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TWarum bedürftige Senioren die Buxtehuder Tafel meiden – und wie sich das ändern soll

Jürgen Karow leitet ehrenamtlich die Buxtehuder Tafel. Der frühere Airbus-Manager trägt Brot in die Ausgabestelle, das ein Bäckereibetrieb gespendet hat.

Jürgen Karow leitet ehrenamtlich die Buxtehuder Tafel. Der frühere Airbus-Manager trägt Brot in die Ausgabestelle, das ein Bäckereibetrieb gespendet hat. Foto: Thomas Sulzyc

Bei der Buxtehuder Tafel packen vor allem ältere Menschen als ehrenamtliche Helfer in den Ausgabestellen mit an. In der Kundschaft dagegen fehlt diese Zielgruppe weitgehend. Das will die Hilfsorganisation in diesem Jahr ändern.

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Von Thomas Sulzyc
Donnerstag, 18.01.2024, 08:50 Uhr

Buxtehude. Obwohl Einzelhandelsketten beim Wareneinkauf deutlich knapper kalkulieren und weniger Lebensmittel übrig bleiben: Bei der Buxtehuder Tafel geht niemand leer aus. Das unterscheidet das Hilfswerk von Hunderten anderen Tafeln in Deutschland, die sich gezwungen sehen, Wartelisten für die Aufnahme bedürftiger Menschen zu führen.

Das Engagement der Helferinnen und Helfer ist außergewöhnlich: Für sie herrscht zurzeit ein Aufnahmestopp. Mehr als 100 Ehrenamtliche sortieren Gemüse, Obst, Brot und andere gespendete Lebensmittel, um sie an Bedürftige auszugeben.

1100 Menschen unterstützt die Buxtehuder Tafel

Die Buxtehuder Tafel unterstützt 400 Haushalte, in den knapp 1100 Menschen leben. Zwei Ausgabestellen betreibt das Hilfswerk, in Buxtehude an der Hansestraße 1 und in Horneburg an der Bürgermeister-Löhden-Straße 6. Trägerin ist die Evangelisch-lutherische St.-Petri-Kirchengemeinde in Buxtehude.

Gut 80 der mehr als 100 Ehrenamtlichen sind zwischen 60 und 70 Jahre alt. Auch Einzelne in der Altersgruppe 80 und älter sind darunter. Während es also vor allem Senioren sind, die als ehrenamtliche Helfer in den Ausgabestellen anpacken, fehlt diese Zielgruppe weitgehend bei der Kundschaft. Das zu ändern, hat sich der Leiter der Buxtehuder Tafel, der 61 Jahre alte Jürgen Karow, in diesem Jahr zur Mission gemacht.

Kaum zehn Senioren suchen die Tafel auf

Viele ältere Menschen in Deutschland seien von Armut betroffen. Menschen mit niedrigen Renten, die Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. „Die Buxtehude Tafel suchen aber kaum zehn Senioren auf“, sagt Jürgen Karow. „Auffallend wenige im Vergleich zu dem, was wir täglich ausgeben.“

Bei der Buxtehuder Tafel dürfen Menschen, die ihre Bedürftigkeit nachgewiesen haben, alle 14 Tage Lebensmittel einkaufen. Sie zahlen ein geringes Entgelt, je nach Haushaltsgröße zwischen einem und drei Euro. Der Beitrag gilt der Wertschätzung - gegenüber den Lebensmitteln und den Ehrenamtlichen. Zwei bis drei große gefüllte Einkaufstüten erhalten die Kunden jeweils dafür.

50 bis 60 Prozent der Kunden seien laut Jürgen Karow Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Weitere 30 bis 40 Prozent machen Migranten aus, darunter viele Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan. Zehn Prozent seien Deutsche.

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sortieren gespendete Lebensmittel, um sie später an Bedürftige auszugeben. Die meisten der insgesamt 100 Ehrenamtlichen sind zwischen 60 und 70 Jahre alt.

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sortieren gespendete Lebensmittel, um sie später an Bedürftige auszugeben. Die meisten der insgesamt 100 Ehrenamtlichen sind zwischen 60 und 70 Jahre alt. Foto: Thomas Sulzyc

Notfalls isst jemand nur einen Joghurt am Tag

Senioren in der Kundschaft fehlten in allen Nationalitätengruppen. Den wichtigsten Grund dafür vermutet Jürgen Karow in der Mentalität. Senioren scheuen den Weg zur Tafel. „Sie denken, sie schaffen es irgendwie. Notfalls essen sie nur einen Joghurt am Tag.“

Scham sei ein Grund, warum armutsbetroffene ältere Menschen auf das Angebot der Tafel verzichten. „Sie möchten nicht von Nachbarn vor der Ausgabestelle gesehen werden“, sagt Jürgen Karow. „Wer zeigt schon gerne, dass er zu den Ärmsten gehört.“ Manchen sei wohl auch das Umfeld unangenehm, in einem Pulk mit vielen anderen Menschen zu stehen.

Jürgen Karow ist fest entschlossen, diese Mentalität zu ändern. Seit Mitte 2022 leitet er ehrenamtlich die Buxtehuder Tafel, hat im Ruhestand als Fahrer bei dem Hilfswerk angefangen. Der frühere Airbus-Manager gilt als strategischer Denker - und Workaholic. 20 Stunden pro Woche widmet er dem Ehrenamt.

Sein wichtigstes Projekt in diesem Jahr: Armutsbetroffenen Senioren die Scheu nehmen, die Tafel in Anspruch zu nehmen. Erster Schritt dazu wird ein Tag der offenen Tür am Mittwoch, 6. März, in der Ausgabestelle an der Hansestraße in Buxtehude.

„Wir möchten Senioren in Gesprächen deutlich machen, was es hier gibt und welche tollen Lebensmittel wir haben“, sagt Jürgen Karow. Den Mittwoch habe die Tafel gewählt, weil an diesem Tag keine Lebensmittel ausgegeben werden. Senioren und Ehrenamtliche seien dann unter sich.

Die Ausgabestelle der Buxtehuder Tafel befindet sich in der Hansestadt an der Hansestraße 1. Zudem betreibt die Hilfsorganisation eine Ausgabestelle in Horneburg.

Die Ausgabestelle der Buxtehuder Tafel befindet sich in der Hansestadt an der Hansestraße 1. Zudem betreibt die Hilfsorganisation eine Ausgabestelle in Horneburg. Foto: Thomas Sulzyc

Ziel: Ausgabetag nur für Senioren

Nächstes Ziel sei, den Senioren einen regelmäßigen eigenen Ausgabetag anzubieten. Das Angebot gilt gleichermaßen für Senioren aller Nationalitäten.

Im Gegensatz zur übrigen Kundschaft sollen Senioren ihre Bedürftigkeit nicht nachweisen müssen. „Ältere Menschen dürfen ohne jegliche Unterlagen zu uns kommen“, nennt Jürgen Karow einen wichtigen Strategiebaustein. Ihnen soll es so einfach wie möglich gemacht werden, die Buxtehuder Tafel aufzusuchen.

Buxtehuder Tafel:

Standort Buxtehude: Hansestraße 1

Öffnungszeiten: Mo, Di, Do jeweils 14 -16 Uhr

Mi: 14 -15 Uhr (nur Neuanmeldung von Kunden für die Ausgabestelle Buxtehude)

Fr, Sa, So: geschlossen

Standort Horneburg: Bürgermeister-Löhden-Straße 6

Öffnungszeiten: Do ab 14 Uhr

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