THagelschutz: Niedersachsen lässt den Obstbau im Alten Land alleine

Risiko: Hagel richtet immer wieder hohe Schäden im Obstbau an. Die 500 Familienbetriebe an der Niederelbe zahlen hohe Versicherungsprämien, ihre Mitbewerber nicht. Foto: Vasel
Die Obstbauern an der Niederelbe werden im Wettbewerb weiter geschwächt - durch das Land Niedersachsen. Während Mitbewerber in Deutschland und Europa von Förderung bei der Hagel-Versicherung profitieren, gehen Altländer leer aus. Das ist der Stand.
Jork. In den vergangenen Monaten hatten die Obstbauern die Politik immer wieder vor weiterer Wettbewerbsverzerrung gewarnt - vergeblich. Der Agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Marco Mohrmann aus Zeven, und die Landtagsabgeordnete Birgit Butter (CDU) aus Buxtehude setzten das Thema Mehrgefahrenversicherung im Landtag über eine Kleine Anfrage auf die Agenda. „Ich bin sehr unzufrieden mit der Antwort der Landesregierung“, sagt die Christdemokratin.
Obstbauern weiter im EU-Wettbewerb benachteiligt
Das ist das Problem: Die Europäische Union verteilt viel Geld an die Mitgliedsstaaten, damit sich die Bauern besser gegen existenzbedrohende Risiken wie Hagel, Sturm, Starkregen, Dürre oder Frost absichern können. Die Schäden werden aufgrund des Klimawandels stark zunehmen. Mehr als drei Viertel aller EU-Staaten unterstützen ihre Betriebe über Zuschüsse zur Mehrgefahrenversicherung.
Doch über die Verwendung der Mittel - zum großen Teil aus der Tasche deutscher Steuerzahler - aus dem Fördertopf der gemeinsamen Agrarpolitik entscheiden in Deutschland die Länder. Das hat Folgen: Ein Obstbauer in Italien (Südtirol) erhält einen Zuschuss in Höhe von bis zu 70 Prozent, wenn er seine Apfelplantage gegen Hagel versichert. Bei einer Prämie von etwa 25.000 Euro für einen 20-Hektar-Hof ist das für einen Familienbetrieb im Alten Land viel Geld. Deshalb sind hierzulande nur etwa 40 Prozent der Flächen versichert. In den Niederlanden oder Polen beträgt die Förderung bis zu 65 Prozent.
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In Deutschland gibt es einen Flickenteppich. In Nordrhein-Westfalen und in Bayern fließen bis zu 50 Prozent. Die Bayern lassen sich die Absicherung ihrer Winzer und Obstbauern seit 2023 rund 50 Millionen Euro im Jahr kosten. Erste Anträge für das neue Förderprogramm sollen in Niedersachsen ab Frühjahr 2024 gestellt werden können. Doch an der Niederelbe werden die Obstbauern leer ausgehen, weil das Hagel-Risiko in der Richtlinie nicht berücksichtigt wird. „Das verstärkt die Wettbewerbsverzerrungen weiter“, kritisiert Butter (CDU).
Ministerin rechnet mit mehr Schäden durch Klimakrise
Dabei gehen auch Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) und ihr Haus davon aus, dass Extremwetterereignisse „aufgrund der Klimakrise“ zunehmen werden. Doch für das Land - von 2024 bis 2027 sollen 15 Millionen Euro an Landwirte und Obstbauern verteilt werden - seien nur Versicherungen gegen Sturm, Starkregen, Überschwemmung, Starkfrost sowie Trockenheit/Dürre mit einem Zuschuss von bis zu 50 Prozent förderfähig.
Hagelversicherungen seien gut im Markt etabliert, eine „zusätzliche Förderung mit öffentlichen Geldern ist nicht zu rechtfertigen“, so die Ministerialen in der Antwort auf die Kleine Anfrage. Das hatte Staudte bereits bei einem Besuch im Herbst in Stade deutlich gemacht. Schließlich ist eine Mini-Förderung bereits heute möglich. Erzeugerorganisationen können Mitgliedern schon heute Zuschüsse zahlen. Doch das sind, mit plus/minus 1500 Euro pro Betrieb, geringe Beträge im Vergleich zur Förderung in Südtirol. Denn der Großteil der EU-Fördermittel fließt bei dem Topf für die Erzeugerorganisationen in neue Maschinen, Lager, Pflanzmaterial oder Programme zur Pflanzenschutzmittelreduktion. Und: Wer nicht bei der Elbe-Obst oder der M.A.L. ist, geht leer aus.
Obstbau fordert Nachbesserung bei Hagel-Risiko-Schutz
Das kritisiert auch Claus Schliecker von der Landesfachgruppe Obstbau. Knapp ein Fünftel ist als Direktvermarkter nicht Mitglied einer Erzeugerorganisation. „Ich bedauere, dass unser Rat bislang nicht gewünscht ist“, sagt der Landesvorsitzende. Im Alten Land sei der Hagel das Hauptrisiko.
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Wegen der Wasserverfügbarkeit könnten Früchte über Beregnung vor Frost und Sonnenbrand geschützt werden. Die Vorgaben bei der Förderung durch Niedersachsen führten zu einer weiteren Benachteiligung des Obstbaus im EU-Wettbewerb. Die Bauern hätten Staudte und ihren Ministerialen seit dem Frühjahr wiederholt einen Austausch zu Fragen der Mehrgefahrenversicherung angeboten. Leider, so Schliecker, seien nur Vertreter der Versicherungswirtschaft eingeladen worden. Praktiker wie Obstbauern seien nicht angehört worden.
Butter wollte vom Ministerium wissen, wie sich die fortschreitende Wettbewerbsverzerrung auf die Einkommen der Obstbauern auswirken wird. Belastbare Informationen liegen der Landesregierung nicht vor, heißt es lapidar. „Die Landesregierung lässt den Obstbau in Stich“, sagt Butter und betont: „Bei der Absicherung gegen Extremwetterereignisse gucken sie in die Röhre.“ Notwendig seien Nachbesserungen.