TBürgermeister Gerke verstößt nicht gegen Gesetz – Schlappe für die AfD

Kein Ort für Rassismus: Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke im Kreise der Omas gegen Rechts vor dem Rathaus in Steinkirchen. Foto: Vasel
Klare Kante gegen Rassisten zeigte Timo Gerke im Vorfeld der Bundestagswahl. Darf ein Samtgemeindebürgermeister so etwas öffentlich tun? Ja, sagt der Landkreis. Das ist die Begründung.
Altes Land. Die Kommunalaufsicht beim Landkreis Stade ist zu dem Schluss gekommen, dass Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke (parteilos) mit der Unterstützung der Aktion „Kein Ort für Rassismus“ nicht gegen die Neutralitätspflicht verstoßen habe. Der Steinkirchener Rathaus-Chef hatte im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 für eine Videoaktion der Altländerin Nina Lindenblatt geworben.
Gastronomen, Obstbauern, Pastoren, Handwerker und Ärzte, aber auch Prominente wie der Cartoonist Tetsche und der Buchautor Hasnain Kazim hielten dabei ein Schild mit besagter Botschaft in ihren Händen. Gerkes Appell in seinem Wahlaufruf auf Instagram: „Keine Nazis, kein Rassismus“ - für Menschlichkeit, Demokratie und Toleranz.
In einem Brief kündigte der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Stade, Maik Julitz, am 20. Februar rechtliche Schritte gegen Gerke an. Der Kommunalpolitiker aus Buxtehude sah in dem Videodreh und in der Annahme eines Kreuzes ohne Haken der Omas gegen Rechts vor der Bundestagswahl eine Aktion gegen die Alternative für Deutschland (AfD).
In einem Schreiben an Gerke erklärte Julitz, weshalb sich die AfD angesprochen fühlte: „Schließlich werden die Begriffe ‚Hass, Hetze und Rassismus‘ in ‚demokratischen‘ Kreisen synonym zur AfD verwendet.“ Der Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe, so der Vorwurf, habe sein weitreichendes Netzwerk aktiviert. Der AfD-Kreisvorsitzende sprach von einer eindeutigen Verletzung der Neutralitätspflicht.
Kommunalaufsicht stärkt Bürgermeister den Rücken
Mit einer Eingabe wandte sich Julitz an die Kommunalaufsicht beim Landkreis Stade. Der Erste Kreisrat Thorsten Heinze kam zu dem Schluss, dass Gerke „sich nicht in diffamierender und sachfremder Art und Weise über die AfD oder eine andere Partei geäußert“ habe.
Mit seinen Aussagen habe sich Gerke „allgemein gegen Rassismus“ und „für die Werte des Grundgesetzes“ positioniert. Damit seien Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Wahlbeeinflussung vor der Bundestagswahl „ebenfalls nicht erkennbar“. Damit habe der Rathaus-Chef „keine Verletzung des Neutralitätsgebots begangen“, heißt es in dem von Heinze unterzeichneten Antwortschreiben an Julitz, das dem TAGEBLATT vorliegt.
Der Erste Kreisrat betont in seinem Schreiben, dass diese Rechtsauffassung auch vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport als oberste Kommunalaufsichtsbehörde vertreten werde. Was heißt das juristisch? Landkreis und Land sind sich einig, dass Gerke nicht gegen das Gesetz verstoßen hat.
In Paragraf 33 des Beamtenstatusgesetzes heißt es: „Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.“ Des Weiteren haben diese „bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt“.

Auch im Stader Rathaus steht ein Kreuz ohne Haken der Omas gegen Rechts. Foto: Strüning
Das von den Omas gegen Rechts übergebene Kreuz ohne Haken steht im Fenster in seinem Büro. „Dieses Kreuz steht für Vielfalt. Es ist eine Warnung vor völkischen sowie menschen- und demokratieverachtendem Gedankengut und dessen Verbreitung“, sagte Marion Meyer von den Omas gegen Rechts bei der Übergabe im Rathaus in Steinkirchen.
Auch Gerkes Stader Bürgermeisterkollege Sönke Hartlef (CDU) hat sein Kreuz im Rathaus öffentlich platziert. Gerke fühlt sich durch die Kommunalaufsicht in Stade und Hannover in seinem Handeln bestätigt: „Ich werde weiterhin für die Werte des Grundgesetzes eintreten und mich nicht von der AfD einschüchtern lassen.“
Rathaus-Chef will weiteres Zeichen für Menschenrechte setzen
Der Bürgermeister will deshalb weiter Zeichen setzen: Bereits am 2. August will Gerke in Hamburg beim Christopher Street Day (CSD) mit vielen anderen mit einem von der Spedition Pape gesponserten Samtgemeinde-Lühe-Truck ein Zeichen für eine offene, vielfältige und diskriminierungsfreie Gesellschaft und gegen Hass und Ausgrenzung setzen. Motto: „Queer auf dem Land - sichtbar. Sicher. Willkommen.“
Der Vorstand des AfD-Kreisverbandes Stade habe sich mit dem Schreiben der Kommunalaufsicht noch nicht befasst. Er habe den Brief zur Kenntnis genommen. Das sagte AfD-Sprecher Helmut Wiegers. Die „Spielchen“ des Bürgermeisters halte er für grenzwertig: „Wir werden Gerke sehr genau auf die Finger schauen.“
Die jüngst vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD habe laut Wiegers „mit Rassismus nichts am Hut“. Das BfV sieht das in seinem Gutachten anders. Das Volksverständnis der AfD ziele darauf ab, „bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen“. Das sei Anti-AfD-Propaganda, sagt Wiegers. Er spricht allerdings von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, wenn er nachlegt: „Wer kriminelle Afrikaner ausweisen will, ist kein Rassist.“
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