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DRK-Suchdienst

TGrünendeicherin auf der Spur von Verschollenen des Zweiten Weltkrieges

Bildplakate des DRK-Kinder-Suchdienstes in Hamburg.

Bildplakate des DRK-Kinder-Suchdienstes in Hamburg. Foto: Felsch

Maren Köster-Hetzendorf ist bekannt als Kulturforum-Präsidentin und Ex-Bürgermeisterin von Grünendeich. Weniger bekannt sein dürfte ihre Rolle beim DRK-Suchdienst.

Von Franziska Felsch Donnerstag, 24.07.2025, 15:50 Uhr

Grünendeich. 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges werden immer noch Anfragen nach Vermissten von Eltern, Ehegatten, Verlobten, Geschwistern, Kindern, Neffen, Nichten oder von den Enkeln gestellt. 7000 Anfragen waren es 2024, in rund 43 Prozent der Fälle konnte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Auskunft geben, so Laurin Ahnert vom DRK-Generalsekretariat Berlin.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bekam der DRK-Suchdienst Zugang zu den Karteien der ehemaligen Sowjetunion. Viele Schicksale konnten erst mit diesen Materialien geklärt werden, 20.000 bis 30.000 waren es jedes Jahr.

Für Maren Köster-Hetzendorf, damals DRK-Pressesprecherin, war diese unerwartete Entwicklung Anlass für eine neue Kampagne, um noch einmal an die Bevölkerung heranzutreten. Die Idee zu dem Buch „Ich habe dich so gesucht...Der Krieg und seine verlorenen Kinder“ war geboren.

Als Kriegsreporterin in Jugoslawien

Die Autorin machte sich an die nicht einfache Arbeit. Sie wusste, welches Leid Bombardements, Flucht und Trennung verursachen können. Als Kriegsberichterstatterin in Jugoslawien hatte sie das Grauen live miterlebt. „Als Schülerin habe ich den Zweiten Weltkrieg eher abstrakt wahrgenommen, das änderte sich als Erwachsene,“ erzählt die 1957 geborene Kapitänstochter. Durch ihren Vater, der in den Ostseestaaten unterwegs war, sei ihre Vorliebe für Osteuropa entstanden. Ihr gefiel das Lebensgefühl, die Kultur, weshalb sie osteuropäische Geschichte und Slawistik studierte.

Maren Köster-Hetzendorf mit dem Buch über Schicksale verschollener Menschen.

Maren Köster-Hetzendorf mit dem Buch über Schicksale verschollener Menschen. Foto: Felsch

Statt für die Universitätslaufbahn entschied sie sich für den Journalismus und begann bei einer Wiener Zeitung. Ihr Wunsch war es immer, hinter den Eisernen Vorhang zu blicken, hautnah an der Geschichte mitzuarbeiten. Das konnte sie Mitte der 1990er Jahre in ihrer neuen Funktion beim DRK, nachdem sie als Kriegsreporterin auf eigenen Wunsch ausgeschieden war. „Irgendwann hält man das nicht mehr aus, ich habe Kollegen gesehen, die dem Alkohol verfallen sind, um sich zu betäuben“, erzählt sie. „Dabei waren wir alle paar Wochen wieder zu Hause, aber es fühlte sich schrecklich an, wenn man mit ansieht, was andere ertragen müssen.“

Sibirien: Recherche in Kriegsgefangenenlagern

Mit Botho Prinz von Sayn-Wittgenstein vom DRK reiste sie in ihrer neuen Funktion nach Sibirien zu Nachforschungen in den Kriegsgefangenenlagern. Als Osteuropa-Expertin war sie für die Recherchearbeit eine große Hilfe. Außerdem öffneten ihre Kontakte und Erfahrungen als Journalistin so manche Tür.

Ihr imponierte das Engagement des DRK: „Das mit dem Suchdienst haben die richtig gut gemacht; angefangen kurz nach Kriegsende mit einfachen Karteikarten wurde das System immer weiter entwickelt“, lobt Maren Köster-Hetzendorf, die wusste, dass es auch in den 90er Jahren, 50 Jahre nach Kriegsende, Menschen gab, die an ein Wiedersehen mit ihren Angehörigen glaubten.

Fast 1,5 Millionen Fälle waren laut dem Bericht des Deutschen Roten Kreuzes Ende 1994 noch offen. Vielleicht, so die Überlegungen und Hoffnungen, könne das Buch dazu beitragen, Vermisste zu finden.

Besonders tragische Fälle: Kinder aus Osteuropa

Nicht immer lebendig. 40.000 Frauen, Männer und Jugendliche starben von 1945 bis 1950 in Stalins ostdeutschen Geheimdienst-Lagern. Dem DRK waren nur die Namen der Opfer bekannt. Angehörige hatten aus Angst vor Verfolgung keine Suchanträge gestellt. Mit dem Buch, das die alphabetisch geordneten Namenslisten veröffentlichte, erhielten sie zumindest Gewissheit, wohin ihre Verwandten seinerzeit verschwunden waren.

Angaben in den einstigen Suchdienstbögen wurden in das Buch „Ich hab dich so gesucht“ aufgenommen.

Angaben in den einstigen Suchdienstbögen wurden in das Buch „Ich hab dich so gesucht“ aufgenommen. Foto: Felsch

„Seelisches Leid ist genauso groß wie körperlich zugefügtes Leid“, schrieb Professor Knut Ipsen, damaliger Präsident des DRK, in dem Geleitwort und rief damit die Leser zur Mithilfe auf. Besonders für die 192 Findelkinder, die - sofern möglich mit Fotos - in dem Buch abgebildet sind. Sie gehörten zu den tragischen 4619 (von 300.000) noch nicht abgeschlossenen Fällen.

Schicksale, die Maren Köster-Hetzendorf noch heute sehr berühren. „Wir hofften damit, dass sich irgendwelche Verwandte melden, auch wenn die Chancen gering waren, denn die Informationen gingen über Fundort, geschätztes Alter und eventuelle körperliche Merkmale oft nicht hinaus.“

Ein Leben in Ungewissheit

Sie hat Erwachsene besucht, die seit ihrer Kindheit ihre Eltern suchten und andere, die sich nach Jahrzehnten wiedergefunden hatten. „Diese Interviews waren ergreifend, machten aber klar, wie wertvoll die DRK-Arbeit ist“, erinnert sie sie. Nach Erscheinen des Buches standen bei den Radio- und TV-Sendern die Telefone nicht mehr still“, weiß Maren Köster-Hetzendorf noch. Einige Vermisstenfälle konnten dadurch noch abgeschlossen werden, wie viele, das weiß die Verfasserin nicht.

Aber wie die jetzige DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt betont, lohne es sich oftmals, erneut eine Anfrage zu stellen, denn wie es sich gezeigt habe, gebe es immer noch Schicksale, die geklärt werden könnten.

Bildplakate des DRK-Kinder-Suchdienstes in Hamburg.

Bildplakate des DRK-Kinder-Suchdienstes in Hamburg. Foto: Felsch

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