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Landgericht Stade

TBaggersee-Mord: Angeklagter will Stimmen von Außerirdischen gehört haben

Der Angeklagte im Baggersee-Mordprozess vor dem Landgericht Stade verdeckt sein Gesicht hinter Büropappe.

Das Foto zeigt den Angeklagten K. zum Prozessauftakt am Landgericht Stade. Er behauptet, Außerirdische hätten ihn zu seinem Bekennerschreiben bewegt. Inzwischen hat er es widerrufen. Foto: Sulzyc

Der Prozess um den Buxtehuder Baggersee-Mord wird immer abstruser. Im Mittelpunkt: das widerrufene Bekennerschreiben des Angeklagten. Höhere Wesen hätten ihn zu dem Geständnis gedrängt. Wie die Staatsanwaltschaft darauf reagiert.

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Von Thomas Sulzyc
Freitag, 19.04.2024, 05:50 Uhr

Buxtehude. Vor dem Landgericht Stade ist der Prozess gegen vier Männer, die wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt sind, fortgesetzt worden. Das Gericht verlas zwei sogenannte Bekennerschreiben, mit denen der Angeklagte K. das Gerichtsverfahren ausgelöst hatte. Der anschließende Widerruf wurde auch verlesen.

Nachdem in der Nacht zum 11. August 2002 ein 27-Jähriger erschossen in der Nähe eines Baggersees in Buxtehude-Ovelgönne aufgefunden worden war, geriet der heute 43 Jahre alte Angeklagte in Verdacht. Zu einer Gerichtsverhandlung kam es damals aber nicht.

22 Jahre nach der Tat kommt es zur Anklage

Annähernd 22 Jahre später wurde wegen der Bekennerschreiben doch noch ein Gerichtsverfahren eröffnet. Die Staatsanwaltschaft wirft K. und den drei weiteren Angeklagten vor, den damals 27 Jahre alten Mann gemeinschaftlich und heimtückisch ermordet zu haben.

Als der Angeklagte K. das erste Bekennerschreiben am 5. März 2023 verfasste, befand er sich wegen eines anderen Tatvorwurfs in Hamburg in Untersuchungshaft. Vor der 2. Großen Strafkammer verlas ein Richter das Schriftstück. Die Sätze sind nicht immer vollständig. Der Mann schilderte darin, dass er Schwierigkeiten habe, mit Menschen in Kontakt zu treten. Er habe deshalb keine Freunde.

Dann kommt in dem Schreiben der strafrechtlich wichtige Satz: „Ich habe einen Menschen getötet“, schrieb K. Bei der Tat sei er nicht allein gewesen. Zusammen mit seinen Kumpanen habe einen Mann in den Wald gelockt. Er spüre, dass er sich von dieser Schuld befreien müsse. Er habe angefangen, in seiner Zelle Stimmen zu hören und sei in eine Beobachtungszelle verlegt worden. Das Bild des getöteten Mannes habe er immer vor sich, schrieb K. noch. Und: „Es tut mir alles leid.“

Bekennerschreiben enthält Namen der Komplizen

Einen Tag später das zweite Bekennerschreiben: K. gesteht darin, den Mann damals mit drei Schüssen getötet zu haben. Er nennt die Namen der anderen drei Angeklagten. Sie seien an der Tat beteiligt gewesen. Die Stimmen der Außerirdischen sagten ihm, dass er ein Geständnis ablegen solle - sonst würden sie ihm etwas antun.

Mit einem Schreiben vom 7. September 2023 widerruft K. dann sein Bekenntnis. Er habe die zwei Briefe im März zwar geschrieben; die Tat habe er aber nicht begangen, steht darin. Woher er die Informationen zum Tatgeschehen erlangt habe, könne er nicht sicher sagen. Er gehe davon aus, dass sie ihm sein damaliger Rechtsanwalt mitgeteilt habe.

Bekenntnis unter Einfluss von Medikamenten?

Als Erklärung schreibt K.: Er habe ein Betäubungsmittelproblem. Zu der Zeit, als er die Bekennerschreiben verfasste, sei es ihm schlecht gegangen. Er habe begonnen, Stimmen zu hören. Er habe daraufhin Medikamente genommen mit der Folge, dass er keine Stimmen mehr hörte.

Der Baggersee-Mordprozess ist ein Beispiel für den schwierigen strafrechtlichen Umgang mit psychischen Erkrankungen. Taugen die zwei Bekennerschreiben trotz Widerrufs als Beweis? Rechtsanwälte der Angeklagten bestreiten das vehement: Details zur Tat, die nur ein Täter wissen könne, hätten die Bekennerschreiben nicht enthalten. „Alles bleibt total farblos und oberflächlich“, sagt Rechtsanwalt Nils Meyer-Abich. Seiner Meinung nach seien die Bekennerschreiben als Beweismittel untauglich.

„Glaubt die Justiz an Außerirdische?“, fragt Rechtsanwalt Florian Melloh. Erstaunlich sei, dass eine Große Strafkammer diese Schreiben überhaupt bemühe. K. sei mit Psychopharmaka behandelt worden und habe an akuten Halluzinationen gelitten. „Das Einzige, was Täterwissen ist, sind die Außerirdischen“, fügt Rechtsanwalt Benjamin Tauchau noch süffisant hinzu.

Prozess wird am 29. April fortgesetzt

Das psychische Bild des Angeklagten werde an weiteren Verhandlungstagen noch beleuchtet werden, kündigt der Vorsitzende Richter Julien Zazoff an. Der Prozess wird am Montag, 29. April, 9.15 Uhr, fortgesetzt.

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