Zähl Pixel
Studie

TElbvertiefung unwirtschaftlich – Vernichtendes Urteil lässt aufhorchen

Das Schlickbaggern auf der Elbe ist ein lukratives Millionengeschäft, in England kostet der Kubikmeter fast 20 Prozent weniger.

Das Schlickbaggern auf der Elbe ist ein lukratives Millionengeschäft, in England kostet der Kubikmeter fast 20 Prozent weniger. Foto: Vasel

Zu viel Schlick, zu wenige Container - und neue Konkurrenz: Die harsche Geldverbrennungs-Kritik kommt von berufener Stelle. Das sind die Hintergründe.

author
Von Björn Vasel
Dienstag, 28.01.2025, 09:00 Uhr

Altes Land. Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF sehen sich durch eine Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP) in Berlin/Freiburg bestätigt: Die Elbvertiefung habe den Hamburger Hafen demnach nicht gestärkt. Stattdessen seien die Kosten explodiert. Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Bundesrepublik Deutschland waren in ihrer Machbarkeitsstudie von Kosten in Höhe von 310 Millionen Euro ausgegangen. Letztlich verschlangen die Baggerarbeiten bis zur offiziellen Freigabe im Januar 2022 mehr als 850 Millionen Euro.

Die Pläne, den Schiffen einen zusätzlichen Tiefgang von 1,90 Meter zu ermöglichen, wurden kurz nach der Freigabe von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) bis Mitte 2025 auf Eis gelegt. Immer wieder lagern sich Sedimente in der Fahrrinne ab, die Untiefen schränken die Schifffahrt ein.

Saugbagger verschlingen immer mehr Geld und Schlick

Stattdessen explodierten die Baggerkosten, immer mehr Schlick muss in der Nordsee verklappt werden. 2023 musste die Hamburg Port Authority 120 Millionen Euro dafür ausgeben. Allein das Baggern verschlang 63 Millionen Euro. Die andere Hälfte floss unter anderem in die Kompensationsmaßnahmen und Entsorgung.

Insgesamt mussten der Bund und Hamburg 2023 rund 232 Millionen Euro für das Ausbaggern von Hafen und Fahrrinne berappen. Im Jahr 2010 lagen die Ausgaben noch knapp unter 100 Millionen Euro. Mit Beginn der Vertiefungsarbeiten stiegen die Kosten laut Studie ab 2019 um 90 Millionen an.

Firmen aus Benelux haben das Monopol bei den Saugbaggern.

Firmen aus Benelux haben das Monopol bei den Saugbaggern. Foto: Vasel

Professor Dr. Henning Vöpel und Dr. André Wolf vom CEP untersuchten für ihre Studie, wie groß der volkswirtschaftliche Mehrwert der Elbvertiefung ist. Im Jahr 2023 nutzten 16 einlaufende und 65 auslaufende Containerschiffe sowie 72 Schiffspassagen den zusätzlichen Tiefgang.

Die CEP-Wissenschaftler stellten die Bagger-Mehrkosten in Relation zu den Schiffspassagen. Jede kostet den Steuerzahler 1,25 Millionen Euro. Lediglich die gesellschaftlichen Folgekosten stiegen - für die Natur und den Steuerzahler. Das Geld fehle der öffentlichen Hand an anderer Stelle. Die Wissenschaftler sprechen von „versunkenen Kosten“.

Containerumschlag wächst trotz Elbvertiefung nicht

Trotz der Subvention wuchs und wächst der Containerumschlag in Hamburg nicht. Der dümpelt bei 7,7 Millionen Standardcontainern (TEU). Im Planfeststellungsverfahren waren Bund und Land von einem Umschlag von 25 Millionen TEU (2025) ausgegangen.

Auch dieser Containerriese ist nicht voll beladen.

Auch dieser Containerriese ist nicht voll beladen. Foto: Vasel

Das liegt auch an der Verschiebung der globalen Warenströme und interkontinentalen Containerschiffrouten. Kaum ein Containerriese aus China nimmt direkt Kurs auf Hamburg. Die Schiffe laufen vorher andere Nordsee-Häfen an oder löschen ihre Ladung bereits in den Mittelmeer-Häfen. Dort haben sich die Chinesen unter anderem in Piräus eingekauft, von dort verteilen sie ihre Waren. Stichwort: maritime Seidenstraße.

Hamburgs gute Hinterlandanbindung ist laut der CEP kein Wettbewerbsvorteil mehr. Hinzu komme: In Hamburg sind die Hafenkosten zu hoch, es besteht ein Investitionsstau bei der Terminal-Infrastruktur.

Der Anteil der Containerschiffe, die den tideabhängig möglichen Maximaltiefgang bei Fahrt komplett ausgenutzt haben, sei über den gesamten Zeitraum auf einem geringen Niveau verblieben. Im Jahr 2024 betrug er im Fall Hamburgs lediglich 5,9 Prozent bei einlaufenden Schiffen und 13,6 Prozent bei auslaufenden Schiffen.

Die Schiffe hätten also deutlich mehr Container an Bord nehmen können. Die durchschnittlichen Ladungsreserven lagen bei Frachtern über 8000 TEU bei 2719 Containern (einlaufend) und 1340 Containern (auslaufend). Insbesondere beim Einlaufen „war der Auslastungsgrad also im Schnitt gering“, so die Wissenschaftler.

Denkfabrik sieht keinen volkswirtschaftlichen Nutzen

Fazit: Die Kosten-Nutzen-Betrachtung fällt negativ aus. Die Leiter der Studie fordern wie ihre Auftraggeber WWF, BUND und Nabu eine Wende bei der Hafenpolitik. Das für die Unterhaltungsbaggerung aufgewendete Geld sollte besser für die Transformation der Häfen aufgewendet werden, um neue Wertschöpfungspotenziale zu heben. Die Häfen böten sich als Produktionsstandorte und als Hubs für erneuerbare Energien an. Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven sollten sich spezialisieren und „in Form einer strategischen Zusammenarbeit“ kooperieren.

Walter Rademacher vom Regionalen Bündnis gegen Elbvertiefung sieht sich bestätigt. Von den Elbvertiefungen von 1999 und 2019 habe lediglich ein Kartell von Saugbagger-Firmen und Reedern profitiert.

Die Baggermengen in der Elbe und im Hamburger Hafen seien seit der Elbvertiefung von 1999 um 84 Prozent gestiegen. Das Geschäftsmodell auf Kosten von Natur und Umwelt sowie der Steuerzahler müsse ein Ende finden, ist sich Rademacher mit WWF, Nabu und Bund einig.

Das Süßwasserwatt an der Hahnöfer Nebenelbe ist unter einem Schlickberg verschwunden.

Das Süßwasserwatt an der Hahnöfer Nebenelbe ist unter einem Schlickberg verschwunden. Foto: Vasel

Doch die Verbände haben auch die Natur im Blick. Sie verweisen auf die Zerstörung des Lebensraums Elbe, die Bestände an Fischen und Vögeln seien „dramatisch zurückgegangen“. WWF-Umweltexpertin Beatrice Claus fordert, dass die letzte Elbvertiefung rückgängig gemacht und eine Renaturierung eingeleitet wird.

Weitere Artikel