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Maritime Wirtschaft

T„Jahrzehntelang vernachlässigt“: Hafenbetreiber-Chef redet im Kirschenland Klartext

Der Präsident der europäischen Hafenbetreibervereinigung Feport, Gunther Bonz, war Redner beim Captains Dinner des Nautischen Vereins Niederelbe in Jork.

Der Präsident der europäischen Hafenbetreibervereinigung Feport, Gunther Bonz, war Redner beim Captains Dinner des Nautischen Vereins Niederelbe in Jork. Foto: Vasel

Die deutschen Seehäfen verlieren an Bedeutung, doch das interessiere in Berlin niemanden: Gunther Bonz, Präsident der europäischen Hafenbetreibervereinigung Feport, fordert eine nationale maritime Strategie. In Jork redete er Tacheles.

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Von Björn Vasel
Donnerstag, 14.03.2024, 08:42 Uhr

Jork. Er ist der oberste Lobbyist der deutschen Hafenwirtschaft bei der EU in Brüssel - und er konnte vom Nautischen Verein Niederelbe als Redner das Captains Dinner im Fährhaus Kirschenland gewonnen werden. Der Ex-Staatsrat und frühere Eurogate-Generalbevollmächtigte Gunther Bonz vertritt 1200 Unternehmen - und er redete in Jork Tacheles. Bonz kritisierte, dass die „hohen Herren und Damen“ in Berlin keinen Blick für die Schifffahrt hätten: „Die deutschen Überseehäfen spielen im politischen Geschäft keine große Rolle.“ Der Fokus liege auf der Industrie.

Der Präsident der europäischen Hafenbetreibervereinigung Feport, Gunther Bonz, war Redner beim Captains Dinner des Nautischen Vereins Niederelbe in Jork.

Der Präsident der europäischen Hafenbetreibervereinigung Feport, Gunther Bonz, war Redner beim Captains Dinner des Nautischen Vereins Niederelbe in Jork. Foto: Vasel

In Dänemark, Frankreich, Belgien oder den Niederlanden werde hingegen „jede Kabinettsvorlage auf Seehafen-Interessen gegengecheckt“. Das gelte für Wirtschafts- und Sicherheitsaspekte. Bonz verwies auf ein aktuelles Beispiel: Überseehäfen seien Teil der kritischen Infrastruktur. Wenn Europa in einen globalen Krieg hineingezogen wird, werden „die Seehäfen eine ganz wichtige Rolle spielen“ - unter anderem für den Nachschub und die Truppentransporte. Deshalb hat die EU-Kommission einen Entwurf für eine neue Richtlinie vorgelegt.

EU-weit sollen systemrelevante Häfen ausgewählt werden. Das könnten eigentlich nur Häfen sein, die in nationaler Hand oder in betrieblicher Hand von Unternehmen sind, die ihren Hauptsitz in der EU haben. Durch den Einstieg der Schweizer Reederei MSC bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) werde Hamburg höchstwahrscheinlich außen vor bleiben - ähnlich wie Piräus, wo die chinesische Reederei Cosco sogar Mehrheitseigner des Hafens ist.

Bund vernachlässigt die deutschen Seehäfen

Die norddeutschen Häfen würden seit Jahrzehnten von der Bundesregierung - unabhängig von der Regierungskonstellation - „vernachlässigt“. Dabei sei die Entwicklung dramatisch. Hamburg habe knapp 25 Prozent Marktanteil im Containerumschlag an Rotterdam (Niederlande) und Antwerpen (Belgien) verloren. Es gebe keinen einzigen der 20 größten Häfen in Europa, der ähnliche Verluste zu beklagen habe.

Unter den Welthäfen liege Rotterdam auf Platz 13. Die Hamburger drohen auf Platz 21 abzurutschen und seien „nicht mehr erstligafähig“. Die Niederländer hätten 2023 fast 13,4 Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen. An der Elbe seien es hingegen 7,7 Millionen TEU gewesen - so viel wie 2004. Das liege auch an der Wettbewerbsbenachteiligung der deutschen Häfen durch die eigene Regierung.

