versorgung einzusteigen“, sagt Brune. Ein weiterer Grund für den Hausarzt- und Facharztmangel wie aktuell Gynäkologen und Kinderärzte sei darauf zurückzuführen, dass viele Krankenhäuser ihren ausgebildeten Nachwuchs behalten wollen.


Zudem gibt es Gründe wie finanzielles Risiko durch die Selbstständigkeit und bürokratischen Aufwand, warum sich Ärzte gegen eine eigene Praxis entscheiden. Abrechnungen mit Krankenkassen und Rentenversicherungen kosten Zeit, laufende Kosten für Miete, Gehälter, Energie und Neuanschaffungen schmälern den Gewinn, weiß Brune. „Hier müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden.“

Betreiber Hekmatulla Afzali (links) mit Mutter und Schwester (rechts) sowie Andreas Viebrock mit Ehefrau Annegret vor dem Harsefelder MVZ. 

Betreiber Hekmatulla Afzali (links) mit Mutter und Schwester (rechts) sowie Andreas Viebrock mit Ehefrau Annegret vor dem Harsefelder MVZ. Foto: Laudien

Ein neuer Trend zur ärztlichen Versorgung zeichnet sich insbesondere auf dem Land ab: Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ, wie etwa in Harsefeld, Kutenholz, Beckdorf und demnächst in Apensen. Dort praktizieren Ärzte unter einem Dach in privater Trägerschaft eines Arztes. Die angestellten Ärzte profitieren von finanzieller Sicherheit und Möglichkeiten wie Teilzeitbeschäftigung, Mutterschutz und Entlastung von administrativen Aufgaben.

Sind MVZ und RVZ die Lösung gegen Ärztemangel?

Außer den MVZ gibt es inzwischen einige regionale Versorgungszentren in kommunaler Hand (RVZ). Wie berichtet, wurde bei einer Veranstaltung des Gesundheitscampus in Fredenbeck das RVZ Nordholz vorgestellt. Dort arbeiten mehrere angestellte Ärzte, der Träger sind der Landkreis Cuxhaven und die Gemeinde Wurster Nordseeküste.

Sind MVZ und RVZ eine Alternative für den akuten Ärztemangel? Brune sieht das skeptisch: „Ich bin absoluter Befürworter von Einzel- oder Gemeinschaftspraxen mit selbstständigen Ärzten. Die Zahlen belegen, dass angestellte Ärzte in einem MVZ oder RVZ weniger Patienten behandeln als selbstständige Ärzte, bei denen somit kürzere Wartezeiten für die Patienten anfallen.“

Ein Mangel an Hausärzten beseht auch deshalb, weil viele Krankenhäuser ihren ausgebildeten Nachwuchs behalten wollen.

Ein Mangel an Hausärzten beseht auch deshalb, weil viele Krankenhäuser ihren ausgebildeten Nachwuchs behalten wollen. Foto: Stephan Jansen/dpa

Neugründungen und Übernahmen von Arztpraxen begrüßt die Kassenärztliche Vereinigung ausdrücklich. In Fachzeitschriften, Börsen und bei der KVN finden sich dazu Angebote - und auch die Zulassung wird von Mitarbeitern der KVN vorbereitet und intensiv begleitet. Dazu gibt es eine Checkliste, welche Unterlagen vom Lebenslauf bis zur Approbation und dem Facharztzeugnis vom Arzt benötigt werden.

Zulassungsausschuss besteht aus drei Ärzten und drei Vertretern der Krankenkassen

Wenn alle Unterlagen vorhanden sind, entscheidet der Zulassungsausschuss aus drei Ärzten und drei Vertretern der Krankenkassen, der viermal im Jahr tagt, über die Zulassung. Mit etwa vier bis sechs Monaten müssen Ärzte hierfür rechnen. Brune rät allerdings, für eine gründliche Vorbereitung zum niedergelassenen Arzt ein bis zwei Jahre einzuplanen.

Wo ein Arzt benötigt wird und in welchem Ort er sich niederlassen darf, darüber entscheidet die Bedarfsplanung. „In keinem Land gehen die Menschen so oft zum Arzt wie in Deutschland. Zurzeit haben wir zu viele Ärzte in den Großstädten und zu wenig auf dem Land. Daher ist jeder Arzt willkommen und wird bei der Verwirklichung seiner beruflichen Pläne von der KVN unterstützt“, sagt Brune.

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