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Schifffahrt

TPleiten, Pech und Pannen: Saugbagger frisst Steuergelder statt Schlick

Der bei der zwischenzeitlich insolventen Pella Sietas-Werft in Neuenfelde auf Kiel gelegte Saugbagger „Osteriff“ wird bei Blohm + Voss in Hamburg fertiggestellt.

Der bei der zwischenzeitlich insolventen Pella Sietas-Werft in Neuenfelde auf Kiel gelegte Saugbagger „Osteriff“ wird bei Blohm + Voss in Hamburg fertiggestellt. Foto: Vasel

Die Fahrrinne und der Hamburger Hafen verschlicken. Das Ausbaggern der Elbe kostet den Steuerzahler mehr als 200 Millionen Euro im Jahr. Doch der bei Sietas gebaute Saugbagger des Bundes liegt immer noch in der Werft. Der Bund der Steuerzahler übt Kritik.

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Von Björn Vasel
Dienstag, 21.11.2023, 14:00 Uhr

Neuenfelde. Der Saugbagger ist wieder in den Schlagzeilen. Allerdings nicht, weil Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das bereits 2018 bei der Pella Sietas-Werft in Neuenfelde auf Kiel gelegte 132 Meter lange Schiff endlich getauft hat. Die „Osteriff“ hat es in das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler (BdSt) geschafft. Bei der Kostenexplosion werden Steuerzahler eine Schnappatmung bekommen, so der BdSt.

Ursprünglich sollte der Bagger mit einem Ladevolumen von 7500 Kubikmeter 95 Millionen Euro kosten. Mittlerweile rechnet die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) mit 142 Millionen Euro. Eigentlich sollte die „Osteriff“ seit 2019 auf der Elbe unterwegs sein. Stattdessen liegt der letzte Neubau der 1635 gegründeten Sietas-Werft seit Juni 2021 zur Endausrüstung bei Blohm + Voss in Hamburg.

Dichtungen und Schläuche müssen komplett ausgetauscht werden

Aktuell werden Bordanlagen und Schiffsräume komplettiert. Die bei Sietas eingebauten Maschinen und Pumpen können laut WSV weiterverwendet werden. Allerdings müssen diese aufgrund der langen Standzeit teils aufwendig instandgesetzt werden. Gummidichtungen oder Hydraulikschläuche müssen komplett ausgetauscht werden. Die Indienststellung ist für 2025 geplant.

Der BdSt-Landesvorsitzende für Niedersachsen und Bremen, Bernhard Zentgraf, hält den Weiterbau für falsch. „Pleiten, Pech und Pannen begleiten den Bau und werden für die Steuerzahler zu einer immer schwereren Bürde“, sagt Zentgraf. Er hatte bereits im Januar im TAGEBLATT den Weiterbau kritisiert und ein neues Baggerkonzept für die Elbe und eine Hafenkooperation Hamburgs mit Wilhelmshaven gefordert.

Der Bau des Saugbaggers stand zu keinem Zeitpunkt unter einem guten Stern. Aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten hielten sich die Zulieferer und Subunternehmer zurück, auf der Pella Sietas-Werft lief wenig. Im Juni 2021 musste das Schiff von Neuenfelde nach Hamburg verholt werden. Bei einem Endausbau vor Ort hätte die „Osteriff“ aufgrund starker Verschlickung die Werft an der Este nicht mehr verlassen können.

Wasser- und Schifffahrtsverwaltung weist Kritik zurück

Pella Sietas, seit 2014 gehörten die Altländer zur Pella Shipyard aus Russland, stellte schließlich im August 2021 den Insolvenzantrag. Im Dezember desselben Jahres einigte sich der Insolvenzverwalter Dr. Achim Ahrendt mit dem Bund und der Lürssen-Gruppe über den Weiterbau, damit die „Osteriff“ nicht zum Wrack wird. Laut Ahrendt hätte eine Neuausschreibung „wesentlich länger gedauert“ und „deutlich höhere Kosten verursacht“.

Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Bonn weist die Kritik des Steuerzahlerbundes zurück. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sei zu Unrecht im Schwarzbuch an den Pranger gestellt worden. „Bei einer Aufgabe des Projektes wären die bereits verausgabten 79 Millionen Euro verloren gewesen“, sagt die WSV-Sprecherin Claudia Thoma. Das unfertige Schiff hätte innerhalb der Insolvenzmasse nur noch Schrottwert gehabt.

Wirtschaftlicher Verlust könnte bei knapp 250 Millionen Euro liegen

Sie geht davon aus, dass die im Bundeshaushalt verankerten 142 Millionen Euro für die Fertigstellung „auskömmlich sind“. Doch die Summe bilde den Gesamtschaden nicht ab, so die Kritiker. Der Sachverständige und frühere Technische Leiter beim Wasser- und Schifffahrtsamt, Jürgen Grzeskowiak, teilt die Auffassung des BdSt. Der Cuxhavener geht davon aus, dass der wirtschaftliche Verlust bei knapp 250 Millionen Euro liegen wird. Denn die bundeseigene „Osteriff“ hätte seit 2019 baggern sollen.

Ganz bewusst hatte der Bund sich neben der „Nordsee“, dem alten Laderaumsaugbagger, für einen zweiten entschieden, um unabhängiger von Fremdfirmen zu werden. Stattdessen holen Niederländer und Belgier tagtäglich den Schlick für den Bund aus der Fahrrinne - für viel Geld. Der Steuerzahler werden für den „Osteriff“-Ausfall unterm Strich noch einmal 90 Millionen Euro auf den Tisch legen müssen, so Grzeskowiak.

Ursächlich für verzögerte Indienststellung und Mehrkosten „ist die Insolvenz“, sagt Thoma. Das zusätzliche Geld fließt nicht nur ins Schiff. Von den 47 Millionen seien 12 Millionen Euro dem Insolvenzverfahren zuzuordnen. Damit nicht genug: Fachleute halten große Laderaumsaugbaggerschiffe wegen immer längerer Fahrtstrecken bis zur Verklappung des Elbschlicks, teilweise bis in die Nähe von Helgoland, laut Zentgraf „mittlerweile für unwirtschaftlich“. Auch die Antriebstechnik sei veraltet. Sinnvoller wäre eine WSV-Flotte aus kleineren Baggern und Baggergut-Transportschiffen. Nach der Fertigstellung der „Osteriff“ will der Bund den Bau weiterer Saugbagger prüfen. Zentgraf klagt: „Trotz des Debakels scheinen Alternativen beim Staat nicht hoch im Kurs zu stehen.“

Weil der Bund den eigenen Saugbagger „Osteriff“ nicht nutzen kann, verdienen Unternehmen wie Van Oord mit dem Schlickbagggern viel Geld - aus der Steuerzahlerkasse.

Weil der Bund den eigenen Saugbagger „Osteriff“ nicht nutzen kann, verdienen Unternehmen wie Van Oord mit dem Schlickbagggern viel Geld - aus der Steuerzahlerkasse. Foto: Vasel

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