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Richter im AWZ

TAbschied von den Abfall-Helden: „Oft war es zum Weinen“

Auf dem Erinnerungsbild mit den AWZ-Mitarbeitern sind von links zu sehen: Sandra Geerdes, TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter, Rainer Schuran, Sebastian Gröschl, Nickels Schulze, Tobias Güldenpfennig und Heiko Rüsch. Es fehlt Kerstin Harms.

Auf dem Erinnerungsbild mit den AWZ-Mitarbeitern sind von links zu sehen: Sandra Geerdes, TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter, Rainer Schuran, Sebastian Gröschl, Nickels Schulze, Tobias Güldenpfennig und Heiko Rüsch. Es fehlt Kerstin Harms. Foto: AWZ-Kunde

Nach ihrem Praktikum beim Abfallwirtschaftszentrum hat TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter einen anderen Blick auf Müll. Ihr Fazit ist positiv - aber nicht nur.

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Von Anping Richter
Freitag, 08.08.2025, 19:35 Uhr

Buxtehude. „Na, hast du dir nach dem Abfallhof schon ordentlich die Hände gewaschen?“, hat mich ein alter Bekannter gefragt, den ich nach Feierabend am Lühe-Anleger an der Pommesbude getroffen habe. Natürlich habe ich das! Und möchte klarstellen: Wohl niemand wäscht sich die Hände so oft wie die Kollegen im AWZ.

Hygiene ist hier ein ganz wichtiges Thema. Handseife, Handcreme und Sonnenmilch stehen überall bereit. Zusätzlich zu den Waschräumen der Männer und Frauen gibt es noch ein Extra-Waschbecken im Flur. Die orange Arbeitskleidung verlässt den Hof nicht. Sie werfen sie direkt vor Ort in die Waschmaschine. Alle haben mindestens drei bis vier Garnituren.

Im Abfallzentrum wird Sauberkeit groß geschrieben

„Das Autofenster beim Parken auf dem Hof lieber nicht offen lassen.“ Das hat Kerstin Harms mir eingeschärft, weil der Wind oft Wolken von feiner, schwarzer Komposterde verweht. Einmal habe ich vergessen, die Jacke auszuziehen, als ich zum Frühstück in die Küche ging - uiuiui. Dabei steht es auf einem Zettel an der Tür.

Eine von vielen Waschgelegenheiten im AWZ: im Flur zwischen Kassenraum und Küche.

Eine von vielen Waschgelegenheiten im AWZ: im Flur zwischen Kassenraum und Küche. Foto: Richter

„Geh nicht durch die Schranke an der Waage, sonst kriegst du sie noch an den Kopf“, hat Sebastian gesagt. Wenn ein Auto auf die Waage fährt, geht sie nämlich automatisch runter. Damit es auch Analphabeten kapieren, steht der Warnhinweis in Bildern direkt auf der Schranke. Ich habe dafür ein paar Tage gebraucht, sorry.

Danke für Kaffee, Brötchen und Vertrauen

In der Frühstückspause - danke für Kaffee, Brötchen und Vertrauen - hatten wir die nettesten Gespräche. Das werde ich vermissen. Und die Atmosphäre morgens, wenn nur die Vögel zu hören sind - und die Kehrmaschine, mit der Rainer die letzten Runden dreht, bevor die Kunden um acht Uhr kommen.

Eigentlich will Tobias Güldenpfennig morgens als Erster da sein. „Aber Sandra kann ich nicht toppen“, sagt der Anlagenleiter, der um 7 Uhr anfängt. Sie kommt schon um 6.15 Uhr. Freiwillig? „Oh, ja.“ Ihr Mann muss ohnehin früh raus.

Sandra genießt es, in Ruhe an Wald und Kornfeldern entlang zur Arbeit zu fahren und alles vorzubereiten. Am liebsten sieht sie den V-förmigen Zügen der Wildgänse nach, die über das AWZ in Richtung Ovelgönner Baggersee fliegen, während sie Unkraut rupft.

Die Pflege der Anlage und der Arbeitsgeräte sind Teil des Jobs. Mindestens einmal pro Woche reinigt Rainer die Radlader mit dem Hochdruckstrahler. Gewaschen werden die Fahrzeuge auf einer Waschplatte, unter der ein Fettabscheider liegt.

Dort steht auch der Dieseltank. Abdelkadeer Ali von der Tankstelle Hoyer in Wilhelmsburg fährt am Freitagmorgen mit 11.000 Litern Diesel im Tank auf den Hof. Das AWZ ist sein zweiter Kunde, acht werden es heute insgesamt sein. 1000 Liter soll er hier lassen. Mika Kroker von Remondis, der zum Kompostsieben vor Ort ist, tankt den Rest aus dem AWZ-Tank noch in seinen Radlader, damit er die Menge komplett fassen kann.

