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Ernährung

TPflanzenschutzmittel fehlt: Obstbau ist Blutlaus schutzlos ausgeliefert

Apfelernte im Alten Land: Aktuell decken die Preise die Produktionskosten nicht.

Apfelernte im Alten Land: Aktuell decken die Preise die Produktionskosten nicht. Foto: Vasel

Die Obstbauern schlagen Alarm. Wichtige Pflanzenschutzmittel fehlen, der Mindestlohn treibt die Produktionskosten hoch. Die Bundesfachgruppe Obstbau setzt auf Berlin.

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Von Björn Vasel
Freitag, 12.12.2025, 09:50 Uhr

Jork. „Im nächsten Jahr wird den Betrieben ein wichtiges Pflanzenschutzmittel fehlen“, warnte der Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau, Joerg Hilbers, bei einer Landvolkversammlung im Fährhaus Kirschenland in Jork-Wisch. Die Rede ist von der Apfelblutlaus.

Keine wirksamen Mittel gegen Blutlaus

Diese ist ein gefürchteter und wirtschaftlich bedeutender Schaderreger. Im schlimmsten Fall ist der Apfel unverkäuflich, sagt der Bundes- und Landesvorsitzende der Fachgruppe Obstbau, Claus Schliecker aus Guderhandviertel. Professor Dr. Roland Weber vom Obstbauzentrum Esteburg in Moorende verweist auf die Verschmutzung der Früchte bei einem massiven Befall durch Wachs- und Honigtauausscheidungen - einhergehend mit einem Pilzbefall.

Gefährlicher Sauger: Das Foto zeigt einen stärkeren Blutlausbefall in einer Obstplantage im Alten Land.

Gefährlicher Sauger: Das Foto zeigt einen stärkeren Blutlausbefall in einer Obstplantage im Alten Land. Foto: Weber/Esteburg

Damit nicht genug: Die Sauger schwächen auch den Baum. Wuchsdepressionen, krebsartige Veränderungen an Zweigen und Ästen sowie Kleinfruchtigkeit - all das gehe auf das Konto der Apfelblutlaus. Äste und Zweige können absterben. Wenn ein Erzeuger diesen Schädling nicht wirksam bekämpfen könne, seien „Ertragseinbußen von 20 bis 30 Prozent keine Seltenheit“. Auch die Rodung ganzer Apfelplantagen drohe. Millionenwerte könnten vernichtet werden.

Joerg Hilbers und Claus Schliecker bei der Versammlung der Fachgruppe Obstbau im Fährhaus Kirschenland in Jork-Wisch (von links).

Joerg Hilbers und Claus Schliecker bei der Versammlung der Fachgruppe Obstbau im Fährhaus Kirschenland in Jork-Wisch (von links). Foto: Vasel

Schließlich sei zur Bekämpfung ab 2026 kein chemisches Pflanzenschutzmittel mehr zugelassen - in Deutschland und Europa. Natürlichen Gegenspielern, wie beispielsweise der Blutlauszehrwespe, und biologischen Insektiziden mangele es an der Wirksamkeit. Angesichts steigenden Schädlingsdrucks, begünstigt auch durch den Klimawandel, benötigten Obstbaubetriebe wirksame, rechtzeitig verfügbare Mittel.

Immer weniger Wirkstoffe seien verfügbar. So sank die Zahl chemischer Insektizide seit 2015 um 44 Prozent. Die 100-prozentige Zunahme biologischer Mittel mache sich allein auf dem Papier gut, die Bekämpfungsmöglichkeiten von Apfelblutlaus & Co. seien dadurch nicht erweitert worden, so Hilbers mit Verweis auf die Engpassanalyse des staatlichen Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR).

Das liege auch an der äußerst restriktiven Zulassungspraxis von EU und Bund. Der Rückgang der Genehmigungen habe sich seit Inkrafttreten der Pflanzenschutzmittelverordnung 1107 von 2009 verschärft. Hinzu kam der Green Deal der Europäischen Union. In Brüssel ist das Ziel ausgegeben worden, chemischen Pflanzenschutz, unabhängig von der wissenschaftlichen Bewertung einzelner Wirkstoffe - bis 2030 zu halbieren.

Obstbauern setzen auf den Ministerpräsidenten

Schliecker bedauerte, dass die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) mit ihren grünen Amtskollegen aus Bremen und Hamburg den Obstbauern auf der Agrarministerkonferenz im September 2025 in den Rücken gefallen sei - und verhindert habe, dass den 500 Betrieben an der Niederelbe wirksame Mittel zur Verfügung stehen.

Im Januar will Schliecker das Gespräch mit Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) suchen. Aktuell, so der Eindruck des obersten deutschen Obstbauers, habe das Land kein Ohr für ihre Sorgen und Nöte. Vielleicht seien 5000 Betriebe und eine Wertschöpfung von 1,2 Milliarden Euro für die Politik zu gering, doch für die Ernährungssicherheit seien sie unverzichtbar.

Forderungen an die Politik in Berlin

Mit der schwarz-roten Bundesregierung in Berlin und vielen Bundesbehörden gebe es einen guten Austausch, so Hilbers. Allerdings gebe es in vielen wichtigen Fragen noch keinen Durchbruch. Sie verwiesen auf das Thema Mindestlohn.

Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) stehe hinter den Bauern, doch das Ministerium von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sehe keine rechtliche Möglichkeit für eine Ausnahmeregel für Saisonarbeiter. Die Bundesfachgruppe setze deshalb auf ein unter anderem von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten.

Die Produktionskosten sind in den vergangenen fünf Jahren um 23 Prozent gestiegen, zum 1. Januar 2026 steigt der Mindestlohn um 8,42 Prozent auf 13,90 Euro. 2027 soll dieser auf 14,60 Euro angehoben werden - plus 5,04 Prozent.

„Die Erhöhung der Produktionskosten können wir nicht kompensieren“, sagte der Bundesvorsitzende. In der Saison 2024/2025 und in der Saison 2023/2024 lagen die Erzeugerpreise für Tafelobst (Klasse 1) „noch leicht über den Produktionskosten“. Aktuell liegen die Produktionskosten bei 62 Cent pro Kilo. Doch die Erzeuger bekommen im Schnitt weniger als 55 Cent vom Handel für ihre Äpfel - zu wenig, um die Kosten zu decken und Geld für Zukunftsinvestitionen zurücklegen zu können.

Die Obstbauern wollen in Gesprächen mit dem Bund erreichen, dass der Mindestlohn bei 12,82 Euro pro Stunde eingefroren wird - und zukünftig in der Saisonarbeit in den ersten drei Monaten maximal 80 Prozent des Mindestlohns gezahlt werden. Des Weiteren wollen sie erreichen, dass auch Erntehelfer aus Asien und Afrika eingesetzt werden dürfen und eine steuerfreie Risikorücklage für Extremwetterereignisse gebildet werden darf.

Auch machen sie sich für ein Programm stark, mit dem in den kommenden fünf Jahren alte, pflanzenschutzintensive Apfelsorten gegen resistente Apfelsorten - unter anderem widerstandsfähig gegen den Schorfpilz - ausgetauscht werden. Kostenpunkt: 30 Millionen Euro für fünf Millionen Bäume. Außerdem fordern sie weiter eine Flächenprämie ab 2028 von 1500 Euro pro Hektar. Schliecker: „Wir sehen das als Entgelt für die Maßnahmen des Obstbaus zur Förderung der Biodiversität.“

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