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TGroße Sorgen im Alten Land: So bedroht der Klimawandel den Obstbau

Obstbauer Karsten Palm bewirtschaftet einen 22 Hektar großen Betrieb in Moorende.

Obstbauer Karsten Palm bewirtschaftet einen 22 Hektar großen Betrieb in Moorende. Foto: Vasel

Der Klimawandel bestimmt längst den Arbeitsalltag von Obstbauer Karsten Palm. Er muss sich auf veränderte Bedingungen einstellen. Und er hat eine Forderung an die neue Regierung.

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Von Björn Vasel
Mittwoch, 19.02.2025, 12:50 Uhr

Altes Land. Der Vorsitzende des Obstbauversuchsrings bewirtschaftet einen 22 Hektar großen Betrieb in Moorende. Er sagt: „Der Klimawandel hat für uns mehr Nach- als Vorteile.“ Er wünscht sich, dass die Erzeuger die notwendigen Instrumente nutzen dürfen, um ihre Höfe fit für die Zukunft zu machen.

In den vergangenen 50 Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur an der Niederelbe um zwei Grad gestiegen. Apfelsorten wie der Boskoop blühen 27 Tage früher. Ohne Frostschutzberegnungsanlagen sowie salz- und eisenarmes Wasser drohen hohe Ernteausfälle „Die Wasserverfügbarkeit ist ein Standortvorteil für uns“, sagt Palm. Im Osten habe der Frost die Ernte fast zu 100 Prozent vernichtet.

Dr. Insa Meinke vom Norddeutschen Küsten- und Klimabüro am Helmholtz-Zentrum in Geesthacht sagt: „Sollte der Mensch die Treibhausgasemissionen nicht in den Griff bekommen, könnte sich der Vegetationsbeginn bis 2100 auf Anfang Januar verschieben. Im März wäre mit dem letzten Frosttag zu rechnen.“

Palm verweist auf den Wasserbedarf - im Frühjahr (Frostschutz) und im Sommer mit der klimatisierenden Beregnung gegen Sonnenbrand. Vielleicht müsse das Beregnungswasser in Zukunft für die Betriebe an der Este kurz unterhalb von Buxtehude aus dem Fluss entnommen und gespeichert werden. Die Brackwasserzone wandert infolge der Elbvertiefung elbaufwärts, klimawandelbedingt fehlt häufig das Wasser aus der Oberelbe. Zu salzhaltiges Wasser verbrennt Blätter und Früchte.

Klimawandel an der Niederelbe freut Schädlinge

Dass das Thermometer steigt, freut Pilze und gefräßige Insekten wie Apfelwickler und Kirschessigfliege. Extremwitterung infolge des Klimawandels - sprich Starkregen, Staunässe, Hitze, Hagel und Trockenheit - fördere die Ausbreitung der Schaderreger.

Für Palm und den Esteburg-Experten Professor Roland Weber sind es tickende Zeitbomben. Aufgrund längerer, wärmerer Sommer können Apfelwickler mehrere Generationen ausbilden. Die Larven fressen sich im Apfel satt, machen diesen ungenießbar und unverkäuflich.

Männchen (links) und Weibchen der Kirschessigfliege profitieren vom milden Winter und vom Klimawandel.

Männchen (links) und Weibchen der Kirschessigfliege profitieren vom milden Winter und vom Klimawandel. Foto: Esteburg

Kirschanlagen müssen mit hohem Aufwand eingenetzt werden. Der Arbeitsaufwand in den Betrieben steige. Die Zeit für den Winterschnitt verkürzt sich deutlich, das Arbeitspensum steigt. Milde Winter fördern den Apfelschorf-Pilz. Obstbauern pflanzen verstärkt widerstandsfähige Sorten. Milde und feuchte Witterungsbedingungen fördern auch die Ausbreitung des Obstbaumkrebses. Dieser Pilz kann Baum und Früchte schädigen. Krebsstellen müssen aus dem Baum geschnitten werden.

