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24-Stunden-Reportage

T345 Tonnen schwerer Koloss bei Buxtehude: Hier wird das Bahngleis neu gemacht

Friederike Schrödter (27) von der DB InfraGO ist die leitendende Bauüberwacherin bei den Gleisarbeiten zwischen Buxtehude und Neugraben. Die Hamburgerin hat Bauingenieurwesen studiert.

Friederike Schrödter (27) von der DB InfraGO ist die leitendende Bauüberwacherin bei den Gleisarbeiten zwischen Buxtehude und Neugraben. Die Hamburgerin hat Bauingenieurwesen studiert. Foto: Thoams Sulzyc

In diesen Wochen verlangt eingeschränkter Bahnverkehr dem Fahrgast von und nach Buxtehude - mal wieder - viel ab. Doch das hat einen guten Grund: Die Bahngleise werden modernisiert. Das passiert auf der Baustelle.

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Von Thomas Sulzyc
Donnerstag, 04.07.2024, 19:00 Uhr

Buxtehude. Überall in Deutschland ist das Eisenbahnnetz veraltet. Im Jahr 2024 werde deshalb kräftig gebaut, kündigte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bereits zum Jahresanfang an. Mit der neuen Infrastrukturgesellschaft InfraGO bei der Deutschen Bahn sollen bis 2030 die Versäumnisse vergangener Jahrzehnte bei der Modernisierung des Bahnnetzes nachgeholt werden.

Maschine auf dem Gleis wiegt 345 Tonnen

Auch bei Buxtehude baut zurzeit die Deutsche Bahn. Im Kleinen zwar - aber mit einem beeindruckenden Protagonisten: Um 10 Uhr bewegt sich die gewaltige Bettungsreinigungsmaschine RM 900S auf dem Gleis in Höhe des Bahnübergangs Ovelgönner Heuweg vorbei. Im Schneckentempo, denn der gelbe Stahlkoloss mit 21 Achsen wiegt 345 Tonnen und ist mitten bei der Arbeit.

Das Bahninfrastrukturunternehmen Spitzke SE mit Sitz in Großbeeren bei Berlin nutzt die Maschine, um im Auftrag der Deutschen Bahn auf der sechs Kilometer langen Strecke zwischen Buxtehude und Hamburg-Neugraben den Schotter unter den Gleisen zu reinigen und teilweise zu ersetzen. Zuvor wurde bereits das Gleisbett auf drei Kilometer Länge zwischen Neugraben und Neuwiedenthal erneuert.

Der Schotter stabilisiert das Gleis

Die Technik leistet den kompletten Schotteraustausch in einem Arbeitsgang: Auf der einen Seite kommt der alte Schotter rein, auf der anderen kommt er gereinigt und neu geschärft wieder heraus. In einer Siebanlage, die auch Teil des Zuges ist, wird der Schmutz entfernt und die Steine werden wieder scharfkantig gemacht, bevor sie zurück unter die Gleise geschüttet werden.

Die Bettungsreinigungsmaschine bringt neuen Schotter auf das Gleis auf. Mindestens 20 Jahre wird das spitzkantige Material das Gleis stabilisieren.

Die Bettungsreinigungsmaschine bringt neuen Schotter auf das Gleis auf. Mindestens 20 Jahre wird das spitzkantige Material das Gleis stabilisieren. Foto: Thomas Sulzyc

„Schotter stabilisiert die Gleise“, erklärt die Bauingenieurin Friederike Schrödter, warum das wichtig ist. Die 27-Jährige aus Hamburg von der DB InfraGO ist die leitende Bauüberwacherin für das Projekt. 20 bis 40 Jahre beträgt die durchschnittliche Lebensdauer eines Gleisbettes. In dieser Zeit nagen Regen und Wind an den Steinen. Bremsstaub und Pflanzen verschmutzen das Gleisbett. Das verringert die Tragfähigkeit und Festigkeit mit der Zeit.

