TJetzt doch enteignen? Steinkirchener kritisieren L140-Pläne
Anwohner der L140 kritisieren die Sanierungspläne und die angedachte Verbreiterung in Steinkirchen scharf. Foto: ABS/Tiedemann
Die Vorstellungen für die L140-Sanierung in Steinkirchen gehen weit auseinander. Die Bürger fühlen sich nicht ernst genommen - und fürchten um ihre Grundstücke.
Steinkirchen. Noch ist kein einziger Spatenstich zur Sanierung der L140 durch Steinkirchen erfolgt, doch das Thema polarisiert. Rund 850 Meter Wegstrecke entlang der Bürgerei sollen im ersten Schritt des Sanierungsplans der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr grundlegend erneuert und ausgebaut werden. Für Grünendeich stehen im zweiten Bauabschnitt weitere 1,6 Kilometer Landesstraße an. Doch bis die Arbeiten konkret beginnen können, ist noch die Frage offen: In welcher Form soll die L140 saniert werden?
Bereits im Juli 2022 hatte der Steinkirchener Gemeinderat für eine Fahrbahn-Variante mit beidseitigen Schutzstreifen für Fahrradfahrer und abgetrennten Gehwegen gestimmt. Alles in allem würde die Trasse damit auf 14,20 Meter Breite anwachsen, fast vier Meter breiter als heute. „Durch die Schutzstreifen haben die Radfahrer ihre eigene Zone, was die Sicherheit im Verkehr erhöht“, erklärt Falk Salomon, Leiter für Planung bei der Landesbehörde. Für die Sanierung müssten jedoch Einigungen mit Grundstückseigentümern getroffen werden - denn die neuen Gehwege würden teils durch private Vorgärten verlaufen.
Das kritisieren die Steinkirchener Bürger
Die Arbeitsgemeinschaft Bürgerei Steinkirchen (ABS) kritisiert die Pläne. „Die geplante Straße wäre genauso breit wie die B73, das ist verrückt“, sagt Heino Eckerich von der ABS. Den engagierten Bürgern ist es wichtig, dass etwa das Ortsbild sowie Tourismus und Wirtschaft nicht unter der Sanierung leiden. Ihr Favorit sei daher ein Zweirichtungsradweg wie etwa in Jork. Bis zu 70 Bäume entlang der Bürgerei sowie Parkflächen etwa vor der Postfiliale könnten verschwinden, sagt Eckerich. Zudem verleite eine breitere Fahrbahn Autofahrer zum Rasen, ergänzt Saskia Tiedemann.

Einen Zweirichtungsradweg wie hier in Jork favorisieren die Bürger anstelle von Schutzstreifen. Foto: Archiv/Battmer
Im Frühjahr 2024 bildete sich ein Arbeitskreis zu dem strittigen Thema unter anderem mit Vertretern der Bürgerinitiative, der Gemeinde sowie des Landes. „Ein Stimmungsbild zeigte, dass der Arbeitskreis eine Variante ohne Schutzstreifen beim Land anregen wollte“, sagt der Bauausschussvorsitzende Hauke Eckhoff auf Nachfrage. Er habe den Vorschlag damals telefonisch an den zuständigen Behördenmitarbeiter Clemens Vagts übermittelt.
Landesbehörde hält an Schutzstreifen fest
Da Vagts inzwischen nicht mehr für die Landesbehörde tätig ist, stellte Falk Salomon bei einem Arbeitstreffen im Februar 2025 den aktuellen Planungsstand vor - inklusive der strittigen Schutzstreifen. „Wir waren irritiert, dass unser Vorschlag nicht berücksichtigt wurde“, sagt Eckerich. Zwar sei der Verlauf so angepasst worden, dass weniger Bäume weichen müssten und weniger Privatgrund betroffen sei. Der Plan sei aus Sicht der ABS, insbesondere bei der Baumsituation, noch unsauber. Zudem habe die Landesbehörde ihre Entscheidung revidiert, im Bedarfsfall Grundstückseigentümer zu enteignen. „Das bringt eine ganz andere Schärfe in die Debatte“, sagt Eckerich.
Dass die Landesbehörde weiterhin an den Schutzstreifen festhält und sogar von zuvor 1,25 Meter auf 1,50 Meter erweitert hat, sei durch den Sicherheitsgewinn gerechtfertigt, sagt Salomon. Die Vorgaben für Radverkehrsanlagen würden sich zeitnah ändern, weshalb jetzt schon die neue Breite eingeplant wurde. Als Alternative ohne Schutzstreifen sei weiterhin eine reine Sanierung der Fahrbahn ohne Ausbau möglich. „Dann bleibt das Ortsbild so, wie es ist“, sagt Salomon. Für die Sanierung der Gehwege sei in diesem Fall jedoch die Gemeinde auf eigene Kosten verantwortlich.
Land zieht Enteignung in Erwägung
Was die Enteignung angeht: Die Einigung mit den Eigentümern habe Vorrang, betont Salomon. Er gibt jedoch zu bedenken: „Das öffentliche Interesse überwiegt Privatinteressen.“ Formal könnten private Grundstückseigentümer über einen sogenannten Planfeststellungsbeschluss enteignet werden. Und „im Verhältnis zu einer sicheren Verkehrsanlage“ wäre das hinzunehmen, so Salomon. Saskia Tiedemann kritisiert dies scharf: „Wenn das, was gesagt wurde, keinen Bestand hat, hat man nicht das Gefühl, auf Augenhöhe beteiligt zu sein.“ Über eine eigene Homepage sowie Flyer will die Initiative jetzt Bürger informieren und Unterschriften gegen die Pläne sammeln.

2022 nahmen rund 100 interessierte Bürger an einer Sitzung des Bauausschusses zur L140 teil. Foto: Archiv/Battmer
Steinkirchens Bürgermeisterin Sonja Zinke findet es wichtig, über das Thema zu sprechen. „Es ist bemerkenswert, wie Land, Gemeinde und Anwohner in dieser Angelegenheit zusammengearbeitet haben“, sagt sie. Für sie sei es erfreulich, dass die angepasste Planung die betroffenen Privatgrundstücke auf einige wenige reduziert habe. Dass die neue Planung verkehrsberuhigend wirke und mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer schaffe, heißt sie gut.
Aktuell seien Fotos in Arbeit, um den jetzigen und geplanten Zustand der L140 visuell zu vergleichen. Laut Sonja Zinke sollen sie gemeinsam mit der Planung zeitnah in einer Ratssitzung vorgestellt werden. „Ich bin dafür, das Thema weiterhin offen und transparent zu kommunizieren“, sagt Zinke.