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TArbeitsmarkt: Ohne Ausländer funktioniert die Wirtschaft im Kreis Stade nicht

Unentbehrlich: Eine ausländische Arbeitskraft in einer Fabrik in Sachsen.

Unentbehrlich: Eine ausländische Arbeitskraft in einer Fabrik in Sachsen. Foto: Jan Woitas/dpa

Ohne Menschen mit ausländischem Pass hätte die deutsche Wirtschaft noch mehr Probleme als ohnehin schon, ihre freien Stellen zu besetzen. Ohne sie geht es nicht - das machen die Zahlen der Agentur für Arbeit für das Jahr 2023 deutlich.

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Von Lars Strüning
Samstag, 03.02.2024, 09:50 Uhr

Stade. In Deutschland entstehen immer mehr sozialversicherungspflichtige Jobs. Bundesweit sind es 46 Millionen, im Bezirk Stade etwa 178.000. Sie alle zu besetzen, ist für Firmen und Agentur ein Kraftakt. „Wir werden ohne Zuwanderung den Arbeitskräftebedarf nicht decken können“, sagt Dagmar Froelich als Chefin der Agentur für Arbeit im Bezirk Stade.

So spielen Menschen mit ausländischem Pass eine immer wichtigere Rolle, um neue oder frei werdende Stellen zu besetzen. Ein Beispiel: 2011 waren am Zuwachs auf dem Arbeitsmarkt zu 21 Prozent Ausländerinnen und Ausländer beteiligt. 2022 waren es 67 Prozent. Dagmar Froelich: „Ohne ausländische Kräfte wären wir ziemlich arm dran.“

Gedanken zur Abschiebung ergeben keinen Sinn

Wohlgemerkt: Es handelt sich um Menschen mit ausländischem Pass; Männer und Frauen mit deutschem Pass und Migrationshintergrund tauchen in dieser Statistik nicht auf. Das zeigt wiederum, wie widersinnig Gedankenspiele aus rechtsextremen Kreisen zur Abschiebung von Menschen mit Migrationsgeschichte im großen Stil sind.

Es klingt paradox: Parallel zu den offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt ist auch die Arbeitslosigkeit gestiegen, wenn auch nur leicht. Froelich vor dem Hintergrund von Ukraine-Krieg und Inflation: „Der Arbeitsmarkt im Bezirk zeigt sich widerstandsfähig und hat sich ganz gut gehalten.“ Zum Bezirk gehören die Landkreise Stade, Cuxhaven und Rotenburg.

Bei 5,2 Prozent lag die Arbeitslosenquote im Bereich der Stader Agentur 2023, das ist gegenüber dem Vorjahr (4,7 Prozent) zwar eine Steigerung, aber immer noch eine der Bestmarken seit der Wiedervereinigung. Im Schnitt waren etwa 16.000 Menschen arbeitslos gemeldet. Im Landkreis Stade waren es gut 5900 Arbeitslose (5,7%). Bei den Zahlen handelt es sich keineswegs um statische Größen.

36.000 neue Arbeitslose 2023 - 35.000 melden sich ab

So haben sich im Laufe des Jahres 36.000 Männer und Frauen bei der Agentur arbeitslos gemeldet, das entspricht 144 pro Tag. Parallel dazu haben sich 35.000 Menschen aus der Arbeitslosigkeit wieder abgemeldet, also 138 pro Tag. Dagmar Froelich: „Da ist Bewegung auf dem Markt.“

„Der Arbeitsmarkt im Bezirk zeigt sich widerstandsfähig“, sagt Dagmar Froelich, Chefin der Agentur für Arbeit im Bezirk Stade.

„Der Arbeitsmarkt im Bezirk zeigt sich widerstandsfähig“, sagt Dagmar Froelich, Chefin der Agentur für Arbeit im Bezirk Stade. Foto: ARBEITSAGENTUR

Auffällig ist die Steigerung bei den Ausländern. Sie betrug 38 Prozent, was auch an dem Zuzug von Flüchtlingen aus der Ukraine liege. In diesem Bereich müsse die Agentur dringend etwas tun - wie auch bei der Jugendarbeitslosigkeit, die um 17 Prozent wuchs. Im Bezirk waren es 1700 junge Menschen, im Landkreis 700, was wiederum eine Steigerung sogar um 20 Prozent bedeutet. „Das gefällt mir überhaupt nicht“, so Froelich.

Ein Grund: Viele junge Menschen könnten sich nicht entscheiden, wohin die Reise im Berufsleben geht, zögerten, ließen sich Zeit, jobbten erst einmal. Die Agentur-Chefin setzt auf die Jugendberufsagentur, die kurz vor der Gründung steht. Sie soll sich verstärkt um Orientierung bei den Jugendlichen kümmern, in der Schule, auf Messen, in Einzelgesprächen.

Viele ohne Arbeit sind beruflich nicht qualifiziert

Schwierig bleibt die Lage für Menschen mit geringer Qualifikation. Wer keinen Schul- oder Berufsabschluss hat, tut sich schwer, einen festen Job zu finden. 60 Prozent der Arbeitslosen haben keinen Berufsabschluss. Froelich: „Das sind zu viele.“

Im Schnitt braucht es 166 Tage, um einen freien Job wieder zu besetzen. Das sind mehr als fünf Monate. 5000 unbesetzte Arbeitsplätze standen in der Agentur-Statistik. Das betreffe „querbeet alle Branchen“, sagt Froelich. Für sie ist dieser Bereich „ein Top-Thema“ für 2024.

Mit Motivation finden auch Langzeitarbeitslose einen Job

Eine erfreuliche Entwicklung habe es auch bei den Langzeitarbeitslosen gegeben. Sie stellen mit 2500 Fällen 36 Prozent aller Arbeitslosen. Die Zahlen seien leicht rückläufig, die Menschen müssten intensiv betreut werden. Froelich: „Wenn Motivation vorhanden ist, kommt auch diese Gruppe in Arbeit.“

Das Jobcenter Stade bearbeitete 14.000 Anträge auf Bürgergeld und zahlte 50 Millionen Euro als Hilfe für den Lebensunterhalt aus.

10.000 Menschen beziehen über das Jobcenter Bürgergeld, etwa ein Drittel sind Ausländer. 2300 Menschen kommen aus der Ukraine, 1500 von ihnen wären erwerbsfähig, wenn sie der Sprache mächtig wären. Kurse zur Sprache und zur Integration liefen. Froelich hofft auf das Projekt „Job-Turbo“, das Menschen mit ausländischem Pass schnell in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft integriert.

Und wie geht es weiter 2024? „Der Markt ist geprägt von großer Unsicherheit“, sagt Froelich. Sie rechnet damit, dass Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel leicht steigen werden. Angebot und Nachfrage passen nicht immer zusammen.

Der Arbeitsmarkt im Bezirk zeigt sich widerstandsfähig.

Dagmar Froelich, Agentur für Arbeit

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