Gleisbaumaschine namens Heinrich der Starke in Buxtehude

Im Anschluss an die sogenannte Bettreinigung wird die Gleisbaumaschine mit dem Namen Heinrich der Starke direkt aus der Wartung nach Buxtehude kommen und an vier Tagen den Gleisneubau vollenden. Die Maschine kann automatisch die alten Gleise aufnehmen und ein neues Gleis auf die Bahnschwellen ablegen.

Die 110 Meter lange Bettungsreinigungsmaschine bewegt sich in Höhe Ovelgönne auf dem Bahngleis in Richtung Neugraben. Auf einer sechs Kilometer langen Strecke erneuert sie den Schotter.

Die 110 Meter lange Bettungsreinigungsmaschine bewegt sich in Höhe Ovelgönne auf dem Bahngleis in Richtung Neugraben. Auf einer sechs Kilometer langen Strecke erneuert sie den Schotter. Foto: Thomas Sulzyc

Aus dem Jahr 1986 stammt das Gleis, das bei Buxtehude erneuert wird. Es gilt als wenig belastet, weil meist S-Bahnen und Personenzüge, also Züge mit verhältnismäßig wenig Gewicht, darauf fahren. In diesem Fall sei der Neubau nach 38 Jahren nicht ungewöhnlich. „Eine durchschnittliche Lebensdauer“, sagt Friederike Schrödter.

Maschine und Wagen bilden 694 Meter langen Zug

Indes sammelt die Bettungsreinigungsmaschine ausgesiebtes Schottermaterial. Über Förderbänder gelangt es in Wagen, die zusammen mit der Maschine einen Zug bilden. Bei dem Einsatz in Buxtehude bilden Maschine und Wagen einen 694 Meter langen Zug, sagt Dennis Kannegießer. Der 27-Jährige trägt Ohrenschutz, ist als Bauleiter beim Unternehmen Spitzke SE für die Gleisbaumaschine zuständig. Mit lautem Grollen arbeitet sich die Maschine langsam voran.

Dennis Kannegießer lebt in Potsdam, ist auf Baustellen in ganz Deutschland unterwegs. Während seines Einsatzes bei Buxtehude übernachtet er im Ovelgönner Hof. Von 8 bis 18 Uhr dauert der Arbeitstag auf der Baustelle, die im Ein-Schicht-Betrieb läuft. Wie sieht der Feierabend aus? „Essen, vielleicht etwas Sport im Fitnessstudio, schlafen“, antwortet er.

Dennis Kannegießer aus Potsdam ist der Bauleiter der Bettungsreinigungsmaschine des Unternehmens Spitzke SE. Der 27-Jährige hat Bauingenieurwesen studiert.

Dennis Kannegießer aus Potsdam ist der Bauleiter der Bettungsreinigungsmaschine des Unternehmens Spitzke SE. Der 27-Jährige hat Bauingenieurwesen studiert. Foto: Thomas Sulzyc

Anschließend wird der Bauingenieur an der Riedbahn tätig sein. Die 70 Kilometer lange Bahnstrecke zwischen Frankfurt (Main) und Mannheim ist der erste von 41 sogenannten Korridoren in ganz Deutschland, die die Deutsche Bahn im Rahmen ihrer Generalsanierung bis 2030 modernisieren will.

Gleisneubau kostet 8,5 Millionen Euro

Die Kosten für die Gesamtmaßnahme bei Buxtehude betragen nach Angaben der Deutschen Bahn rund 8,5 Millionen Euro. 11.000 Tonnen Neuschotter wurden zur Baustelle transportiert. Was am Ende davon verbaut wird, hängt davon ab, wie viel Altschotter zur Wiederverwendung bearbeitet werden kann. 10.000 Schwellen und zwölf Kilometer Schienen verbaut die Deutsche Bahn.

Die Baustelle bei Buxtehude gilt im Vergleich zur Riedbahn als kleiner Fisch. Dass die Bettungsreinigungsmaschine mit der größtmöglichen Zusatzwagenlänge zum Einsatz kommt, hat einen Grund: „Wir wollen den Bahnverkehr trotz des Baustellenbetriebs aufrechterhalten“, sagt Friederike Schrödter. Ohne die volle Kapazität des gelben Kolosses auszuschöpfen, wäre das nicht möglich gewesen.

