TStimmen verstummen: Einer der ältesten Vereine im Landkreis Stade aufgelöst
Dieses Foto mit den Mitgliedern der Horneburger Liedertafel entstand Anfang des 20. Jahrhunderts. Foto: Privat (Archiv)
Die Horneburger Liedertafel gehörte zu den ältesten Vereinen im Kreis. Das Aus nach 185 Jahren kam nicht unerwartet. Eine gute Nachricht gibt es dennoch.
Horneburg. An dem Aus der Horneburger Liedertafel ist auch Corona schuld. „Mit Corona hat sich alles verändert. Plötzlich waren wir nur noch elf aktive Sängerinnen“, sagt Karin Brandt. Sie war zwischen 2011 und 2019 Vorsitzende und sang erstmals 2007 bei der Liedertafel. Nach Corona habe sich der Chor - wie viele andere auch - schwergetan, „wieder gut singen zu können“.
Treue Mitglieder - aber keine neuen Sänger zu finden
Die Liedertafel war in den letzten Jahren geschrumpft - wegen Krankheiten wie Corona. Ihr Altersdurchschnitt lag bei mindestens 70 Jahren. Einige Sänger waren über 85 Jahre alt.
Positiv, sagt Brandt: Von den aktiven und passiven Mitgliedern waren viele schon lange dabei. Auch die 2. Vorsitzende Gisela Glodde hielt der Liedertafel seit 1978 die Treue. Brandt und der Chor merkten: „Neue Mitglieder zu finden, war unmöglich.“
Gute Nachricht für Grundschüler
Die Liedertafel hatte noch „hohe Ansprüche wie zu Zeiten mit Arno de Vries“ - der Dirigent leitete den Chor 30 Jahre lang ab 1982. Anspruch und Realität passten nicht mehr. „Sobald jemand ausfiel, war an schönes Liedgut nicht mehr zu denken und wir mussten uns mit einfacheren Liedern begnügen“, sagt Brandt.
Der Versuch, mit einem anderen Chor zusammen zu singen, scheiterte. „Die Mitglieder des anderen Chors hatten sich eigentlich auf unser Liedgut gefreut, doch es gab immer wieder nur neue Kanons“, sagt Brandt. Es harmonierte untereinander nicht wie gedacht.
Das Geld aus der Vereinskasse spendete die Liedertafel an die Grundschule Horneburg und ist für den Musikunterricht bestimmt. Brandt sagt, das Restgeld sei „zum Zweck der sozialen Musikpflege“ vorgesehen. So steht es in der Satzung der Liedertafel. Von der 2000-Euro-Spende kann sich die Grundschule neue Instrumente gönnen. Die symbolische Scheckübergabe erfolgte auf dem Horneburger Herbstmarkt.

Stellvertretend für die Liedertafel übergaben die 2. Vorsitzende Gisela Glodde (Zweite von links) und Kassenwartin Karin Richter Schulleiterin Sabine Folster (links) den Check auf dem Herbstmarkt. Fleckenbürgermeister Jörk Philippsen moderierte. Foto: Meyer
Liedertafel war anfangs reiner Männerchor
In den ersten 100 Jahren erlebte der Chor Höhen und Tiefen. Rathjens Gasthof in der Langen Straße war am 4. November 1840 Geburtsort des Gesangsvereins. Der Horneburger Lehrer D. Fick dirigierte damals den Chor, einen Männerchor, in dem 21 junge Männer sangen.
Die Anfänge waren eine Bewährungsprobe. Fast hätte die Liedertafel nicht einmal bis zum zehnjährigen Bestehen überlebt. 1847 fehlten dem Gesangsverein die Mitglieder. Eine Auflösung lag nahe. Doch Vereinstreue schweißte die Sänger zusammen und wendete das frühe Aus ab.
In der Folgezeit wurde eine neue Ära eingeleitet. Als Fick nach einem halben Jahrhundert abdankte und Johann Leue 1891 den Dirigentenstab übernahm, kam die Revolution: Erstmals durften auch Frauen im Chor singen.
1936 verstummte der Chor bis in die Nachkriegszeit. Ertönen ließ ihn wieder der Lehrer Erich Jahnke aus Bliedersdorf im Jahr 1947.
„Tolle“ und streitresistente Gemeinschaft
Das Singen mit der Liedertafel war für Karin Brandt „Balsam für die Seele“. Die Singstimme wurde bei der Liedertafel vielfältig trainiert, zum Beispiel mit Atem- und Körperübungen. Besonders unter dem ausgebildeten Musiker de Vries hat Brandt viel gelernt.
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Unter ihm sei der Chor „ein sehr guter Chor“ gewesen, der die Gemeinschaft und den Gesang gelebt habe. Die ehemalige Vorsitzende erinnert sich an eine „tolle Gemeinschaft“ ohne Streitereien. Kein Chormitglied habe es auf die Goldwaage gelegt, wenn einer mal eine andere Meinung hatte.

2019: Damals sangen noch 18 aktive Mitglieder jede Woche in der Grundschule Horneburg unter der Leitung von Tobias Merkens (rechts). Foto: Privat (Archiv)
Ob auf Weihnachtsmärkten oder ein Opernabschnitt mit professioneller Klavierspielerin: „Die Momente, in denen wir Konzerte gegeben haben, waren sehr schön“, sagt Brandt. Auch das 175-jährige Jubiläum 2015 hält sie in guter Erinnerung.
Eine Art Abschiedsfeier sei (noch) nicht geplant - aber im kommenden Jahr ein Grünkohlessen in Stechmanns Gasthof. Gesungen wird nicht mehr gemeinsam, aber gegessen: Alle zwei Monate treffen sich ehemalige Mitglieder zum Stammtisch, um sich wiederzusehen.
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