Vermisster Arian: Erneut „leise Strategie“ für Nachtsuche - Anzahl der Helfer wird aufgestockt

Einsatzfahrzeuge der Bundeswehr treffen ein, um in der Nacht auf Sonntag die Suche nach dem vermissten Arian fortzusetzen. Vier Allschutz-Transport-Fahrzeuge ATF Dingo 2 und zwei Geschütz Führungs- und Funktionsfahrzeuge vom Typ Eagle IV sind an der Suche beteiligt. Foto: Lars Penning/dpa
Vermisster Adrian aus Elm: Am Samstag ist die Suche fortgesetzt worden - doch bislang ohne Erfolg. Nun wird die Zahl der Helfer aufgestockt. In der Nacht auf Sonntag wird weitergesucht. Einen wichtigen Hinweis gibt es für Landwirte.
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Bremervörde. (Update: 20.50 Uhr)
Suche wird in der Nacht auf Sonntag fortgesetzt
Die Suche nach dem sechsjährigen Arian aus Bremervörde-Elm in Niedersachsen ist bis zum Samstagabend erfolglos geblieben.
„Durch die Suchmaßnahmen konnten immer wieder Spuren aufgefunden werden. Ob diese mit dem Vermisstenfall zusammenhängen, wird akribisch geprüft, konnte aber bisher nicht abschließend geklärt werden“, sagt Polizeisprecher Rainer Bohmbach am Samstagabend.
Für die Nacht auf Sonntag sei nun zum zweiten Mal eine „leise“ Strategie vorgesehen, um den vermissten Jungen eventuell dazu zu bringen, sich zu zeigen. Mit dieser Strategie suchten bereits in der vergangenen Nacht rund 200 Soldaten der Bundeswehr in kleinen Gruppen und mit Nachtsichtgeräten nach dem Jungen. Eine Polizeisprecherin hatte am Freitagabend erklärt, die neue Taktik sei unter anderem auch mit einer Expertin für Autismus besprochen worden.
Am Sonntag sollen rund 800 Einsatzkräfte von Bundeswehr, Feuerwehr, Hilfsorganisationen und THW nach dem Jungen suchen - und damit mehr als je zuvor, wie ein Sprecher am Abend ankündigte. Die Helfer werden demnach eine Suchkette bilden. Zehn Drohnen sollen aufsteigen
Landwirte aus den Bereich Elm und Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten sollen Mäharbeiten einstellen
Landwirte werden aufgrund der aktuellen Personensuche nach dem vermissten Arian dringend gebeten, in einem Radius von 15 Kilometern um die Ortschaft Elm und auch in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten von Mäharbeiten auf den Feldern abzusehen, meldet die Einsatzleitstelle für Rettungsdienst und Feuerwehr meldet über die App Katwarn. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der vermisste Junge dort Zuflucht gesucht hat.

Katwarn-App: Landwirte sollen Mäharbeiten auf Feldern unterlassen. Foto: Feuerwehr Bremervörde
Fluss Oste ist zwischen Neuhaus und Bremervörde gesperrt
Am Samstag wurde weiter entlang des Flusses Oste, jedoch auch erneut rund um Elm gesucht. Die Bundeswehr durchkämmte beidseitig die Ufer von Ostewehr in Richtung Norden, berichtet die Polizei bei Instagram. An manchen Orten müsse mehrfach nachgeschaut werden, sagte der Sprecher.
„Es ist durchaus möglich, dass sich der Junge auch hin und her bewegt. Was gestern negativ war, kann heute positiv sein.“ Gleichzeitig ziehe sich die Suche bereits weit in den Landkreis Stade.
Die Oste sei derzeit für die Öffentlichkeit zwischen Neuhaus und Bremervörde gesperrt, teilte die Polizei bei Instagram mit. Ein Befahren sei aufgrund der Sperrung nicht möglich. Von einer eigenständigen Suche bittet die Polizei weiter abzusehen.

