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TAbenteuer auf der Brigg Roald Amundsen: 47 Frauen trotzen der See

Jeder Arbeitstag auf dem Schiff verlangte der Crew viel Kraft und Schweiß ab.

Jeder Arbeitstag auf dem Schiff verlangte der Crew viel Kraft und Schweiß ab. Foto: Piper Verlag GmbH/Jessica Benjatschek

Seefahrt ist Männersache? Mitnichten. Jessica Benjatschek segelte nur mit Frauen über den Atlantik. Was sie erlebte, erzählt sie im Schloss Agathenburg.

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Von Steffen Buchmann
Dienstag, 29.07.2025, 15:50 Uhr

Agathenburg. Wie fühlt es sich an, einen fast 50 Meter langen Zweimaster über den Atlantik zu steuern? Jessica Benjatschek weiß es. Am 27. Dezember 2022 segelte die Journalistin als Teil einer rein weiblichen Crew von den Kanarischen Inseln bis in die Karibik. Als sie nach vier Wochen wieder von Bord ging, war die damals 28-Jährige nicht mehr dieselbe.

„Ich hatte mit dem Meer vorher nichts am Hut“, gesteht Jessica Benjatschek. Aufgewachsen in einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, lebt sie nach einer Zwischenstation in Stade inzwischen mit ihrem Ehemann und ihrer Hündin in der Wingst. Sie sei schon immer sehr naturverbunden gewesen, habe gerne Spaziergänge durch den Wald unternommen und den Vögeln gelauscht. Ihre erste Berührung hatte sie durch einen Arbeitsauftrag, für den sie einen mehrtägigen Segeltörn über die Ostsee begleitete. Seitdem ließ sie ein Gedanke nicht mehr los: „Wie wäre es, länger auf einem Segelschiff zu sein?“ Im Dezember 2022 sollte sich die Gelegenheit für Jessica Benjatschek ergeben.

Ein merkwürdiger Abschied

Unter dem Kommando von Berufskapitänin Cornelia „Conni“ Rothkegel stach die Brigg Roald Amundsen mit insgesamt 47 Seefrauen kurz nach Weihnachten von Teneriffa aus in See Richtung Martinique. Der Abschied von ihrer Familie habe sich für Jessica Benjatschek merkwürdig angefühlt. „Sie verabschiedeten sich, als würde ich nie wiederkommen“, sagt sie.

Für die freie Journalistin war der Segeltörn ein prägendes Erlebnis.

Für die freie Journalistin war der Segeltörn ein prägendes Erlebnis. Foto: Piper Verlag GmbH/Anja Gessenhardt

Die Segelfahrt begann für Benjatschek mit einer Überraschung. „Ich habe vorher gedacht, ich werde nicht seekrank“, sagt sie. Doch an Bord überkam sie kurz nach dem Ablegen die Übelkeit. Etwas Gutes habe das jedoch gehabt. Denn während es ihr schlecht ging, sei eine Gruppe von Delfinen hinter dem Schiff aufgetaucht. „Meine Kolleginnen haben mir fürs Anlocken gedankt“, sagt Benjatschek und lacht. Und für die Seglerin sollte es nicht die letzte Begegnung mit einem Meeressäuger bleiben.

Keine Zeit zum Bücherlesen

Der vierwöchige Segeltörn hat die Crew eng zusammengeschweißt. „Wir waren wie eine Schicksalsgemeinschaft“, sagt Jessica Benjatschek. Die Crew übernahm alle Aufgaben selbstständig in drei Wachen, auch Nautikunterricht stand auf dem Dienstplan. Frauen zwischen 19 und 67 Jahren packten an Bord des Zweimasters mit an. „Am Anfang haben alle gedacht, es wird langweilig und jede hatte sich fünf Bücher eingepackt“, erinnert sie sich. Doch zum Lesen blieb kaum Zeit, die harte Arbeit habe der Crew alles abverlangt.

Vom Hafen auf Teneriffa aus startete Jessica Benjatschek auf der Brigg Roald Amundsen ihre Reise.

Vom Hafen auf Teneriffa aus startete Jessica Benjatschek auf der Brigg Roald Amundsen ihre Reise. Foto: Piper Verlag GmbH/Anke Schreiber-Fischer

Bevor sie die Reise antrat, bekam Jessica Benjatschek gemischte Rückmeldungen aus ihrem Umfeld: „Viele meinten: Also, ich würde das nicht machen.“ Sie vermutet, dass das auch mit Vorurteilen wegen der rein weiblichen Crew zusammenhing. Doch davon ließ sie sich nicht ausbremsen. Einen prägenden Eindruck hinterließ die Kapitänin auf sie; „eine sehr weise Frau“, sagt Benjatschek.

Plötzlich: „Wal an Steuerbord“

Der schwerste Moment, in dem sie die Reise am liebsten abgebrochen hätte, ereignete sich nachts. „Ich bin auf dem Schiff schlafgewandelt“, erzählt Benjatschek. In ihrer Kindheit sei das regelmäßig passiert, aber als Erwachsene habe sie nur manchmal im Schlaf geredet. „In diesem Moment wollte ich einfach nur nach Hause“, sagt sie heute. Der Kontrollverlust habe sie stark mitgenommen. Nach diesem Tiefpunkt erlebte sie ihren wohl schönsten Augenblick auf dem Törn. „Wal an Steuerbord“ rief plötzlich jemand. Und tatsächlich: Ein Zwergwal schwamm neben der Brigg Roald Amundsen. „Ich war so dankbar für diesen Moment“, sagt Jessica Benjatschek.

Auf dem Törn begegnete die Crew unerwartet einem Wal.

Auf dem Törn begegnete die Crew unerwartet einem Wal. Foto: Piper Verlag GmbH/Karoline Karohs

In ihrem Buch „Freiheit, Wind und Mut“ (EAN: 978-3-89029-588-6, erschienen im Malik Verlag) rekapituliert Jessica Benjatschek die Reise auf der Brigg Roald Amundsen mit allen Höhen und Tiefen. Am 1. August um 19 Uhr berichtet die Autorin von ihrer Reise im Konzertsaal von Schloss Agathenburg. Tickets gibt es online unter www.schlossagathenburg.de.

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