Immer wieder sind neue Schädlinge auf dem Vormarsch - wie Orientzikade, Grüne Stinkwanze oder die Marmorierte Baumwanze aus Asien, die mit ihrem toxischen Speichel in Italien bereits für Schäden in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro sorgte.

Kelchgrubenfäule am Baum verursacht Sporeninfektionen zur Blüte.

Kelchgrubenfäule am Baum verursacht Sporeninfektionen zur Blüte. Foto: Esteburg/Weber

Nach dem Starkregen muss das Wasser über die Drainage schnell abgeleitet werden. Bei Staunässe kann die Wurzeln nicht mehr atmen, nach etwa zwei Tagen ist ein Baum hinüber. Die Leitungen müssen häufiger gespült werden. Wasser- und Bodenverbände müssen mehr pumpen, um Obstplantagen und Dörfer zu schützen.

Holsteiner Cox fällt Klimawandel zum Opfer

Opfer im Sortenspektrum sind zu beklagen. Die Holsteiner Cox wurden größtenteils gerodet. Diese Apfelsorte ist laut Palm nicht mehr so lagerfähig wie früher. Andererseits, und das sind die Vorteile des Klimawandels für die Obstbauer, können nun Sorten wie Braeburn kultiviert werden. Hinzu komme: Altländer wie Palm können jetzt auch Aprikosen und Nektarinen anbauen, als Nischenprodukt für den Wochenmarkt.

Der Klimawandel führt zu einer wachsenden Instabilität des Produktionssystems und der Räuber-Beute-Beziehungen. Der Bedarf an chemischen oder biologischen Insektiziden werde sich durch den Klimawandel erhöhen.

Doch die Pflanzenschutzmittelhersteller ziehen sich aus dem Obstbau zurück, Behörden lassen immer weniger Mittel zu. Resistenzen drohen. Zuschüsse für Hagel-Versicherungen wie in Italien oder Bayern gebe es im Alten Land nicht. Wettbewerbsverzerrungen verstärken die Klimawandelkosten.

Palm hofft, dass eine neue Regierung nach der Bundestagswahl mehr Wert auf wissenschaftliche Fakten legt. Der Pflanzenschutz sei keine Bedrohung für die Biodiversität. Er verweist auf die Studien des Bundesamts für Naturschutz. Die Artenvielfalt werde durch den Klimawandel mutmaßlich stärker beeinflusst als durch Insektizide.

Kurzum: Der Obstbau müsse neue Mittel nutzen können, auch müsse der Bund endlich eine Nützlingsverordnung auf den Weg bringen. Klimawandelprofiteure wie der Schädling Marmorierte Baumwanze könnten biologisch mit dem Nützling Samurai-Wespe bekämpft werden. Die Freisetzung ist zurzeit verboten. In Italien und in der Schweiz sei das hingegen bereits legal.

Letztlich, so Palm, müsse auch der Verbraucher die Leistungen für Klima- und Artenschutz honorieren. Zu jedem Zeitpunkt weise der Altländer Apfel einen deutlich kleineren CO2-Fußabdruck als Überseeware auf. Das liege auch an den PV-Anlagen, die auch er auf dem Lager-Dach hat. Ihm sei Klima- und Naturschutz wichtig.

Er wirtschafte für Generationen, die Anlagen stehen 20 Jahre. Deshalb treibt ihn eine weitere Sorge um: „Der Deichschutz an der Elbe kommt nicht voran.“ Die Elbdeiche müssten schneller fit für den Klimawandel gemacht werden. Er verweist auf die Sturmflut 1962, auf ihrem Hof stand das Wasser rund 80 Zentimeter hoch. Palm: „Wir müssen uns wappnen.“

Auch Altländer Äpfel können einen Sonnenbrand bekommen.

Auch Altländer Äpfel können einen Sonnenbrand bekommen. Foto: Vasel

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