Soldaten der Bundeswehr durchsuchen derzeit die Osteufer auf der Suche nach Arian. Die Polizei warnt derweil vor „Fake-News auf Tiktok“. Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Botschaften der Mutter an das vermisste Kind abgespielt
Bei der Suche nach dem vermissten sechsjährigen Arian aus Elm sind Botschaften seiner Mutter abgespielt worden. Darin erlaubt sie ihm, sich an Einsatzkräfte zu wenden, wie die Ergotherapeutin Jutta Bertholdt am Samstag der dpa berichtete. Bertholdt berät die Helfer während der Suche.
Der seit Montagabend vermisste Arian ist Autist und könne ohne die Erlaubnis einer Vertrauensperson vor einer Kontaktaufnahme mit Einsatzkräften zurückschrecken. Menschen mit Autismus seien Regeln vergleichsweise wichtig, sagte Bertholdt. Ihr zufolge soll Arians Mutter entsprechende Botschaften aufgezeichnet haben. Mehrere Medien berichteten.
Bertholdt hatte den Einsatzkräften geraten, Arian nicht anzufassen, sollten sie ihn finden. Autisten könnten Berührungen von Fremden als unangenehm oder schmerzhaft empfinden, sagte Bertholdt. Das sei aber nicht immer so. Die Ergotherapeutin lobte die Einsatzkräfte. Es werde an allen Orten gesucht, was richtig sei. Es könne sein, dass Arian als Autist anders als Altersgenossen keine Angst vor etwa dem dunklen Wald habe.

Die Oste ist derzeit für die Suche nach dem vermissten Arian gesperrt. Auch die DLRG Ortsgruppen aus Stade und Horneburg-Altes Land waren bereits in Bremervörde im Einsatz (Symbolbild). Foto: DLRG Stade
Polizei: Private Drohnenflüge sind „strengstens untersagt“
„Es ist strengstens untersagt, private Drohnen in den Luftraum des Einsatzbereichs fliegen zu lassen“, heißt es weiter. Diese Aktionen würden die Rettungsarbeiten stören und die Effizienz der Suche gefährden Verstöße werden konsequent geahndet. Auch bittet die Polizei darum, von Suchtourismus abzusehen.
Warnung vor „Fake-News auf Tiktok“
Die Rotenburger Polizei berichtet von vermehrten Hinweisen auf „Fake-News auf Tiktok“. Der Account verbreite möglicherweise gefälschte Nachrichten. Nutzer sollen „falsche oder irreführende Inhalte“ sofort bei der Plattform Tiktok melden, rät die Polizei.
„Auf gar keinen Fall“: Suche nach Arian wird nicht eingestellt
Weniger Kräfte bei der Suche einzusetzen oder diese nach mehreren Tagen einzustellen, ist laut Polizei weiterhin keine Option. „Auf gar keinen Fall“, betonte die Sprecherin.
Ein Lebenszeichen von dem Kind gab es allerdings weiterhin nicht. „Die Hoffnung bei den Einsatzkräften ist noch enorm hoch“, sagte Polizeisprecherin Sara Mehnen. „Wir wissen aber, dass die Zeit gegen uns spielt.“

Auch in Estorf im Kreis Stade untersuchen Retter Gräben und Rohre. Foto: Philipp Schulze/dpa
Spezialist untersucht die Kanalisation auf Verstecke
Am Freitagnachmittag nahmen die Einsatzkräfte auch Rohre um den Wohnort des Jungen ins Visier. Ein Spezialist des Technischen Hilfswerks (THW) hatte die Umgebung am Freitag auf mögliche Verstecke insbesondere an Kanälen und Gräben an Feldern in dem Gebiet geprüft. „Der hat sich hier in diesen Bereichen nochmal die Kanalisation angeschaut, hat geguckt, in welchen Bereichen denn Möglichkeiten wären, dass sich ein Mensch darin verstecken könnte“, sagte Polizeisprecherin Sara Mehnen. Kräfte des Technischen Hilfswerks und der Feuerwehr untersuchten diese Orte am Freitagnachmittag.
Hunderte Einsatzkräfte durchkämmen seit Tagen die Gegend rund um Elm, dem Heimatort des Sechsjährigen. Angesichts der niedrigen Temperaturen der vergangenen Tage ist die Suche zu einem Wettlauf gegen die Zeit geworden. Eine Überwachungskamera hatte den Jungen dabei gefilmt, wie er nach dem Verschwinden aus seinem Elternhaus in Richtung eines angrenzenden Waldes lief. Nach Angaben der Polizei ist Arian Autist und reagiert nicht auf Ansprachen.

