TIkke Hüftgolds „Abriss“ in Steinkirchen: Ein Auftritt mit Botschaften
Ikke Hüftgold feiert mit Steinkirchen. Beim Song „Links, Rechts“ beben Saalplatten und Bühne. Foto: Meyer
Steinkirchen schwankt und springt nach links und nach rechts mit Ikke Hüftgold. Der liebt Selbstironie und das Dorfleben. Um beides und Deutschland sorgt er sich aber.
Steinkirchen. Wer feiert täglich Schützenfest? Anthony Modeste - und Steinkirchen. 100 Jahre Schützengilde Steinkirchen und 90. Schützenfest - da hauten die Organisatoren einen raus: Ikke Hüftgold tritt auf. Ein Mann, der mit „Saufen“, „Kippen“ und „Titten“ nicht geizt - in seinen Texten.
Besonders das junge Partyvolk zog es nach Steinkirchen. Foto: Meyer
Seinen „Modeste Song“ über den ehemaligen Bundesliga-Profi performt er bei seinem rund 45-minütigen Auftritt zwischen 0.30 und 1.15 Uhr auch.
Matthias Distel (48) trägt in Steinkirchen weiße Tennissocken und Sneaker, schwarzes T-Shirt und Sporthose und verwandelt sich mit seiner Perücke in Ikke Hüftgold. Unter der schwarzen Mähne triefen die Schweißperlen durch sein Gesicht. Kein Wunder, denn zwischen 1300 und 1500 Partygäste bringen das Zelt auf Temperatur.

Jungschützinnen Lina und Lotta feiern Hüftgolds Auftritt. Foto: Meyer
Ein Seitenhieb und ganz viel Selbstironie
Hüftgold und das Publikum strecken die Mittelfinger nach oben, machen für den Bierkönig den Daumen hoch, für den Megapark den Daumen runter - ein Seitenhieb von Hüftgold, der gerne seine Meinung sagt.
Der Malle-Star ist auch die Selbstironie in Person. Er stimmt seinen Song „Urensohn“ an, schweigt dann, während das Partyvolk die erste Strophe singt: „Ikke Hüftgold ist ein Urensohn.“ „Habt ihr mich beleidigt?“, sagt Hüftgold. Nicht alles ernst nehmen: Das ist eine der Botschaften seiner Musik.

Ikke Hüftgold kann auch Baladen mit seiner eigenen Note. Hier singt er mit dem Publikum den Evergreen „You'll never walk alone“, später „Angels“. Foto: Meyer
Beim Feiern schwingt Dankbarkeit mit
Auf dem Dorf werde besser gefeiert. Und hier seien die Menschen dankbarer, dass solche Malle-Stars kommen. Das sagte Mickie Krause 2018 in einer Reportage vom „Y-Kollektiv“, einem Reportageformat der ARD und des ZDF.

Mallorquinische Stimmung in Steinkirchen. Viele Feierwütige sind textsicher. Foto: Meyer
Ähnlich sagte Tobee 2019 nach seiner Party in Steinkirchen: „Solche Events auf dem Land, wo du als Hauptact spielst, sind super. Manchmal sind das die besten Feten.“
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Ikke Hüftgold, der nach dem Auftritt wieder Matthias Distel ist, will keinen Unterschied zu „größeren“ Auftritten machen. Aber: Er ist selbst ein Dorfkind. Er liebe das Vereinsleben und sei in jedem Verein in seinem Heimatdorf Eschhofen bei Limburg integriert, ob Fußballverein oder Feuerwehr. „Was passiert denn, wenn wir keine Ehrenämter mehr haben? Wenn wir die nicht mehr haben, geht Deutschland noch mehr zugrunde“, sagt er.

Manche Schützen im Publikum fühlen Hüftgolds Partyschlager. Foto: Meyer
Distel zufolge braucht es für eine intakte Kultur, Gemeinschaft und Integration in Deutschland das Ehrenamt und „kostenlose Möglichkeiten für alle Kids und Heranwachsenden, die sich in Vereinen treffen können“. Wenn diese Dorfkultur baden gehe, schade das der Gesellschaft.

„Wo sind die Fans von...“: Ikke Hüftgold will wissen, welche Fußballfans am meisten im Festzelt vertreten sind. Die HSV-Fans schreien - wenig überraschend - am lautesten. Foto: Meyer
Stichwort Dorfleben. Eine Verbindung zum Alten Land habe er auch. Distel sagt: „Der ganze Obstschnaps, den ich gesoffen habe, kommt alles von hier. Der hat meinen Körper geformt.“ Das ist der hüftgoldsche Humor.
Ikke Hüftgolds Musik wurde zum Politikum
Fans feiern seine Partymusik, Anti-Fans kritisieren sie scharf. Die Texte seien zum Beispiel zu sexistisch. Für den ZDF-Fernsehgarten hätte er diese umschreiben müssen. Er blieb der Show fern.
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Ist seine Musik auch ein Kampf für Kunst- und Meinungsfreiheit? „Das ist sie leider geworden.“ Distel sagt, er produziere diese Musik, weil er und andere daran Spaß haben. „Dass es dann zum Politikum wird, ist eine Frechheit, ein absoluter Witz.“ Im Auftritt steckt Symbolik: die tausenden Mittelfinger an die Kritiker.

Ein junger Mann will Hüftgolds Song „Filmriss“ hören. Foto: Meyer
Distel missfallen manche gesellschaftlichen Entwicklungen: „Wir werden teilweise so unterdrückt in Deutschland. Du darfst ja nicht mehr sagen, was du denkst.“ Distel sagt, er sei stolz auf sein Land, deswegen aber „kein Nazi“. Er empfange alle Nationalitäten mit offenen Armen. In Deutschland müssten alle die deutschen Gesetze akzeptieren, Deutsche im Ausland die Spielregeln anderer Länder.
Nächster Halt ist der Bierkönig auf Mallorca
„Ikke, du hast die Bude heute abgerissen“, sagt ein Schütze. Die Organisatoren der Schützengilde sind mit Matthias Distel per Du, per „Ikke“. „Danke, dass du dir Steinkirchen angetan hast.“ „Nee, das hier ist genau mein Ding, keine Stadtdiskothek“, sagt Distel.

Morgen, mag man dem jungen Mann antworten. Am Sonntag war Hüftgolds nächster Auftritt im Bierkönig auf Mallorca. Foto: Meyer
Der Star ist zu allen Fragen bereit und stößt auch mit dem Jubiläumsschnaps im Dorfgemeinschaftshaus an. Um 11 Uhr fliege er nach Mallorca. Nächster Halt: Bierkönig.

Die Menge folgt Hüftgolds Aufruf und hüpft im Schulterschluss abwechselnd nach links und rechts. Foto: Meyer
Ikke Hüftgold singt in Steinkirchen auch „Bumsbar“: „Wir feiern heut die ganze Nacht zusamm', bis die Sonne wieder lacht und dann...“
Aber für Steinkirchen geht um 6 Uhr am Sonntagmorgen der Wecker. Der Spielmannszug weckt das Dorf zum vorletzten Tag des Feiermarathons.

Volker Junge (links) und Peter Heinrich von der Schützengilde bedanken sich beim Malle-Star vor seinem Abschied aus Steinkirchen. Foto: Meyer
Noch einige Nächte müssen sie in Steinkirchen über die entscheidende Frage schlafen: Wer kommt nach Hüftgold - ist der noch zu toppen? Sechs Malle-Sänger waren seit 2018 schon in Steinkirchen. Eine Sängerin noch nie.
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