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Landgericht Stade

TBaggersee-Mordprozess: Anwalt will Haftbefehl aufheben lassen

Der Angeklagte A. K. verdeckt zum Prozessauftakt am Landgericht Stade sein Gesicht hinter Büropappe. Sein Rechtsanwalt beantragt jetzt, den Haftbefehl aufzuheben.

Der Angeklagte A. K. verdeckt zum Prozessauftakt am Landgericht Stade sein Gesicht hinter Büropappe. Sein Rechtsanwalt beantragt jetzt, den Haftbefehl aufzuheben. Foto: Thomas Sulzyc

Das Bekennerschreiben, auf das sich die Anklage stützt, tauge nicht als Beweismittel. Der Angeklagte, der einen Mann erschossen haben soll, sei psychisch krank, argumentiert der Verteidiger. Nicht alle Prozessbeteiligten sehen das so.

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Von Thomas Sulzyc
Donnerstag, 13.06.2024, 18:05 Uhr

Buxtehude. Vor der 2. Großen Strafkammer am Landgericht Stade ist der Baggersee-Mordprozess gegen vier Männer, die wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt sind, fortgesetzt worden.

Im Mittelpunkt stand eine Bewertung der psychischen Verfassung des Angeklagten A. K., der vor 22 Jahren einen Mann am Baggersee in Buxtehude-Ovelgönne erschossen haben soll.

Mit einem Bekennerschreiben, auf das sich die Anklage stützt, hatte A. K. den Gerichtsprozess vor dem Landgericht Stade erst ausgelöst. Sein Bekenntnis hat er inzwischen widerrufen. Vor Gericht äußert er sich nicht, sitzt meist mit gesenktem Kopf auf seinem Stuhl. Wie alle Angeklagten macht er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Angeklagter könnte schizophren sein

Der Rechtsanwalt des Angeklagten A. K., der Strafverteidiger Dr. Andreas Mosenheuer, hat jetzt den Antrag gestellt, den Haftbefehl gegen seinen Mandanten aufzuheben. Er beruft sich dabei auf die Aussagen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Harald Schmidt vom 27. Mai vor dem Landgericht Stade. Dieser hatte den Verdacht diagnostiziert, dass A. K. an Schizophrenie erkrankt sei.

Der Sachverständige habe nicht ausschließen können, dass A. K. in seinem Bekennerschreiben Wahnvorstellungen geäußert habe, begründet Rechtsanwalt Mosenheuer seinen Antrag. Seine rechtliche Bewertung daraus: „Eine Verurteilung kann nicht auf Angaben aus dem Bekennerschreiben gestützt werden.“ Die Krankheit mache A. K. anfällig für Suggestionen.

Im Gefängnis zeigte sich A. K. depressiv, fand keine Freunde. Sein Mandant habe eine Erklärung für seine psychischen und sozialen Probleme gesucht. Die Antwort habe er möglicherweise in Scheinerinnerungen gefunden.

Dass dem Bekennerschreiben nicht zu trauen ist, davon ist auch Rechtsanwalt Siyamak Faghihi, der einen anderen Beschuldigten vertritt, überzeugt: „Schizophrenie ist kein Wahrheitsserum, sie verändert Wahrheit.“

Eine seelische Erleichterung hat dem Angeklagten das Bekennerschreiben offenbar nicht gebracht. Der Vorsitzende Richter Dr. Julien Zazoff verliest ein Scheiben vom 6. Juni zur psychischen Verfassung von A. K. in der Justizvollzugsanstalt. Demnach höre der Angeklagte weiter Stimmen, die ihn belasten. A. K. hatte bereits im vergangenen Jahr in seinem Bekennerschreiben geäußert, er höre Stimmen von Außerirdischen.

Was genau die Ursache für die psychische Belastung des Angeklagten A. K. ist, steht nicht fest. Der Sachverständige Dr. Harald Schmidt hat keinen direkten Zugang zu dem Angeklagten. Seine Einschätzung beruht auf Beobachtungen, Zeugenaussagen und Berichten.

Staatsanwalt will Haftbefehl beibehalten

Die Staatsanwaltschaft schließt nicht aus, dass das Bekennerschreiben doch die Wahrheit enthalten könnte. Sie spricht sich dafür aus, den Haftbefehl aufrechtzuerhalten. Die Begründung: Der dringende Tatverdacht sei weiterhin gegeben. Das Bekennerschreiber sei unauffällig und geordnet verfasst. Zudem habe der Angeklagte die Tat auch gegenüber der Abteilungsleiterin in der Justizvollzugsanstalt gestanden.

Ob der Haftbefehl aufgehoben wird, wird das Landgericht Stade noch entscheiden. Sollte das geschehen, wäre der Angeklagte A. K dennoch nicht auf freiem Fuß: Er sitzt zurzeit eine Haftstraße in einer anderen Sache ab. Juristen sprechen in solchen Fällen von Überhaft.

Zeugen erinnern sich nach 22 Jahren nicht mehr

Der Gerichtsprozess zu einer Tat, die 22 Jahre zurückliegt, gestaltet sich schwierig: Zeugen, die sich damals an dem Tag am Baggersee bei Buxtehude befanden, erinnern sich nicht mehr. Wo sie wann wen gesehen haben - die Erinnerungen sind verblasst.

Es bleiben Erkenntnisse wie diese: Eine 43 Jahre alte Zeugin weiß noch, dass das spätere Mordopfer am Baggersee russische Musik aus den 1980er Jahren gehört habe.

Offenbar erwartet die 2. Große Strafkammer dennoch zusätzliche Erkenntnisse im Baggersee-Mordprozess: Vier zusätzliche Prozesstage sind angesetzt. Ursprünglich sollte das Verfahren am 8. Juli enden. Jetzt wird das Urteil am 19. September erwartet.

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