TObstbauern schreiben Brandbrief an künftige Bundesregierung

Die Erhöhung des Mindestlohns könnte den Erdbeeranbau an der Niederelbe schädigen. Foto: Vasel
Es ist eine eindringliche Warnung an die Koalitionäre von Union und SPD. Vor allem die Genossen stehen im Fokus der Kritik. Darum.
Altes Land. Die SPD macht Druck. Die Sozialdemokraten wollen, dass der Mindestlohn im kommenden Jahr automatisch auf 15 Euro steigt. Nicht nur das Handwerk, sondern auch der Obstbau geht auf die Barrikaden. Der Bundesvorsitzende der Fachgruppe Obstbau, Jens Stechmann aus Jork, hat für den Bundesausschuss Obst und Gemüse einen Brandbrief an die Führungsspitze von CDU/CSU und SPD geschrieben und die Politiker aufgefordert, im Zuge der Koalitionsverhandlungen eine Sonderregelung für Saisonarbeitskräfte zu schaffen. Dafür hatte sich bereits Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) aus Baden-Württemberg bei der Konferenz der Agrarminister starkgemacht.
Die deutschen Obstbauern fürchten um ihre Zukunft. „Wir sind alle erschrocken“, sagt der Landesvorsitzende Claus Schliecker aus Guderhandviertel. Bei einer Erhöhung auf 15 Euro pro Stunde würden die Produktionskosten massiv steigen, „so dass eine rentable Produktion in Deutschland vielerorts kaum möglich sein wird - mit entsprechenden Konsequenzen für die inländische Lebensmittelproduktion“. Auch in Ost- und in Südeuropa seien die Mindestlöhne deutlich gestiegen. „Doch sie liegen noch deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland“, sagt Stechmann. In Polen liegt dieser bei 7,08 Euro, in Bulgarien bei 3,02 Euro und in der Türkei bei 3,75 Euro.
Um ein weiteres Einbrechen der heimischen Produktion zu verhindern, müsse es Ausnahmen geben. Seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 ist dieser für die landwirtschaftlichen und die gartenbaulichen Betriebe von 7,40 Euro um 73 Prozent auf 12,82 Euro gestiegen. Hinzu komme: Kosten für Pflanzenschutz und Energie hätten sich um bis zu 45 Prozent verteuert.
Handel und Verbraucher zahlen nicht mehr
Der Anteil der Lohnquote für Arbeitskräfte beispielsweise bei Freilanderdbeeren und Einlegegurken liegt bei 55 Prozent. Selbst kleinste Lohnsteigerungen sorgen für einen erheblichen Anstieg der Produktionskosten. „Diese Mehrkosten lassen sich nicht an den Lebensmitteleinzelhandel beziehungsweise die Verbraucher weitergeben und werden derzeit von Erzeugern und Verarbeitern getragen“, sagt Stechmann.
Gleichzeitig stehen die heimischen Betriebe mit ihren Produkten in direkter Konkurrenz mit günstiger produzierter Ware aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland. Bereits heute sei eine Verlagerung der Produktion von Obst und Gemüse ins europäische und außereuropäische Ausland zu beobachten. Der Anbau von Himbeeren und Erdbeeren sei rückläufig. Er verweist auf Corona-Zeit und Ukraine-Krieg, die Ernährungssouveränität sei in Gefahr. Regionaler Obstbau trage zur Ernährungssicherheit bei. Schließlich liege der Selbstversorgungsgrad beim Obst lediglich bei 20 Prozent, beim Apfel noch bei 65 Prozent.
Bei weiter steigenden Lohnkosten werden weitere Obst- und Gemüsebaubetriebe in Deutschland die Produktion aufgeben. Die damit einhergehende Verlagerung der Produktion ins Ausland hätte „negative Konsequenzen für Umwelt- und Klimaschutz, Verbraucher und Beschäftigte“. Zu diesem Ergebnis kommt auch die 2023 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Auftrag gegebene Situationsanalyse des Obst- und Gemüsesektors durch das Thünen-Institut.
„Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Mindestlohn, unsere Festangestellten verdienen in der Regel deutlich mehr“, sagt Stechmann. Um ein weiteres Einbrechen der heimischen Produktion zu verhindern, müsse eine gesetzliche Ausnahme geschaffen werden. Diese sollte nur für kurzfristig Beschäftigte aus dem In- und Ausland gelten.