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TMit Alkohol am Steuer erwischt - und was passiert dann?

Alkohol am Steuer: Diesem Problem begegnet die Polizei nicht immer so offensichtlich wie auf diesem Symbolfoto.

Alkohol am Steuer: Diesem Problem begegnet die Polizei nicht immer so offensichtlich wie auf diesem Symbolfoto. Foto: Richter

Mit 3,85 Promille über die A1: Solche Meldungen hat es in letzter Zeit öfter gegeben. Über heftige Folgen für die Fahrer berichten die Stader Polizei und eine Suchtexpertin.

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Von Anping Richter
Mittwoch, 16.10.2024, 17:00 Uhr

Landkreis. Der Mann, den die Polizei am 13. Oktober an der Autobahnabfahrt Rade stoppt, fährt Schlangenlinien. Alkoholpegel: 3,85 Promille.

Am 6. Oktober will ein Polizeibeamter einen betrunkenen Fahrer stoppen, muss ihn aber erst von Stade über B73 und A26 verfolgen und wird dann auch noch von ihm getreten. Alkoholpegel: 1,9 Promille.

Am 3. Oktober fällt ein betrunkener Rollerfahrer in Stade an der Ampel um. Alkoholpegel: 3,2 Promille.

Was wie eine ungewöhnliche Häufung klingt, ist zunächst vor allem ein Blick in den polizeilichen Alltag - mehr gibt die aktuelle Statistik noch nicht her, sagt Polizeisprecher Matthias Bekermann. Tatsächlich hat sich die Zahl der festgestellten Fahrten unter Alkoholeinfluss im Bereich der Polizeiinspektion Stade seit 2014 in einem steten Auf und Ab bewegt, zwischen 212 im Jahr 2023 und 301 im Jahr 2017.

Bundesweit hat sich die Zahl der Alkoholunfälle laut ADAC in den letzten 50 Jahren sogar um rund 74 Prozent verringert. Aber: In 70 Prozent der Fälle hatten die Fahrer mehr als 1,1 Promille und galten damit als absolut fahruntüchtig. Das trifft auch auf alle oben geschilderten regionalen Fälle aus den letzten drei Wochen zu.

Die Geldstrafe ist oft noch das kleinste Problem

Die Zeiten, als Alkohol am Steuer als Kavaliersdelikt galt, müssten eigentlich vorbei sein, sagt Bekermann. Aber: „Oft wird nicht überblickt oder ausgeblendet, welche Folgen eine Trunkenheitsfahrt nach sich ziehen kann.“ Die Geldstrafe sei oft noch das kleinste Problem. Viele bedenken beispielsweise nicht, dass der Führerschein oft für die Berufsausübung dringend benötigt wird. Außerdem zahle die Kfz-Versicherung bei einem Unfall unter Alkoholeinfluss nicht unbedingt, was den Verursacher in große finanzielle Schwierigkeiten bringen kann.

Die Polizei bietet einen freiwilligen Atem-Alkoholtest vor Ort an. Der kann im besten Fall entlasten - oder Grundlage für weitere Maßnahmen sein, zum Beispiel für einen weiteren, dann gerichtlich verwertbaren Test in der Polizeiwache oder für einen Bluttest. Bei einem Pegel von 0,5 bis 1,09 Promille ohne Ausfallerscheinungen handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Ist es der erste Verstoß, kostet das 528,50 Euro und bringt einen Monat Fahrverbot sowie zwei Punkte in Flensburg. Bei weiteren Verstößen erhöht sich das Bußgeld. Ab 1,1 Promille gilt ein Fahrer als absolut fahruntüchtig.

Mehr Alkoholfahrten als früher gibt es nicht. Aber Alkoholabhängigkeit spielt bei Verstößen nach wie vor eine große Rolle.

Mehr Alkoholfahrten als früher gibt es nicht. Aber Alkoholabhängigkeit spielt bei Verstößen nach wie vor eine große Rolle. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Gefürchtet: Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)

Ob und wie lange der Führerschein weg ist, entscheidet das Gericht. Was der Fahrer tun muss, um ihn wiederzubekommen, entscheidet die Führerscheinbehörde. Ab 1,1 Promille ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), im Volksmund „Idiotentest“ genannt, vorgeschrieben. Die führt im Kreis Stade der TÜV Nord durch. Die Gefahr, durchzufallen, ist hoch - im bundesweiten Schnitt ist von einer Quote von 40 bis 50 Prozent die Rede. Der TÜV Nord bietet vorher für 77 Euro ein MPU-Beratungsgespräch an, um den Fall zu prüfen und zu sagen, was gefordert wird.