Auch im Kreis Stade geht die Suche nach dem sechsjährigen Arian aus Bremervörde am Samstag weiter. Foto: Polizei
Vermisster Arian (6)
T „Da sollten wir noch mal nachsehen“: Suchtrupps im Kreis Stade geben nicht auf
Dorfbewohner sollen nur noch mitsuchen, wenn sie dazu aufgefordert werden
„Liebe Elmer, Ihr seid aufgefordert, bei der Suche nach Arian zu unterstützen!“ Doch die Dorfbewohner sollen mittlerweile nur suchen, wenn sie dazu aufgefordert werden, sagt der Mann. Das habe mit den Spürhunden zu tun. Man soll die Fährte nicht zerstören. Auf dem Zettel, der an mehreren Stellen in Elm hängt, steht auch: „Bitte durchsucht in regelmäßigen Abständen intensiv nur Eure Grundstücke.“ Die Dorfbewohner beteuern gleich, man mache das, keine Frage.
Es ist eine Suche unter erschwerten Bedingungen. Arian ist Autist. Er spricht nicht - und würde auf Zuruf von Fremden wahrscheinlich nicht reagieren. Auf Laufzetteln gibt es deshalb wichtige Hinweise für die Helfer. So sollen sie etwa den Namen des Jungen nicht rufen, weil er ängstlich reagieren und sich verstecken könnte. Helfer sollen auf Aufhäufungen achten, weil es möglich sei, dass sich der Junge, wenn er ruht, mit schwerem Material zudeckt.

