Halloween: Stader Polizei zieht Bilanz

Silvesterböller zu Halloween hielten die Stader Polizei in Atem. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa-tmn
Silvesterböller an Halloween? Zu mehreren Einsätzen im Landkreis Stade rückt die Polizei aus. Eine Frau wird in Wiepenkathen verletzt. Die Wohnung einer 19-Jährigen wird auf Beschluss der Staatsanwaltschaft Stade durchsucht.
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Landkreis. Im Zusammenhang mit Halloween fuhr die Polizei im Landkreis Stade in etwa ein halbes Dutzend Einsätze, denen Meldungen über Böller oder auch Knaller vorausgingen, berichtet Polizeisprecher Matthias Bekermann auf TAGEBLATT-Nachfrage. Über den ganzen Landkreis verteilt zogen offenbar Jugendgruppen umher, welche noch über Restbestände von Silvesterknallern verfügten, so die Polizei.
In Stade-Wiepenkathen erlitt eine 57-jährige Bremerin einen blauen Fleck am Bein, nachdem aus einer Personengruppe heraus ein Böller geworfen worden und in ihrer Nähe explodiert war.
Einen Schockmoment gab es zur Mittagszeit in Mulsum: Ein 33-Jähriger verunglückte im Ort mit seinem VW Passat. An Bord war auch ein vierjähriges Kind.
19-Jährige verkauft Polen-Böller - Staatsanwaltschaft Stade ordnet Razzia an
In Bremervörde entdeckten Polizisten am späten Donnerstagabend gegen 22.45 Uhr drei Jugendliche im Bereich der Gartenstraße/Gehweg am Vörder See, die mit Böllern hantierten. Bei der Kontrolle gaben die Jugendlichen an, die Feuerwerkskörper als „Polen-Böller“ über einen Kontakt aus den sozialen Medien im Bereich Zeven erworben zu haben. Im Zuge der Ermittlungen konnte die Polizei das Profil des Social-Media-Kontakts identifizieren.
Dies führte zu einem Tatverdacht gegen eine 19-jährige Frau aus Seedorf im Kreis Rotenburg. „Auf Grundlage eines Beschlusses der Staatsanwaltschaft Stade wurde die Wohnung der Verdächtigen durchsucht“, berichtet die Rotenburger Polizei. Dabei entdeckten die Ermittler weitere unerlaubte Feuerwerkskörper und stellten sie sicher. Die Polizei leitete gegen die Seedorferin ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ein.
Böller in der Hand explodiert? So geht Erste Hilfe
Die Feuerwerksbatterie bleibt nach dem Anzünden stumm. Einmal kurz über den Kasten beugen und nachschauen? Das kann wortwörtlich ins Auge gehen, wenn der erste Schuss doch zündet. „In solchen Situationen entstehen häufig so schwere Verletzungen, dass das Augenlicht nicht gerettet werden kann“, sagt Luisa Backhaus, Unfallchirurgin vom Unfallkrankenhaus Berlin.
Tückisch: Explodiert Feuerwerk zu nah am Körper, bleibt es meist nicht nur bei einer einzigen Verletzung. Zum Beispiel dann, wenn jemandem eine Rakete in die Kapuze fliegt und die Haare in Brand setzt. „Es kann sich ein Feuerschweif bilden, der zu verheerenden Verbrennungen im Kopf-Hals-Bereich führt“, so Backhaus.
Gut möglich, dass eine sogenannte Schmutz-Tätowierung dazukommt. „Wenn ein Knallkörper am Körper detoniert, dringen Partikel - wie bei einer Tätowierung - in tiefere Hautschichten ein“, beschreibt Luisa Backhaus. Auch das Gehör oder eben die Augen können bei so einem Unfall schwere Schäden nehmen.
Es sind Verletzungen, deren Behandlung schnell kompliziert wird. Narben und Einschränkungen begleiten Betroffene oft ihr ganzes Leben lang - nicht nur körperlich, auch psychisch.
Blaulicht
T Halloween-Hasser bedroht Kinder mit einem Gewehr
Erste Hilfe bei abgesprengtem Finger
Ein weiterer typischer Fall: Der Böller ist in der Hand - oder ganz nah an ihr - explodiert. Wer Glück hat, kommt mit dem Schrecken davon. Wer Pech hat, muss um einen Finger oder gar Teile der Hand bangen, weil sie abgesprengt wurden.
Lässt sich das Amputat, wie der abgetrennte Körperteil in der Medizin heißt, retten? Das können nur die Profis beurteilen. Macht man sich also auf den Weg ins Krankenhaus, muss auch der abgesprengte Finger mit, „wenn man ihn denn in der Dunkelheit finden konnte“, sagt Andreas Ruecker. Er ist Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie der Schön Klinik Rendsburg.
„Der Finger muss trocken transportiert werden“, sagt Unfallchirurgin Backhaus. Das funktioniere im Optimalfall so: Das Amputat wird in ein sauberes Tuch gewickelt und in eine Plastiktüte gelegt, die anschließend fest verschlossen wird. Dieser Beutel wird dann in einen zweiten Beutel gelegt, der mit Wasser und Eis gefüllt ist und der dann für den Transport ebenfalls verschlossen wird.
Die Wunde an der Hand sollte Backhaus zufolge mit sauberem Verbandzeug abgedeckt werden. Ist das nicht griffbereit, tut es auch ein sauberes Stofftaschentuch.
Eine Chance, den abgetrennten Finger zu erhalten, gibt es dann, wenn die Ärztinnen und Ärzte sowohl am Stumpf als auch am Amputat Arterien, Venen und Nerven finden - und wieder zusammenbringen können. Das ist laut Andreas Ruecker aber nur selten der Fall: „Meist sind die Wundränder verbrannt und durch den Explosionsdruck so zerfetzt, dass eine Rekonstruktion nicht möglich ist. Anders als bei einem glatten Schnitt wie etwa mit einer Axt.“
Bei Verbrennungen: nicht zu stark kühlen
Und was, wenn die Rakete gegen den Arm geflogen ist? Bei eher kleinflächigen Brandwunden gilt: „Besser nicht mit eiskaltem Wasser oder einem Kühlpack kühlen, sondern mit etwa 20 Grad warmem Wasser. Und das auch nur für maximal fünf Minuten“, sagt Luisa Backhaus. Dann die Brandwunde sauber abdecken und ab ins Krankenhaus.
Und bei großflächigen Verbrennungen, also wenn ein ganzer Arm oder der Brustkorb betroffen sind? „Dann sollte man nicht auf die Idee kommen, die Person kühl abzuduschen“, warnt Luisa Backhaus. „Besser ist es, sie in eine Rettungsdecke aus dem Verbandkasten einzupacken.“
Der Grund: Die Haut ist eine Schutzschicht, die uns umgibt. Hat sie großflächige Schäden, kann der Körper die Wärme schlechter halten. Es drohen Unterkühlungen, gerade in kalten Winternächten.
Apropos einpacken: Ersthelfer sollten bei einer großflächigen Verbrennung nicht zu viel Zeit und Mühe darauf verwenden, die Brandwunden einzupacken, rät Backhaus. Denn die Medizinerinnen und Mediziner müssen sich die Wunden ohnehin noch anschauen.
Bei Augen- und Ohrenverletzungen gilt übrigens: abdecken, am besten mit einer sterilen Kompresse, wie Notfallkoffer oder Verbandskästen sie enthalten. „Und dann in die Klinik fahren“, sagt Ruecker. (fe/dpa)