DRK-Urgesteine Klaus-Dietmar Otto und Eckhardt Guder gehen auf Zeitreise

Klaus-Dietmar Otto und Eckhardt Guder in den 90ern...
Der DRK-Kreisverband wird 75 Jahre alt. Klaus-Dietmar Otto und Eckhardt Guder haben zusammen sogar noch mehr Jahre im Zeichen des Roten Kreuzes gearbeitet. Hier gehen die beiden auf Zeitreise - auch in die Zukunft.
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Eckhardt Guder interessiert sich sehr für die Vergangenheit. Er wollte sogar mal Archäologie studieren. Aber dann hat ihn das Rote Kreuz gepackt - und alles kam anders. So ist es bis heute: Statt das ruhige Rentnerdasein zu genießen, sitzt er in der Zukunftskommission und beschäftigt sich damit, wie der DRK-Kreisverband 2050 aussehen soll.
Der Fachkräftemangel macht dem Träger, der viele seiner 1800 hauptamtlichen Mitarbeiter in den besonders betroffenen Bereichen Pflege und Kindertagesstätten beschäftigt, zu schaffen. Und die 31 Ortsvereine, die den Kreisverband bilden, haben zwar 8000 Mitglieder und Hunderte aktive Ehrenamtliche, aber auch sie beklagen seit Jahren einen Schwund.
DRK-Aufgabe 1947 bis heute: Flüchtlings-Unterbringung
Das sind nicht die schönsten Themen für ein Gespräch zum 75. Geburtstag. „Aber man darf die Augen nicht verschließen“, sagt Eckhardt Guder. Auch die Flüchtlingsunterbringung gehört zu den Dingen, die das DRK aktuell sehr beschäftigen. Das war aber von Anfang an so: 1947, als der Kreisverband neu gegründet wurde, lebten in Stade 16.957 Einheimische und 13.932 „Displaced Persons“. Nicht nur Wohnraum war knapp, sondern auch Nahrung. Für Familien, die der Krieg getrennt hatte, spielte der Suchdienst eine wichtige Rolle. Bis heute hilft er bei der Suche nach Kriegsvermissten oder Kriegsgefangenen, in Afghanistan, im Irak oder in der Ukraine.

Anpacken und helfen: Das macht den DRK-Kreisverband bis heute aus. Dieses Bild wurde bei einem Einsatz kurz nach der großen Flut 1962 aufgenommen. Foto: Archiv
Seit einigen Jahren ist die Unterbringung von Flüchtlingen wieder eine wichtige Aufgabe. Eckhardt Guder nimmt an, dass das so bleiben wird, ebenso wie der Fachkräftemangel. Trotzdem blickt er unerschrocken auf Gegenwart und Zukunft und prophezeit: „Im Jahr 2050 hat das DRK im Landkreis Stade viele neue Aufgaben und Herausforderungen, ist aber so stabil und präsent wie heute.“
Wieso sich das DRK den Zivildienst zurückwünscht
Wie soll das angesichts des Fachkräftemangels gehen? Zum Beispiel durch die Einführung eines sozialen Pflichtjahrs für junge Leute, ähnlich dem früheren Zivildienst. Diesen Vorschlag finden auch Klaus-Dietmar Otto und Uwe Lütjen gut. Otto war 32 Jahre lang Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands, Lütjen ist seit 2019 sein Nachfolger.
Gefragt, was ein soziales Pflichtjahr bringen sollte, verweisen sie auf Guder: Der stellte sich 1978 als Bewerber um eine Zivildienststelle beim damaligen DRK-Geschäftsführer Gerhard Otto vor. Guder erinnert sich, dass er ihn fragte: „Junger Mann, wollen Sie in den Garten zum Rasenmähen oder in die Pflege, was nicht ganz so einfach ist?“