Vom Geschäft mit dem Abfall leben viele

Hinter dem Abfallgeschäft stecken eine Menge Arbeit, eine anspruchsvolle Logistik - und viele Privatfirmen, die daran Geld verdienen. Die soeben von Nehlsen übernommene Karl Meyer AG aus Wischhafen zum Beispiel, die 2026 und 2027 noch bis 31. Dezember 2027 mit der Abfuhr von Hausmüll, Biomüll und Sperrmüll im Landkreis beauftragt ist. Danach wird die Müllabfuhr erneut ausgeschrieben.

Meyer war am Donnerstag schon um 7 Uhr da, um den vollen Restabfall-Container abzuholen, gegen 7.30 Uhr brachte ein anderer Fahrer einen neuen Container. Mit der Abholung und Verwertung von Druckerpatronen, Altmetall, Bauschutt und anderem sind ebenfalls spezielle Firmen beauftragt. Dass die Rücknahme von Elektrogeräten den Herstellern obliegt, die sie meist delegieren, hatte ich ja bereits erwähnt.

Der Strom des Abfalls fließt immer weiter

So gut es mir im AWZ gefallen hat: Oft war es zum Weinen, und zwar angesichts dessen, was die Menschen alles wegwerfen. Jeden Tag, immer wieder. Und mal abgesehen vom Umwelt-Aspekt: Das kostet doch Geld!

Unzählige Dinge hätte ich mitnehmen wollen, zuletzt einen völlig intakten, gefüllten Werkzeugkoffer. Leider ist das ja nicht erlaubt. Wenn es mit der angedachten Tausch-Ecke klappt, bin ich die erste Kundin.

Natürlich blutet auch den AWZ-Kollegen bei so etwas das Herz. Erst heute Morgen lag ein antiker Schrank im Sperrmüll, der in einem Antiquitätengeschäft besser aufgehoben gewesen wäre. Und der kleine Cocktailsessel aus den 50er-Jahren hätte unter dem Label „Mid-Century“ als Vintage-Stück bei Ebay sicher Chancen gehabt. „Müssen Möbel wirklich dauernd ausgetauscht werden?“, fragt Kerstin.

Alltag im AWZ: Antikes im Abfall.

Alltag im AWZ: Antikes im Abfall. Foto: Richter

Alles, was weggeworfen wird, müsse schließlich auch neu produziert und irgendwann wieder entsorgt werden, und das verbraucht Ressourcen. „Wir sind Sortierweltmeister. Das allein heißt aber noch gar nichts“, sagt sie. Der Abfall, das zeigt auch die Statistik, wird insgesamt nämlich nicht weniger.

Offenbar Berufskrankheit: Ein Herz für alte Dinge

An Heiko Rüsch liegt das nicht. „Ich kaufe mir sowieso nichts“, sagt er und zeigt als Beweis sein Nokia-Handy. Zugegeben, das hat er gekauft - allerdings schon 2008. Am Rand sind starke Abnutzungsspuren zu sehen. „Ich benutze es auch als Getränkeöffner“, erklärt er und beklagt sich, dass der Akku inzwischen nur noch drei Tage reicht: „Früher war es eine Woche.“

Es mag berufsbedingt sein, dass viele AWZ-Mitarbeiter privat ein Herz für alte Dinge haben: Sebastian hat noch einen Plattenspieler und hört darauf gern alte Phil-Collins-Scheiben. Rolands Bildschirmschoner ist das Foto eines 70er-Jahre-Röhrenfernsehers, der hier mal abgegeben wurde - Marke Roland. Und Rainer, der ganz in der Nähe wohnt, kommt bei schönem Wetter manchmal mit seinem alten Ford-Dexta-Traktor von 1965 zur Arbeit.

Wer hier arbeitet, kann wohl einfach nicht anders, als jeden Tag wieder über die Wohlstands- und Wegwerfgesellschaft nachzudenken, die diesen ganzen Abfall erzeugt.

Manche Funde platzieren die AWZ-Mitarbeiter dekorativ auf den Mauern - wie diese Müll-Madonna.

Manche Funde platzieren die AWZ-Mitarbeiter dekorativ auf den Mauern - wie diese Müll-Madonna. Foto: Richter

Mika Kroker tankt seinen Radlader mit Resten aus dem AWZ-Tank voll, damit Abdelkadeer Ali von der Tankfirma Hoyer ihn mit 1000 Litern Diesel befüllen kann.

Mika Kroker tankt seinen Radlader mit Resten aus dem AWZ-Tank voll, damit Abdelkadeer Ali von der Tankfirma Hoyer ihn mit 1000 Litern Diesel befüllen kann. Foto: Richter

Serie: Richter im AWZ

Auch in diesem Sommer absolviert TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter wieder eine Praktikumswoche an einem spannenden Ort. Die erste absolvierte sie 2022 im Kiosk Am Sande in Stade, heuerte danach auf der Elbfähre an und im vergangenen Jahr am Lühe-Anleger. Diesmal ist es eine Woche in Orange: Im Abfallwirtschaftszentrum Buxtehude-Ardestorf bekommt sie spannende Einblicke und berichtet täglich von ihren Erlebnissen.

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