TEnergiewende mit Agri-PV: Doppelte Ernte für Obstbauern an der Niederelbe

Doppelte Ernte: Blick auf die Agri-PV-Anlage auf der Plantage des Obstbauzentrums Esteburg in Jork-Moorende. Foto: Vasel
Solarunternehmen, Wissenschaft und Obstbau schmieden eine Allianz, um das Alte Land zu einer Modellregion für die Digitalisierung und Energiewende zu machen. Sie haben viel vor.
Jork. Gemeinsam haben die Solarunternehmen Metavolt aus Hamburg und Sunfarming aus Brandenburg mit dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM ) in Stade und dem Obstbauzentrum Esteburg die Forschungsinitiative Neues Altes Land (Nala) ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, dass die Niederelbe zur Modellregion für eine vernetzte Agrar- und Energiewende wird. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Staatssekretär Stefan Wenzel (Grüne) aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz haben Unterstützung signalisiert.
Altländer sollen doppelte Ernte einfahren
Die Nala-Partner wollen Digitalisierung und erneuerbare Energien, mit dem Fokus auf Agri-Photovoltaik (Agri-PV), unter einen Hut bringen. Obstbauern sollen eine doppelte Ernte einfahren können: Solarstrom produzieren und auf derselben Fläche weiter ausreichend Äpfel ernten.
Auf der Esteburg soll eine Agri-PV-Versuchsanlage auf einer Fläche von 2,5 Hektar installiert werden. Für Metavolt und IFAM liegen die Vorteile auf der Hand: Module der Agri-PV-Systeme können nicht nur Solarstrom erzeugen, sondern schützen die Apfelanlagen auch vor Klimawandel-Folgen wie Extremwetter - von Hagel über Starkregen bis zu Sonnenbrand -sowie Schädlingsbefall wie Schorf. Am Bodensee konnten fast 70 Prozent der Pflanzenschutzmittel eingespart werden, im Norden gibt es Probleme mit der Blattlaus.
Klimaneutraler Obstbau soll Betriebe im Wettbewerb stärken
Viele Obstbauern nutzen Solaranlagen auf den Dächern ihrer Wirtschaftsgebäude bereits für ihre Lager. Doch es geht nicht nur um Eigenversorgung. Überschüssigen grünen Strom könnten die Betriebe regional vermarkten und in Netze örtlicher Industrie- und Gewerbeunternehmen oder Energieversorger/-genossenschaften für den Ausbau der Elektromobilität und Wärmenetze einspeisen.
„Die enge Verknüpfung von Stromerzeugung und regionaler Nutzung ist ein zentrales Element der Nala-Initiative“, sagt Metavolt-Geschäftsführer Thomas Reimers. Energieintensive Firmen wie Dow oder Airbus könnten von günstigeren Preisen für den grünen Strom profitieren.
Bund und Land wollen die Energiewende vorantreiben. So können Obstbauern aufgrund der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Baugesetzbuch jetzt Anlagen bis zu einer Größe von bis zu 2,5 Hektar ohne Bebauungsplan erstellen. Außerdem werden Genossenschaften unterstützt. Des Weiteren sind Agri-PV-Anlagen mit einer Leistung bis zu einem Megawatt von Ausschreibungen des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG) befreit und erhalten eine feste Einspeisevergütung von 9,5 Cent/kWh für 20 Jahre.
„Wir wollen mit Nala eine Plattform ins Leben rufen, die es Obstbauern des Alten Landes ermöglicht, sich über neue Technologien zu informieren und sich hinsichtlich neuer Geschäftsmodelle zusammenzuschließen“, sagt Benjamin Schulze vom IFAM.
Mit smarter Technik die Effizienz steigern
Das Fraunhofer-Institut bringt seine Erfahrungen aus dem Samson-Projekt ein. Stichworte: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren oder Robotik, die den Obstbau effizienter machen und den Chemie- und CO2-Ausstoß weiter verringern sollen. Neue Sensoren sollen in Echtzeit wichtige Daten zu Pflanzenvitalität, klimatischen Bedingungen und Schädlingsdruck liefern. Die Elektrifizierung von Schleppern und Ernte- und Pflanzenschutzmaschinen ist ein weiteres Ziel.
Klimaneutral erzeugtes Obst könne ein Wettbewerbsvorteil sein, so Esteburg-Leiter Dr. Karsten Klopp. Im Zuge des Forschungsprogramms Kermit will das Obstbauzentrum mit der Universität Hamburg und dem Fraunhofer-Institut auf digitalen Zukunftsbetrieben den Klimaschutz und die Treibhausgasminderung vorantreiben. Die Idee: Auch ungenutzte Flächen in den Obstplantagen für senkrechte PV-Module nutzen.
Esteburg setzt auf Forschung und Austausch mit Solarfirmen
PV an den Rändern und über den Plantagen könne Energie für Eisspeicher in Lagerhäusern und elektrobasierte Feldgeräte generieren. Der Öko-Strom könnte in sonnenreichen Monaten in Form von Eis in den Apfellangzeitlagern gespeichert werden und nach dem Einlagern zur Kühlung der Äpfel genutzt werden.

Die Initiative Neues Altes Land hat mit https://neues-altes-land.org einen eigenen Internetauftritt. Foto: Vasel
Auch im Zuge von Nala soll untersucht werden, wie sich Agri-PV und Apfelanbau ohne Ertrags- oder Qualitätsrückgang unter einen Hut bringen lassen. Schließlich lassen sich Forschungsergebnisse aus Süddeutschland nicht 1:1 auf den Norden übertragen, so Esteburg-Vize Dr. Matthias Görgens. Die Sonnenscheindauer beträgt am Bodensee etwa 1700 Stunden im Jahr, im Alten Land sind es 1500 Stunden. Notwendig seien Langzeitversuche mit verschiedenen Modulen. Die Verschattung darf nicht zu stark sein, um die Anforderungen des Handels bei Ausfärbung und Fruchtgröße zu erreichen.
Neue Info-Plattform für den Obstbau
Interessierte Betriebe können sich an Metavolt und Esteburg wenden, um Machbarkeitsanalysen für Agri-PV- oder Digitalisierungslösungen zu erhalten. Info unter: https://neues-altes-land.org