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Wirtschaft

TGoldene Zeiten für Gründerstar-Gewinnerin Jessica Neisemann

Jessica Neisemann bei der Arbeit an dem thailändischen Pavillon in Hagenbecks Tierpark.

Jessica Neisemann bei der Arbeit an dem thailändischen Pavillon in Hagenbecks Tierpark. Foto: Hagenbeks Tierpark

Sie arbeitet auf Kirchtürmen, in Theatern oder im Tierpark: Jessica Neisemann ist Vergolderin, Fassmalerin und Gründerstar-Gewinnerin 2010. Ein Besuch in Grünendeich.

Von Franziska Felsch Dienstag, 19.11.2024, 22:21 Uhr

Grünendeich. In der kleinen, penibel aufgeräumten Werkstatt liegt alles an seinem Platz. Materialien und Handwerkszeug werden in alten Holzschränken mit beschrifteten Schubladen vor Staub und Schmutz geschützt aufbewahrt oder ordentlich in Regalen verstaut. Ausreichend Licht für ihre filigrane Tätigkeit kommt von mehreren Deckenlampen oder den bodentiefen Fenstern zum Kirchenstieg hin.

Aber in ihrem wohnlichen Atelier neben ihrem Haus hinterm Deich sitzt Jessica Neisemann nur selten. Hauptsächlich ist die Vergolderin und Fassmalerin andernorts beschäftigt. „Ich werde gebucht von Innenausstattern, Restauratoren, Kirchen, Architekten, Yachtausstattern und Privatpersonen und bin dann manchmal tage- oder wochenlang auswärts auf den dortigen Baustellen“, erklärt die 43-Jährige.

Jessica Neisemann in ihrem Atelier.

Jessica Neisemann in ihrem Atelier. Foto: Felsch

So hat sie kurz nach der Ausbildung ein paar Jahre an Projekten an der Dresdner Frauenkirche und dem Grünen Gewölbe mitgearbeitet, ein paar Jahre später bei der Restaurierung des Thailändischen Sala, einer Art Pavillon in Hagenbecks Tierpark. Eine Herausforderung, wie sie sagt: „Wir hatten uns nächtelang den Kopf zerbrochen, warum wir jeden Morgen immer eine Art Schlieren auf dem von uns vergoldeten Holz vorfanden, das konnten wir zwar abwischen, aber merkwürdig war es doch“, erzählt sie. Bis sie die Schnecken als Übeltäter entlarvten. Die sonderten regelmäßig ihren Schleim auf den Balken ab.

Ein Arbeitsplatz in 150 Meter Höhe

Derartige Schwierigkeiten schrecken die Altländerin aber nicht ab. Das sei ja gerade das Schöne an ihrem Beruf, dass es nie langweilig werde und dass sie mit vielen verschiedenen Menschen zu tun habe. Oder mit Tieren, wie bei Hagenbeck. Neben den Schnecken vor allem mit Vögeln, die ihr neugierig über die Schulter schauten.

Das passierte ihr nicht, als sie an der St. Nikolaikirche in Hamburg von außen dem Kirchturm wieder neuen Glanz verpasste. Denn dort stand sie auf einem Gerüst, das gegen Wind und Wetter mit einer dicken Plane geschützt war, so dass man sich wie in einem geschlossenen Raum vorkam.

Schwindelfrei musste sie trotzdem sein. Mit einem Fahrstuhl ging es bis auf 90 Meter hoch, den Rest zu Fuß. „Es dauerte immer eine halbe Stunde, bis wir an unserem Arbeitsplatz in 150 Meter Höhe waren“, erinnert sie sich.

Mund-zu-Mund-Propaganda

Ihre Aufträge erhält die Handwerkerin, die zuerst eine Ausbildung als Malerin und Lackiererin absolvierte und sich danach als Vergolderin und Fassmalerin ausbilden ließ, hauptsächlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Zwar hängt die Gründerstar-Urkunde in einem Rahmen in ihrer Werkstatt, aber auf ihrem Flyer, der ihre Vielfalt aufzeigt, wirbt sie nicht damit. „Die Auszeichnung hat mir nicht unbedingt mehr Kunden gebracht“, sagt sie. Sie habe eine Nische entdeckt, denn nicht so viele ihrer Kollegen gehen auf Baustellen. Für sie ist eine ideale Möglichkeit, Altes mit Neuem zu verbinden.

 Im Hamburger Schauspielhaus verschönerte Jessica Neisemann die Säulen im Theater.

Im Hamburger Schauspielhaus verschönerte Jessica Neisemann die Säulen im Theater. Foto: Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Viel Werbung muss sie tatsächlich nicht machen, das Geschäft läuft gut und von allein. Auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt. Die Unterschiede demonstriert sie auf ihrem penibel sauberen Arbeitstisch: Neben dem reinen, edlen Gold, gibt es ein Material, das täuschend echt aussieht, aber preiswerter ist: das Schlagmetall, wie es in der Fachsprache heißt, ein Kupfer-Messinggemisch, das weniger robust ist als Gold und daher eher im Innenbereich genutzt wird. Wie im Hamburger Schauspielhaus, wo Jessica Neisemann die Säulen im Theater damit verschönerte.

Die Vergolderin zeigt Entwürfe für ein Hochzeitsbuch.

Die Vergolderin zeigt Entwürfe für ein Hochzeitsbuch. Foto: Felsch

Reines Gold dagegen verwendete sie für ein Hochzeitsbuch, das eine Kundin in Auftrag gab. Hierbei konnte sie - in Absprache mit der Bestellerin - ihrer kreativen Ader freien Lauf lassen und so eine individuelle Erinnerung für das Brautpaar schaffen.

Außergewöhnliche Unikate und Wohnaccessoires

Alte Handwerkstechniken im modernen Gewand kommen zum Einsatz bei außergewöhnlich gefertigten Unikaten wie Bilder- und Spiegelrahmen, Möbel und Wohnaccessoires. Alles, was sie macht, erfordert Zeit, ein gutes Auge und eine ruhige Hand. Gearbeitet wird mit verschiedenen dünnen, flachen, feinen und dicken Pinseln. Mit Achatsteinen werden beispielsweise Goldflächen poliert, mit Alkohol die Untergründe benetzt.

„Was die Leute immer wieder irritiert, ist der Begriff Fassmalerin“, sagt Neisemann lachend. Das habe nichts mit Fässern zu tun, sondern mit Einfassen. Das ist eine Technik bei der Farbgestaltung von Möbeln, Altären, Skulpturen, Wand- und Deckenmalerei sowie Sondertechniken wie Maserieren, Marmorieren oder Schablonenmalerei.

Die Mutter einer Tochter liebt ihren Job. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, es war genau richtig, mich damals selbstständig zu machen“, sagt sie mit Überzeugung.

Jessica Neisemann bei der Arbeit an dem thailändischen Pavillon in Hagenbecks Tierpark.

Jessica Neisemann bei der Arbeit an dem thailändischen Pavillon in Hagenbecks Tierpark. Foto: Hagenbeks Tierpark

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