Der Bahnbetrieb entlang der Baustelle ist zwar stark eingeschränkt - aber immerhin nicht aufgehoben. Bis voraussichtlich Freitag, 13. Juli, fahren die S-Bahn-Züge maximal im Stundentakt zwischen Neugraben und Stade. Zeitweilig ist am Tage und in den Abendstunden kein S-Bahn-Verkehr möglich. Manchmal verkehren Busse zwischen Neugraben und Buxtehude und teilweise bis Stade. Bis voraussichtlich Donnerstag, 12. Juli, fallen einzelne Regionalzüge von Start Unterelbe zwischen Stade und Hamburg-Harburg aus.

Ohrenbetäubendes Signal warnt Arbeiter

Ein automatisches Warnsystem schützt die Beschäftigten auf der Baustelle und die Bahnreisenden in den vorbeifahrenden Zügen gleichermaßen vor einem Unfall. Rund 60 Menschen sind täglich auf der Baustelle zwischen Buxtehude und Neugraben beschäftigt, zum Beispiel Poliere, Bauleiter oder Logistiker.

Bevor ein S-Bahn-Zug die Baustelle passiert, stoßen Warnsignalgeber einen ohrenbetäubenden Sirenenton aus. Menschen, die nahe an den Bahngleisen in Buxtehude leben, kennen das.

240 Warnsignalgeber entlang der Baustelle

Die gelben, auf Metallstativen befestigten Kästen entlang der Bahnstrecke zwischen Buxtehude und Neugraben dürften Fahrgästen der S-Bahn aufgefallen sein. In 20 bis 25 Meter Abstand stehen sie, insgesamt rund 240 Stück. Sie warnen die Arbeiter vor herannahenden Zügen.

Wenn sich ein S-Bahn-Zug der Gleisbaustelle nähert, stoßen die Warnsignalgeber laute Töne aus. 240 dieser gelben Kästen stehen entlang der Baustelle.

Wenn sich ein S-Bahn-Zug der Gleisbaustelle nähert, stoßen die Warnsignalgeber laute Töne aus. 240 dieser gelben Kästen stehen entlang der Baustelle. Foto: Thomas Sulzyc

Immer wenn ein S-Bahn-Zug, eine Regionalbahn oder ein Güterzug sich nähert, ertönt das Signal. In diesen Fällen unterbrechen die Menschen auf der Baustelle ihre Tätigkeit und treten in Sicherheitszonen zurück.

Bahnfahrer müssen noch mal Geduld aufbringen

Geplant ist, dass die Baustelle Mitte Juli endet. Dennoch werden Pendler und Ausflugsgäste ein zweites Mal von Sperrungen auf der Bahnstrecke zwischen Buxtehude und Neuwiedenthal betroffen sein. Etwa sechs Wochen nach Abschluss der Baustelle sind Nacharbeiten vorgesehen. „Um nachzustopfen“, wie eine Bahnsprecherin erklärt. Bei der Nachstopfung wird der neu eingebrachte Schotter erneut verdichtet, damit die Gleislage besonders lange stabil ist. Die Arbeiten werden voraussichtlich nachts stattfinden, um den Zugbetrieb nicht zu stören.

Dann aber, so die Erwartung, werden Bahnreisende auf dem modernisierten Gleis mindestens 20 Jahre Ruhe vor Bautätigkeit haben. Ruhe auch im wahrsten Sinne des Wortes: „Die Gleislage wird besser. Die Wagen laufen ruhiger“, sagt Friederike Schrödter.

Bis dahin dauert es noch etwas: Nach einer Stunde um 11 Uhr hat der gelbe Koloss gerade einmal 180 Meter zurückgelegt.

Friederike Schrödter (27) von der DB InfraGO ist die leitendende Bauüberwacherin bei den Gleisarbeiten zwischen Buxtehude und Neugraben. Die Hamburgerin hat Bauingenieurwesen studiert.

Friederike Schrödter (27) von der DB InfraGO ist die leitendende Bauüberwacherin bei den Gleisarbeiten zwischen Buxtehude und Neugraben. Die Hamburgerin hat Bauingenieurwesen studiert. Foto: Thoams Sulzyc

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