Um ihren Führerschein zurückzubekommen, buchen viele eine intensive - oftmals Hunderte bis Tausende Euro teure - MPU-Vorbereitung. Allerdings ist nicht genau gesetzlich geregelt, welche Qualifikation die Anbieter haben müssen. Schlagzeilen machte Anfang 2024 die Firma MPU King, für die bekannte Kunden wie der Rapper „Haftbefehl“ Werbung machten: Sie soll ihre Kunden mit gefälschten Gutachten durch die MPU gebracht haben. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt.

Der tiefere Sinn der MPU

Dabei steckt hinter der MPU ein sinnvoller Gedanke: Die Betroffenen sollen nachweisen, dass sie aus ihrem Fehler gelernt haben und sich und andere künftig nicht mehr gefährden werden. Seriöse Anbieter für die Vorbereitung darauf sind im Kreis Stade beispielsweise die Fachstellen für Sucht und Suchtprävention des Diakonieverbands Buxtehude-Stade und des Vereins für Sozialmedizin in Stade.

Oft hänge ein Verstoß mit einer Alkoholabhängigkeit zusammen, weiß Cornelia Libera, Suchttherapeutin und Sozialpädagogin vom Verein für Sozialmedizin: „Wenn jemand mit 2,5 Promille aufgegriffen wird, liegt es nahe, dass eine Alkoholproblematik vorliegt und er schon öfter mit Alkohol gefahren ist.“ Doch die Reaktionsfähigkeit sei trotzdem extrem gemindert. Laut ADAC setzt ab 1 Promille normalerweise das Rausch-Stadium ein, ab 2 Promille das Betäubungsstadium und ab 3 Promille Bewusstlosigkeit.

Stellt die Polizei einen auffälligen Fahrstil oder Geruch fest, kommt ein Atem-Alkoholtest infrage.

Stellt die Polizei einen auffälligen Fahrstil oder Geruch fest, kommt ein Atem-Alkoholtest infrage. Foto: Uwe Anspach/dpa

Unangekündigte Urinproben über ein Jahr

In vielen Fällen muss der Fahrer nachweisen, dass er ein Jahr, mitunter sogar über 18 Monate, abstinent war, um durch die MPU zu kommen. Das wird durch Urinproben im Labor des TÜV Nord festgestellt - und die, berichtet Cornelia Libera, werden nur sehr kurzfristig angekündigt: „Sie sagen am Tag vorher Bescheid, dann muss man erscheinen.“

Die Vorbereitungsgespräche sind vor der MPU nicht zwingend erforderlich. „Sie helfen aber, weil man seine Verhaltensmuster besser reflektieren und das in der MPU dann auch nachweisen kann“, sagt Libera. Die MPU besteht aus zwei Teilen: einer medizinischen Untersuchung und einem psychologischen Gespräch. Beim TÜV Nord werde es von erfahrenen Psychologen durchgeführt und dauere ein bis zwei Stunden.

„Auswendiglernen funktioniert für so eine MPU nicht“, sagt Cornelia Libera. Die Vorbereitungsgespräche sind kostenpflichtig. Beim Verein für Sozialmedizin werden so viele geführt, wie der Betroffene benötigt, um herauszufinden, welche Faktoren zur Trunkenheitsfahrt und bestimmten Konsummustern geführt haben. Darin liegt eine Chance: Der Schichtarbeiter zum Beispiel, der sich das Trinken als Einschlafhilfe angewöhnt hat, kann vielleicht seine Arbeitszeiten ändern. Bei legalen Substanzen wie Alkohol gehe es nicht unbedingt um Abstinenz, sondern darum, Strategien für die Zukunft zu entwickeln, sagt die Suchtexpertin: „Wie kann ich kontrolliert trinken? Wie kann ich mich selbst kontrollieren?“

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