Ein Bundeswehr-Hubschrauber fliegt auf der Suche nach dem vermissten Arian über die Landkreise Rotenburg und Stade. Die Suche geht auch am Samstag weiter. Foto: Markus Hibbeler/dpa
Sollten Helfer ihn finden, soll nur eine Person auf ihn zugehen, sich zu ihm hocken - und nicht anfassen. Auf keinen Fall solle gejubelt werden. Wenn er liegt, ihn in liegender Position lassen. „Medizinisch absolut notwendig“, heißt es.
Polizei, Rettungskräfte, Feuerwehr, auch aus dem Landkreis Stade, und die Bundeswehr sind vor Ort. Am Freitag konzentrierte sich der Einsatz auf die Gegend nordwestlich von Elm. Die Suche dort lief auch entlang des Flusses Oste. Groß ist die Sorge, dass der Junge ins Wasser gefallen sein könnte. Zudem waren die Retter abermals in dem Ortsteil. Schuppen und Garagen wurden durchsucht. Die Gemeinde hatte außerdem die für Freitag geplante Müllabfuhr abgesagt.
Vermisster Arian (6)
T „Da sollten wir noch mal nachsehen“: Suchtrupps im Kreis Stade geben nicht auf
Zugleich änderte die Polizei ihre Taktik in der Hoffnung, Arian lebend zu finden. „Wir haben wieder neue Suchkorridore eingerichtet und suchen dort, allerdings nicht mit den langen Polizei- oder Personenketten, sondern in kleineren Gruppen“, sagte Sprecher Heiner van der Werp. Das Kind ist nur mit einem längeren Pullover, einer Jogginghose und Socken bekleidet.
Erkenntnisse aus anderen Vermissten-Fällen
Helfen könnten den Einsatzkräften auch Erkenntnisse aus vergangenen Vermisstenfällen - darunter auch der Fall eines tagelang vermissten Achtjährigen aus Oldenburg 2022. Damals hatte sich ein geistig behindertes Kind in einem Kanalsystem verirrt. Ein Spaziergänger hatte nach acht Tagen Suche ein leises Wimmern aus einem Kanaldeckel gehört - nur wenige hundert Meter vom Elternhaus des Kindes entfernt. Der Junge wurde unverletzt gerettet.
„Wir haben Ermittler, die durchgehend die Spurenauswertung machen und sich natürlich auch andere Fälle angucken“, sagte Polizeisprecherin Mehnen. Dazu zähle auch dieser Fall aus Oldenburg. Auch eine Expertin für Autismus, die die Polizei bei der Suche nach Arian berate, habe sich speziell zu diesem Fall informiert.
Bereits in der Nacht zu Freitag hatte die Polizei einige Aktionen durchgeführt, um die Aufmerksamkeit des kleinen Jungen zu erregen. So seien mit sogenannten Skybeamern Lichtkegel an den nächtlichen Himmel geworfen worden. „Auf so etwas reagiert der Junge möglicherweise positiv“, sagte der Polizeisprecher. Über Lautsprecher seien bis zum frühen Morgen auch Kinderlieder im Suchgebiet abgespielt worden.
Arians Eltern haben diese Bitte
Die Polizei teilt einen Aufruf von Arians Eltern in den sozialen Medien, in dem sie sich bei den Helfern bedanken. „Wir glauben, dass Arian sich auf Weg gemacht hat, um ein großes Abenteuer zu erleben, und das er sich nicht nur hier in Elm, sondern auch in den Gemeinden Estorf, Kranenburg, Oldendorf, Burweg bis nach Hechthausen bewegen und verstecken könnte,“ schreiben sie.
„Daher bitten wir die Anwohner der Gemeinden Estorf, Kranenburg, Oldendorf, Burweg bis nach Hechthausen weiterhin mehrmals täglich ihre Grundstücke, Schuppen, Gärten, Plätze mit Stoh oder Heu und andere Orte, an denen sich Arian versteckt haben könnte, regelmäßig zu durchsuchen.
In unserer letzten Nachricht haben wir bereits erwähnt, dass auch ungewöhnliche Orte, wie Misthaufen, große Rohre oder Dachböden in Frage kommen.
Wenn ihr Überwachungskameras habt, bitten wir euch auch, diese Aufnahmen regelmäßig zu prüfen. Vielleicht seht ihr Arian auf euren Aufnahmen oder Anzeichen eines vermehrten Wildwechsel, der auf Arians Anwesenheit hindeuten könnte.
Unter Bäumen, bei Laubhaufen oder auf Baustellen
Wer in der Umgebung von Elm, Behrste, Hude, Gräpel, Estorf, Oldendorf, Brobergen, Kranenburg, Blumenthal, Bossel, Burweg und Hechthausen spazieren geht, kann auch in den Wäldern, unter Bäumen, bei Laubhaufen oder auf Baustellen nach Arian Ausschau halten.
Wenn ihr in der Umgebung von Elm, Behrste, Hude, Gräpel, Estorf, Oldendorf, Brobergen, Kranenburg, Blumenthal, Bosssel, Burweg und Hechthausen mit dem Auto unterwegs seid, fahrt bitte langsam und vorsichtig und haltet in der Gegend Ausschau nach Arian.
Arian ist ein sportlicher, geschickter kleiner Junge mit fantastischen Instinkten.
Er kann sehr gut klettern und hat viel Energie, weshalb er auch weite Strecken zurücklegen oder einen Hochsitz erklimmen könnte.
Um sich zwischendurch auszuruhen, kommen viele der bereits beschriebenen Orte für Arian in Frage, und da er sich wahrscheinlich nicht bemerkbar machen kann oder wird, müssen wir weiter gemeinsam nach ihm suchen.
Wir versuchen natürlich auch, ihn aus einem Versteck zu locken, und haben Luftballons, Süßigkeiten und Trinkflaschen in der Umgebung verteilt. Auch ein Feuerwerk haben wir für Arian veranstaltet, in der Hoffnung, dass er diese Dinge sieht und aus einem Versteck hervorkommt.
Wenn ihr Arian seht oder einen Hinweis habt, der uns helfen könnte, dann würden wir uns freuen, wenn ihr das Bürgertelefon unter den Nummern 04761/74 89 135 oder 04761/74 89 144 anruft.“ (dpa/fe/tip)

Einsatzfahrzeuge der Bundeswehr treffen ein, um in der Nacht auf Sonntag die Suche nach dem vermissten Arian fortzusetzen. Vier Allschutz-Transport-Fahrzeuge ATF Dingo 2 und zwei Geschütz Führungs- und Funktionsfahrzeuge vom Typ Eagle IV sind an der Suche beteiligt. Foto: Lars Penning/dpa

Soldaten der Bundeswehr suchen auf einem Feld nach dem vermissten Sechjährigen aus Elm. Ein dringender Aufruf richtet sich an Landwirte. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Ehrenamtliche Einsatzkräfte der Feuerwehr bereiten sich am Samstag auf die Suche nach Arian vor. Auch im Kreis Stade wird nach dem vermissten Jungen gefahndet. Foto: Philipp Schulze/dpa