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Deiche vor Schäden durch die Nutria schützen

Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts (Vierter von links) und Verbandsvorsteher Hans Alpers-Janke (Fünfter von links) übergeben Nutria-Fallen an die Vertreter der Kreisjägerschaft und die Hegeringe Buxtehude und Jork.  Foto Vasel

Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts (Vierter von links) und Verbandsvorsteher Hans Alpers-Janke (Fünfter von links) übergeben Nutria-Fallen an die Vertreter der Kreisjägerschaft und die Hegeringe Buxtehude und Jork. Foto Vasel

Der Deichverband der II. Meile Alten Landes und der Unterhaltungsverband Altes Land haben am Freitagnachmittag die ersten Nutria-Fallen an die Hegeringe in Buxtehude und in Jork übergeben. Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts ist in Sorge.

Von Björn Vasel Freitag, 08.03.2019, 18:00 Uhr

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Die aus DDR-Pelztierfarmen ausgebüxte, vermehrungsfreudige Biberratte sei eine „große Gefahr für die Stabilität der Deiche und Uferböschung“. Deshalb müsse ein Ausbreiten der invasiven Art im Alten Land durch massive Bejagung und Aufstellen von Fallen verhindert werden.

Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts hatte sich bereits Anfang Februar im TAGEBLATT für Sofortmaßnahmen ausgesprochen – Hand in Hand mit der Jägerschaft. Die steigende Zahl erlegter Nutria im Alten Land, vor allem im Bereich Moorende und in Borstel, sei „besorgniserregend. Hier müssen wir frühzeitig gegensteuern“, sagt Ulferts und verweist auf die Vermehrungsrate, die „doppelt so hoch wie bei Wildschweinen ist“. Hinzu komme, dass die bis zu 65 Zentimeter großen Tiere keinen natürlichen Feind haben. Die Tiere – sie leben als Paar oder in Gemeinschaften von bis zu 15 Tieren – zeichnen sich durch eine alarmierende Vermehrungsfähigkeit von etwa 600 Prozent aus. So habe sich im Landkreis Leer die Anzahl der entnommenen Nutria von 25 (2014) auf mehr als 750 (2017) gesteigert.

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Die nachtaktive Nagetierart unterhöhle nicht nur die Uferböschungen und Deiche, sondern gefährde durch ihre „Bautätigkeit“ auch die Biodiversität in den zum Teil unter Schutz stehenden Gewässern und Uferbereichen.

Denn sie sind vor allem Vegetarier – und ernähren sich vorwiegend von Blättern, Stängeln und Wurzeln von Wasserpflanzen. Selten fressen sie Schnecken, Würmer oder auch Süßwassermuscheln.

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Im vergangenen Jahr seien im Landkreis Stade bereits rund 170 Nutria entnommen worden, 2016 waren es 70 und im Jahr 2014 lediglich zwei –  bisher allerdings fast ausschließlich im Bereich Kehdingen-Oste. Seit letztem Herbst aber schnellten die Fangzahlen im Bereich Moorende hoch, und in Borstel wurde 200 Meter vom Elbdeich ein erstes Tier geschossen. Ulferts: „Nicht auszudenken, wenn die unterirdischen Nutria-Bauten in unseren Deichen und an den Ufern unentdeckt blieben.“ Er verweist auf Unfälle an der Jeetzel, wo ein Schlepper über einem Nutria-Bau eingebrochen und fast in den Fluss gerutscht wäre. „Wir müssen verhindern, dass das Leben unserer Obstbauern gefährdet wird“, mahnt der Oberdeichrichter und betont: „Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist.“

Er dankt vor diesem Hintergrund der Kreisjägerschaft und den Jägern der Hegeringe Buxtehude und Jork, die Gefahr sei erkannt, erste Maßnahmen eingeleitet. Bei der Jagd auf die nachtaktive Biberratte habe sich in Ostfriesland der Einsatz von geschlossenen (Lebend-)Fallen „als einzig probates Mittel erwiesen“, sagt Ulferts. Der Unterhaltungsverband Altes Land und der Deichverband der II. Meile Alten Landes haben deshalb den Hegeringen mehrere Fallen übergeben –  als Sofortmaßnahme. „Die Falle jagt immer“, betont Jäger Hinrich Gründahl.

{picture2s} Damit nicht genug. Gemeinsam mit der Stader Kreisjägerschaft fordern Verbandsvorsteher Hans Alpers-Janke und Oberdeichrichter Ulferts alle Kreistagsfraktionen und Landrat Michael Roesberg auf, den Kampf gegen die „gefährliche“ Ausbreitung der Nutria – ähnlich wie in allen Küstenlandkreisen Ostfrieslands, des Emslands und der Wesermarsch –  zu unterstützen und sich an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu beteiligen. Rund 3600 Euro haben die zehn Fallen mit Melder gekostet. Wenn ein Tier in die Falle geht, läuft eine Meldung auf dem Jäger-Handy auf. Zwei Mal täglich werden die Lebendfallen – aus Tierschutzgründen –  persönlich kontrolliert. Als Köder dienen Äpfel und Zuckerrüben. Die Tiere werden vor Ort mit einer Kleinwaffe getötet, sie können gegessen werden.

In Westniedersachsen teilen sich Verbände und Landkreise die Kosten. Letztere schießen bis 40 000 Euro zu. In den Niederlanden schlage die Bekämpfung bereits mit 35 Millionen Euro zu Buche. Zur Einordnung: Rund 65 Millionen investiert Niedersachsen jährlich in den Küstenschutz. Das Land habe die Gefahr erkannt – und den Muttertierschutz aufgehoben. Notwendig sei ein gemeinsames Vorgehen aller Unterhaltungs- und Deichverbände und der Landkreisverwaltung.

Dr. Martin Wenzel (Kreisjägerschaft Stade) sieht kreisweit einen Bedarf von mindestens 50 Fallen, die –  mit Blick auf die Reproduktionsrate – möglichst noch im April aufgestellt werden sollten.

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