...und heute. Fotos: Richter
Rasenmähen, entschied Guder. Es war August, die Sonne schien, er wollte das Jahr bis zum Archäologiestudium möglichst entspannt herumbringen. Nach einem Monat fragte jemand, ob er einen Führerschein habe? Ja, sagte er. Guder wurde Krankenwagenfahrer, Rettungshelfer, Rettungsassistent. Von Uni war nicht mehr die Rede. 1982 wurde er stellvertretender Einsatzleiter des Rettungsdienstes, 1985 Leiter der Rettungsleitstelle. In 41 Jahren beim DRK sollten viele Funktionen folgen.
Beim DRK habe er sein Helfersyndrom entdecken dürfen, sagt Guder. „Das haben hier die meisten“, merkt Klaus-Dietmar Otto an. Er glaubt, dass das noch viele andere entdecken würden, wenn sie Gelegenheit hätten, und ist deshalb großer Freund des FSJ (Freiwilligen Sozialen Jahrs) und Bufdi (Bundesfreiwilligendienstes).
Erste Erfahrungen beim Jugendrotkreuz gesammelt
Klaus-Dietmar Otto selbst war schon früh Jugendrotkreuzler. Seine Mutter war Krankenschwester, sein Vater von 1947 bis 1987 Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands. Dass er direkt nach dem BWL-Studium beim DRK landete, hatte nur indirekt etwas damit zu tun: Sein Vater bat ihn, den Landesgeschäftsführer nach einer Tagung in Stade mit dem Auto abzuholen. Der fand ihn sympathisch und bot ihm eine Stelle an. Otto arbeitete neun Jahre als sein Assistent in Hannover. Dann wurde 1987 die Geschäftsführer-Stelle in Stade frei. Otto bekam sie.
Als er und Guder sich kennenlernten, stimmte die Chemie offenbar: Guder wollte mehr als die Leitung der Rettungsleitstelle, der junge Chef war offen für seine Ideen. Dazu gehörte, dass Eckhardt Guder sich seinen eigenen Job bastelte: Er wurde Ausbildungsbeauftragter und erster Lehrrettungsassistent im Kreisverband. Guder baute auch den Hausnotrufdienst für Senioren auf, der 1993 startete. „Manche Menschen sollte man einfach laufen lassen“, sagt Otto.
Der Geist von Henri Dunant lebt auch in Stade weiter
Flexibel und offen zu sein, ist für eine Organisation wie das Rote Kreuz unverzichtbar: Dessen Grundidee, nämlich Menschen allein nach dem Maß der Not zu helfen, ohne auf Hautfarbe, Religion oder Nationalität zu achten, geht auf den Schweizer Henry Dunant zurück, der 1863 auch zu den Gründern der Internationalen Hilfsorganisation gehörte. Auch die Arbeitsjahre von Guder und Otto hat das Helfen in der Not geprägt: 1989 kamen viele DDR-Bürger, danach vor allem Russlanddeutsche. „30 bis 35 standen jeden Morgen in der Wendenstraße“, erinnert sich Guder. Klaus-Dietmar Otto gab ihm ein Büro im Erdgeschoss, um das besser koordinieren zu können. Anfang der 90er Jahre, als in Russland blanke Not herrschte, organisierte das DRK Hilfsaktionen für Russland - und einen eigenen Konvoi. „Russland war die Härte“, sagt Otto, der mitfuhr und hungernde Soldaten und Familien in abgelegenen Häusern im Schnee noch lebhaft vor Augen hat. Er fuhr auch mit, als im Landkreis Stade Öfen und landwirtschaftliches Gerät gesammelt und in den Balkan gebracht wurden. Eine Sammlung von 250.000 DM für die Erdbebenhilfe in der Türkei 1998 und viele weitere Aktionen folgten. Aktuell gab es, wie berichtet, mehrere Hilfstransporte aus dem Landkreis Stade in die Ukraine, die Feuerwehr und DRK bis an die Grenze zu Polen begleiteten.

Uwe Lütjen ist seit 2019 Geschäftsführer des Stader DRK-Kreisverbands.
Das DRK im Landkreis Stade wächst - die Aufgaben auch
Eckhardt Guder, übrigens auch Konzernbetriebsrat, verweist stolz darauf, dass heute nicht nur die Hilfe international ist, sondern auch die Helfer im DRK-Kreisverband: Unter den Mitarbeitern sind 42 verschiedene Nationalitäten vertreten. 1980, als Guder im Rettungsdienst anfing, gab es insgesamt nur 235 hauptamtliche Mitarbeiter beim Kreisverband. 1998, zum 50-jährigen Jubiläum, waren es schon 700. Der heutige Geschäftsführer Uwe Lütjen, der 1994 als Personalleiter zum DRK kam, erinnert sich, dass es damals sieben Kindertagesstätten gab. Heute sind es 22. Es gibt also viel zu tun. Auch für Klaus-Dietmar Otto, der sich in seinem Ruhestand ebenso wie Eckhardt Guder mit der Zukunft beschäftigt: als Projektleiter für Neubauvorhaben.