TNutria im Visier: Jäger fahnden im Alten Land nach der Biberratte
Der Jäger Ralf Kimmel hat diese Nutria mit seiner Wildkamera abgelichtet. Foto: Kimmel/Jägerschaft
Expedition ins Nutria-Reich: Vom Floß aus wollten Deichrichter und Jäger den Bestand der Deich-Gefährder checken. Eine Fahrt der etwas anderen Art auf der Este.
Altes Land. Die Nutrias gefährden die Stabilität von Deichen und von Uferböschungen entlang der Flüsse und Gräben im Landkreis Stade. Die Population explodiert. Die Biberratte raubt nicht nur dem Oberdeichrichter der II. Meile Alten Landes, Wilhelm Ulferts, den Schlaf.
Jäger und Deichschützer sind der Nutria auf der Spur
Wie hoch sind die Schäden am Este-Deich und wo treiben die Nutrias ihr Unwesen? Diesen Fragen wollen Deichschützer und Jäger zwischen Buxtehude und Estebrügge gemeinsam auf den Grund gehen. Kurz nach 13 Uhr legen die beiden Flöße im Hafen ab. Jan Sauerwein und Bernd Moje stehen am Ruder. In wenigen Minuten ist Niedrigwasser. Für die Nutria-Expedition machen sie eine Ausnahme.

Schlick und Schilf: Nutria-Expedition von Deichverband und Kreisjägerschaft unter der A26-Brücke auf der Este. Foto: Vasel
Denn die Skipper kennen ihr Revier. Barkassen oder Motorboote wären längst auf Grund gelaufen. An Bord sind mit Jan Ellermann, Jens Hariefeld, Hinrich Gründahl und Susanne Ruppel erfahrene Jäger. Ihre Mission: Gemeinsam mit den Deichschützern wollen sie schauen, ob in dem knappen Zeitraum die Eingänge der unterirdischen Bauten oder die Nester der dämmerungs- und nachtaktiven Tiere sichtbar werden. Nutrias legen diese knapp über der Wasseroberfläche an.

Jäger und Deichrichter auf Nutria-Patrouille auf der Este zwischen Buxtehude und Estebrügge. Foto: Vasel
„Die Gänge ihrer Erdbauten können mehrere Meter in die Böschung hinein reichen“, so Ulferts. Durch diese Unterhöhlung könnten bei einer Starkregen- und/oder Sturmflut Flussdeiche brechen. Die unmittelbar am Fluss stehenden Schardeiche könnten in die Este rutschen.

Schäden an der Uferbefestigung, in diesem Fall tragen die Nutrias keine Schuld. Die Bundeswasserstraße wird mangelhaft unterhalten. Foto: Vasel
Sauerwein und Moje manövrieren die beiden Flöße durch die Untiefen. Das 21 Hektar große Naturschutzgebiet im Außendeich wird links und rechts von Prielen durchzogen, ausgedehnte Schilfröhricht-Zonen liegen vor dem Este-Deich. Das Naturschutzgebiet Tide-Este soll den Bestand an wandernden Fischarten, aber auch an Fluss- und Meerneunaugen und Fischottern sichern.
Invasive Art bedroht Deiche und Artenvielfalt an der Este
Doch die invasive Biberratte bedroht auch das Ökosystem an der Untereste. Die einst aus DDR-Pelztierfarmen ausgebüxte Tierart aus Südamerika hat im Norden keine natürlichen Feinde. Auf dem Speiseplan stehen Wasserpflanzen, vom Blatt über die Wurzel bis zum Stängel. Doch Nutrias lieben als Flexitarier auch Muscheln, Schnecken und Würmer.
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Auf ihrer Fahrt über die Tide-Este entdecken die Jäger und Deichrichter keine Bauten. Ellermann, Hariefeld, Gründahl und Ruppel wissen allerdings aufgrund ihrer Fallen, dass die Biberratten sich stark vermehren und flussaufwärts wandern. Das ist allerdings nicht nur in Buxtehude und im Alten Land zu beobachten. Die Sprecherin der Kreisjägerschaft, Julia Seefried, blickt auf Assel. Sie brachte dieses Jahr in ihrem Revier schon 100 Tiere zur Strecke - im Vorjahr war es ein Tier.
Im Jagdjahr 2024 erlegten die Jäger im Landkreis Stade 1487 Nutrias. Fünf Jahre zuvor gingen laut ihrer sogenannten Nutriastrecke-Statistik 819 Tiere in die Falle, 2018 waren es lediglich 164. Dieser Trend setze sich laut Julia Seefried auch im Jagdjahr 2025 fort.
Die Weibchen bringen zwei- bis dreimal im Jahr bei ihren Würfen bis zu acht Junge auf die Welt. Sogar Tiere mit zwölf Jungen sind der Jägerin über den Weg gelaufen. Die Krux: Der Nachwuchs ist bereits nach fünf Monaten geschlechtsreif. „Die Nutrias vermehren sich mit raketenartiger Geschwindigkeit“, klagt Ulferts.

Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts blickt auf eine Nutria-Falle an der Este. Foto: Vasel
„Bekämpfung und Bestandskontrolle sind aus wasserwirtschaftlicher und aus naturschutzfachlicher Sicht dringend notwendig“, sagt die Stader Kreisbaurätin Madeleine Pönitz. Die invasive Art steht im Jagdrecht. Die Jäger setzen auf Fallen. Sie sind effektiv und zugleich tierschonend.
Sobald eine Nutria - sie lieben Äpfel, Nutella, aber auch Blut und Urin ihrer Vorgänger - gefangen ist, löst der automatische Fallenmelder aus. Die Jäger erschießen das in die Falle gegangene Tier zeitnah, schnell und schmerzlos. Sicherheitshalber kontrollieren die Jäger ihre Lebendfallen täglich. Die Krux: Immer wieder werden diese zerstört.
Drohnen sollen Fallenjagd unterstützen
Auf Antrag der Jägerschaft will der Landkreis Stade im Jahr 2026 die Aufstellung von 220 Nutria-Fallen mit 95.000 Euro fördern. Unterhaltung, Aufstellung und Wartung dieser Geräte übernehmen die Mitglieder der Jägerschaft ehrenamtlich. Gleichwohl hoffen die Jäger, dass die Schwanzprämie erhöht wird. Um die 8 Euro zahlen die Deich- und Unterhaltungsverbände für die zur Strecke gebrachten Biberratten. Die Jäger wollen als Naturschutzverband flächendeckend den Bestand nachhaltig und tierschutzkonform reduzieren, betont der Vorsitzende der Kreisjägerschaft, Jens Hariefeld.

Blick auf eine Nutria-Falle. Foto: Vasel
Schnell wird klar: Vom Floß aus sind die Bauten nicht zu erkennen. Jäger und Deichschützer sind sich einig: Ähnlich wie in den Niederlanden müssten zum Aufspüren der Nutria in der Zukunft auch Drohnen mit Spezialwärmebildkameras zum Einsatz kommen. Im Nachbarland werden sogar DNA-Proben in den Gewässern gezogen, damit Jäger den Nutria-Bestand räumlich eingrenzen und gezielt bekämpfen können. Ulferts will sich für ein Modellprojekt vor Ort starkmachen.

Der Jäger Ralf Kimmel hat diese Nutria mit seiner Wildkamera abgelichtet. Foto: Kimmel/Jägerschaft
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