TGotteskrieger und lüsterner Mönch: Buch eines Altländer Adligen entdeckt

Blick in das Stammbuch des Landdrosten Caspar Schulte, Burgmann zu Horneburg und Herr über die Esteburg - mit Eintragungen ab 1607. Foto: Vasel
Lange schlummerte ein Schatz von 1607 im Landesarchiv. Jetzt haben Landschaftsverband und VGH-Stiftung das Freundesbuch eines der mächtigsten Adligen des Alten Landes digitalisiert.
Altes Land. Caspar Schulte (1590 - 1657) gehörte einem der bedeutendsten und mächtigsten Adelsgeschlechter zwischen Weser und Elbe an. Der Familienname leitete sich von ihrem ersten Amt ab. Sie waren Schultheißen (Richter) im Bereich der Lühe im Alten Land. Schon früh übernahmen die Schultes als Ministeriale wichtige Ämter im Erzstift Bremen. Als Lokatoren - im Grunde frühmittelalterliche Subunternehmer im Dienst des Landesherren - trieben sie mit den Holländern die Kultivierung und die Eindeichung des Sietlandes im Alten Land voran. In das Licht der Geschichte traten sie bereits im Jahr 1196, so der Historiker Michael Ehrhardt. In einer Urkunde des Pfalzgrafen Heinrich taucht ein Bertholdus Sculthetus auf. Letzterer gilt als Stammvater der Ministerialenfamilie. Diese gehörte erst zur Dienstmannschaft der Stader Grafen, später diente sie den Erzbischöfen von Bremen.
Mächtigstes Adelsgeschlecht des Alten Landes
Ihr Grundbesitz in Horneburg und im Alten Land machte sie steinreich. Sie profitierten von der fruchtbaren Marsch. Die Adligen auf der Geest waren wirtschaftlich und finanziell nicht so gut aufgestellt. Die Schultes gehörten zu den Burgmannen der 1255 erbauten Horneburg. Die Ritter Gerlach und Johann Sculteti de Lu (Lühe) mehrten ihren Grundbesitz in der Marsch und auf der Geest, die Familie gründete - als Eintrittskarte ins Paradies - auch das Kloster Neuenkirchen (1270), das 1286 als Benediktinerinnenkloster nach Neukloster verlegt wurde.

Dr. Georg von der Decken, Rüdiger Meyer, Dr. Johannes Janssen, Dr. Thomas Bardelle und Dr. Hans-Eckhard Dannenberg betrachten die digitalisierten Originale aus dem Bestand des Stader Geschichts- und Heimatvereins im Niedesächsischen Landesarchiv in Stade (von links). Foto: Vasel
Im 15. Jahrhundert benahmen sich die Schultes wenig ritterlich. In der Horneburger Fehde - einem Streit zwischen den Erzbischöfen von Bremen und den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg, verbunden mit blutigen Raubzügen - agierten sie als Kriegstreiber und Warlords. Die Schultes zogen auch als Erste aus der Horneburg aus, sie bauten sich den Burgmannshof (Gut II) - ausgestattet mit einer luxuriösen Wasserleitung.
Erster Gräfe hinterlässt reich illustriertes Freundesbuch
Der hochgebildete Dietrich Schulte gehörte um 1600 zu den mächtigsten Männern des Erzstiftes Bremen, er war so reich wie sein Landesherr. Als Erster Gräfe des Alten Landes konnte er die Esteburg 1609/1611 errichten. Sein ältester Sohn Caspar studierte ab 1607 in Wittenberg, Halle, Leipzig und Gießen. In dieser Zeit legte er ein Stammbuch an. „Wir würden es heute als Freundesbuch oder Poesiealbum bezeichnen“, sagt der Leiter des Niedersächsischen Staatsarchivs in Stade, Dr. Thomas Bardelle. In dem reich illustrierten Büchlein verewigten sich seine meist adligen Kommilitonen, mit Holzleim klebten sie Wappen und Bilder ein.

Adlige klebten ihre Wappen und Bilder in das Schulte-Buch - ein frühes Poesiealbum. Foto: Landesarchiv
So auch zwei Angehörige der Familie von Düring. Der erste Eintrag der Abbildung stammt von Jochen von Düring vom 20. Januar 1609, der rechte Eintrag von Johann von Düring, ebenfalls vom 20. Januar 1609. Sie waren keine Brüder, sondern stammten von zwei unterschiedlichen Linien der Familie von Düring ab - dem Diedrich‘schen und Arp‘schen Stamm. Oben steht ein Sinnspruch, in der Mitte eine Zeichnung und unten der Widmungseintrag.

Adlige Freunde von Casopar Schulte klebten ihre Wappen in das Stammbuch - ein frühes Poesiealbum. Foto: Landesarchiv Stade
Der linke Eintrag ist allegorischer Art und feiert die Tugenden des ‚miles christianus‘ mit einem Bezug auf die einschlägigen Passagen aus dem Epheser Brief 6, Vers 14 (Bleibt standhaft! Die Wahrheit ist euer Gürtel und Gerechtigkeit euer Brustpanzer) über die metaphorische Waffenrüstung Gottes (von links oben bis rechts unten: Helm des Heils, Gürtel der Wahrheit, Schwert des Wort Gottes, Schild des Glaubens, Brustpanzer der Gerechtigkeit und Schuhe zum Zwecke des Evangeliums des Friedens). Bardelle: „Der rechte Eintrag dagegen ist eher frivoler Art und bezieht sich auf das unzüchtige Verhältnis von Mönchen zu Frauen.“ In der Reformationszeit wurde das Katholische verunglimpft. Interessant sind die zeitgenössisch geprägten Gewänder und die Haarmode der Frau.
1899 starb die Familie Schulte aus
Caspar Schulte folgte seinem Vater als Gräfe. Dank seines politischen Geschickes konnte er den Besitz auch im Dreißigjährigen Krieg erhalten. Er wechselte mehrfach die Seiten, stand als Königlicher Rat im Dienst der Dänen, als Gubernator (Verwaltungschef) diente er auch den Schweden. Von 1635 bis 1645 war er als Landrost des Erzstifts Bremen der höchste Beamte, dem Erzbischof und dänischen Prinzen Friedrich diente er als „vohrnemster cantzleyrath“. 1650 vertrat er die Stände des Herzogtums Bremen als Gesandter in Stockholm.
Die Esteburg blieb über Jahrhunderte ihr Sitz. Ihren Besitz in Horneburg verkauften sie 1740 an die Familie von Düring. Im Jahr 1899 starb Baron Alexander von Schulte, mit ihm erlosch die Familie Schulte. Er liegt auf dem Friedhof in Estebrügge begraben.
Das Schulte’sche Stammbuch gehört zu den 242 Urkunden und 111 Handschriften aus dem Bestand des Stader Geschichts- und Heimatvereins, der im Niedersächsischen Landesarchiv jetzt digitalisiert worden ist - von Kaiser- und Königsurkunden sowie Karten bis zu Chroniken aus dem 14. bis 20. Jahrhundert. Die sind im Archivinformationssystem Niedersachsen und Bremen (Arcinsys) einseh- und downloadbar. Der Landschaftsverband und die VGH-Stiftung haben das 21.000 Euro teure Projekt finanziert. Stiftungsdirektor Dr. Johannes Janssen: „Damit sind bedeutende Originalquellen jetzt weltweit nicht nur der Wissenschaft zugänglich.“