TBeginn der Apfelsaison: Freude über Qualität und Enttäuschung über Politik

Auf dem Obsthof von Knut Schliecker (2. von links) in Drochtersen-Hüll durften die Vertreter von Obstbau und Politik mit der Blütenkönigin Linn Schuback mit dem Pluk-O-Trak die ersten Elstar-Äpfel ernten. Foto: Vasel
In Kehdingen ist in diesem Jahr die Apfelsaison eröffnet worden. Die Laune der Obstbauern ist bestens - zumindest mit Blick auf die Qualität des Obstes. Doch es gab auch kritische Worte in Richtung Hannover.
Drochtersen. Rund 229.000 Tonnen Äpfel werden die knapp 500 Familienbetriebe an der Niederelbe in diesem Herbst ernten. Das sind 22 Prozent weniger als 2023. „Wir produzieren jeden dritten deutschen Apfel“, sagte der Vorsitzende der Landfachgruppe Obstbau, Claus Schliecker aus Guderhandviertel, am Freitagnachmittag bei der Eröffnung der Apfelsaison 2024/2025.
Fruchtqualität bei den Äpfeln ist top
Bianca und Knut Schliecker aus Hüll waren in diesem Jahr die Gastgeber. Auf 42 Hektar bauen sie Kirschen und Äpfel an. Mit der Wahl des Ortes würdigte die Fachgruppe das vorbildliche Engagement in Sachen Ausbildung.

Blütenkönigin Linn Schuback und Obstbauer Knut Schliecker. Foto: Vasel
Die Schlieckers blicken optimistisch in die Zukunft. Frühsorten wie Delbarestival und Sweetango sind vom Baum, am Sonnabend starte mit Elstar die Ernte der Haupt- und Lagersorten.
Obstbauern hoffen auf gute Preise
Obstbauer Knut Schliecker: „Die Qualität ist gut.“ Fruchtgrößen und Geschmack stimmen. Die Äpfel im Alten Land, in Kehdingen und auf der Stader Geest hätten ausreichend Zucker und Inhaltsstoffe einlagern können. Die Fachgruppe sprach - mit Blick auf die Marktlage und die Ernteschätzung - von guten Startvoraussetzungen.
Die Streuobsternte falle gering aus. Die Alternte sei fast verkauft. EU-weit werden weniger Äpfel geerntet. Nicht nur bei der Tafelware, sondern auch bei Most- und Industrieäpfeln sei mit guten Preisen zu rechnen. Die Hersteller von Apfelmus, -direktsaft- und -konzentrat sind heiß auf Äpfel, ihre Lager sind leer.

Die Altländer Blütenkönigin Linn Schuback hat die ersten Elstar fest im Blick. Foto: Vasel
Was heißt das für die Verbraucher? Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft rechnet mit etwas höheren Apfelpreisen. Der durchschnittliche Ladenverkaufspreis werde um zehn Prozent steigen.
Während die Berufskollegen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg einen Ernteausfall von bis 90 Prozent durch Frost beklagen, habe die Niederelbe den Spätfrösten im Frühjahr dank fast flächendeckender Frostschutzberegnung trotzen können. „Klimawandelbedingt ist die gute Wasserverfügbarkeit ein wichtiger Standortvorteil“, so Claus Schliecker. Die Bäume blühen immer früher. Im Osten sei Obst im Wert von 200 Millionen Euro vernichtet worden.
Fachgruppe fordert Solidarität im Gebiet
Schliecker appellierte an den Handel und die Verbraucher, die hohen Umwelt- und Sozialstandards an der Kasse zu honorieren. Die Erzeugerorganisationen M.A.L. und Elbe-Obst und der regionale Fruchthandel müssten geschlossen gegenüber den Konzernen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) auftreten. „Wir wollen faire Erzeugerpreise, wir wollen vom Verkauf unserer Früchte leben können“, sagte Claus Schliecker.

Das ist die Ernteprognose für die Apfelsaison 2024/2025 an der Niederelbe. Foto: AMI
Er beklagte, dass lediglich Rewe und Edeka an den Branchengesprächen in Hannover teilnehmen wollen. Er hofft, dass auch Lidl und Aldi im November mit am Tisch sitzen. Der Obstbau setze auf Dialog, nicht auf Blockaden.
Obstbauern klagen über Wettbewerbsverzerrungen
Doch die Politik habe von ihren Ankündigungen nach den Bauernprotesten „leider fast gar nichts eingelöst“. Es gibt keine steuerfreien Risikorücklagen, sondern nur eine Tarifglättung. Gleichzeitig werde der Obstbau in Niedersachsen im Wettbewerb weiter geschwächt.
Ein Beispiel: Mehr als drei Viertel aller EU-Staaten, aber auch Bundesländer wie etwa Bayern, unterstützen ihre Obstbauern mittlerweile über Zuschüsse zur Mehrgefahrenversicherung, bis zu 70 Prozent aus EU-Geldern. Doch Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) lehnt in Niedersachsen einen Zuschuss zur Hagelversicherung ab.
Die Produktionskosten stiegen stetig, so Claus Schliecker. Durch den höheren Mindestlohn seien die Arbeitskosten seit 2015 um 66 Prozent gestiegen. Pflanzenschutzmittel hätten sich um bis zu 45 Prozent verteuert. Dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für eine weitere Erhöhung des Mindestlohns auch für ausländische Saisonarbeitskräften auf 15 Euro werbe, „gefährdet den Obstbau in der Region“. Claus Schliecker beklagte, dass Weil auf einen Gesprächswunsch bislang nicht eingegangen sei.
Der Obstbau benötige auskömmliche Erzeugerpreise wie 2023/2024, um nach den mageren Jahren wieder in Technik und Bäume investieren zu können. Beim aktuellen Preisniveau werde das möglich sein.
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Regionales Obst kaufen und Klima schützen
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Schneider sagte den Obstbauern seine Unterstützung zu. Er verwies auf das Agrarpaket, die Ampel wolle die Erzeuger gegenüber Aldi, Lidl & Co. in der Lieferkette stärken. Auch die Landtagsabgeordneten Melanie Reinecke (CDU) und Corinna Lange (SPD) waren vor Ort. Landrat Kai Seefried unterstrich die Bedeutung des Obstbaus für den Tourismus. Seefried: „Wer sich für Artenvielfalt und Klimaschutz einsetzen will, muss Äpfel aus der Region kaufen.“

Bürgermeister Mike Eckhoff (Drochtersen), Matthias Riel (Jork) und Timo Gerke (Lühe; von links) sonnen sich im Glanz der Altländer Blütenkönigin Linn Schuback. Foto: Vasel