Deutsches Zollsystem gräbt Hamburg das Wasser ab

Bonz kritisierte das Auslaufen der Wettbewerbshilfen für Werften in der EU. Doch 1996 gab es noch eine weitere Entscheidung. Importzölle wandern seitdem in die Kasse der Europäischen Union. Wie diese eingetrieben werden, kann seitdem allerdings jeder Mitgliedsstaat selbst entscheiden. In Deutschland werden die Einfuhrzölle bereits an der Kaikante fällig. Diese müsse entweder sofort gezahlt oder über eine Bankbürgschaft durch Reeder, Spediteur oder Terminalbetreiber abgesichert werden. Diese können sich das Geld allerdings erst Monate später beim Endkunden zurückholen.

Der Hamburger Hafen verliert Ladung an Rotterdam und Antwerpen, weniger Container sind auf der Elbe unterwegs.

Der Hamburger Hafen verliert Ladung an Rotterdam und Antwerpen, weniger Container sind auf der Elbe unterwegs. Foto: Vasel

In den übrigen EU-Staaten werden die Zölle hingegen erst beim Endkunden - beispielsweise einem Fabrikanten oder Großhändler - fällig. Damit entfalle eine teure Zwischenfinanzierung. Um diesen Kostennachteil zu vermeiden, importieren Logistikunternehmen die Ware für Deutschland verstärkt über Rotterdam oder Antwerpen.

Allein diese Einfuhrsteuerregelung habe laut einer Studie zu einem Marktanteilsverlust Hamburgs von mehr als zehn Prozent geführt. Ein Beispiel: Tesla importiert seine Teile für das Werk in Brandenburg nicht über Hamburg. Bonz: „Rotterdam hat den Zuschlag gekriegt.“ Seit 16 Jahren stehe eine Neuregelung bei der Zoll-Erhebung in den Koalitionsverträgen von CDU, SPD, Grünen oder FDP. Seine Vermutung: Die Regierenden wollen ihren Zöllnern keinen Umzug zumuten.

Terminalbetreiber in Hamburg leiden unter hohen Kosten

Damit nicht genug: Der Umschlag in Hamburg sei teurer als im EU-Ausland. In Rotterdam und Antwerpen gelten die Kaimauern als Hochwasserschutzanlagen, 90 Prozent der Kosten trägt deshalb der Staat. in Hamburg muss der Terminalbetreiber alle Kosten über die Miete zahlen. Das schlägt bei einem Hamburger Terminal mit Mehrkosten von bis zu 10 Millionen Euro zu Buche. Folge: Die Kunden suchen sich günstigere Häfen - im Ausland. Ohnehin sei ein Umdenken erforderlich.

Die hohen Infrastrukturkosten für die Terminals durch steigende Schiffsgrößen seien nicht mehr tragbar, notwendig sei eine Begrenzung und mehr Kooperation deutscher Seehäfen. In Hongkong gibt es einen Zusammenschluss aller Terminals, die drei großen Schifffahrts-Allianzen können nicht mehr die Preise diktieren. Diese Allianzen beherrschen heute 95 Prozent des Containertransports zwischen Asien und Europa. Hoffnung macht Bonz, dass die Ausnahmeregelung im Europäischen Kartellrecht auf Druck von Feport ausgelaufen ist, Maersk und MSC gehen ab 2025 schon getrennte Wege.

Auch eine aktuelle Planung sieht Bonz, der Ex-Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg propagierte lange eine Tunnellösung, mit Sorge. Hamburg will eine neue, 73,5 Meter hohe Köhlbrandbrücke bauen, damit Riesenpötte auch das Terminal Altenwerder anlaufen können. Doch das sei angesichts der neuen Routen der Großreedereien wohl nicht notwendig. Er sieht ein Riesenproblem auf den Hafenumschlag zukommen: Bei starkem Wind dürften die Container-Laster im Hafen die neue Brücke gar nicht nutzen.

Traditionelles Seemanns-Curry wird bei dem Treffen im Fährhaus Kirschenland serviert.

Traditionelles Seemanns-Curry wird bei dem Treffen im Fährhaus Kirschenland serviert. Foto: Vasel

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