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24-Stunden-Reportage

TBierchen und ganz viel Ribéry: So viel steckt im SV Ottensen

Ein Kreis von Spielern steht nach dem Training zusammen, trinkt etwas zusammen und redet.

Amateurfußballromantik in Buxtehude: Erst Spaß haben beim Kicken, dann mit einem Bier anstoßen, schnacken und scherzen. Foto: Thies Meyer

Kreisklasse: Das Bier gewinnt. Der SV Ottensen trotzt den Klischees und ist ehrgeizig - besonders der Trainer. Der kommt sich oft vor wie der Lehrer vor der Schulklasse.

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Von Thies Meyer
Dienstag, 29.07.2025, 17:50 Uhr

Buxtehude. 20 Uhr, ein Dienstagabend an der Konopkastraße. Der SV Ottensen trainiert für die neue Fußballsaison. Auf dem Sportplatz buddelt eine Gruppe Männer vor einem kleinen Vereinsheim Bier weg. Während die einen das Flüssigbrot in der Hand halten, haben die anderen noch den Ball am Fuß.

Eine Kiste Bier steht auf einer Bank.

Die Mannschaft trainiert. Das flüssige Gold für die Amateurkicker steht schon auf einer Bank parat. Foto: Thies Meyer

Man könnte behaupten, der SVO sei eine Fahrstuhlmannschaft. Davon wollen sie hier nichts hören. Ganz lossagen können sie sich davon nicht. Vier Auf- und Abstiege durchlebte der SV in den letzten 15 Jahren. Von 2021 bis 2023 wurden sie von der Kreisliga bis in die 2. Kreisklasse durchgereicht. Letzte Saison stiegen sie als Tabellenzweiter in die 1. Kreisklasse auf.

Das ist Ottensens Top-Torjäger

Er schlägt Haken, trickst, schießt Tore und serviert Bälle für seine Mitspieler wie Franck Ribéry. Der verzauberte damals München, Deutschland, Europa, die Welt - und Ahmed Rahdi. Rahdi trägt das Trikot seines Lieblingsvereins Bayern München. Ähnlich wie damals Ribéry gegen Eintracht Frankfurt schenkte er Mulsum/Kutenholz mal ein Fallrückzieher-Tor ein.

Ahmed Rahdi lässt im Training seinen Gegenspieler aussteigen.

Haken schlagen wie Franck Ribéry mag Ahmed Rahdi. Foto: Thies Meyer

Ein Mitspieler verpasst das Abspiel auf Rahdi, der vor dem leeren Tor steht. Rahdi ärgert sich und tritt mit den Stollenschuhen gegen den Pfosten des Jugendtors. Trainer sagen bei so was gerne mal: Gib dem Pfosten nicht die Schuld, der kann nichts dafür.

 Ahmed Rahdi bietet sich in Training als Anspieler an.

„Spielt zu mir!“ Ahmed Rahdi deutet an, dass er den Ball haben will. Foto: Thies Meyer

Aber Rahdi ist selbstkritisch, setzt sich hohe Ziele. „Ich will so viele Tore machen, wie ich kann.“ Vergangene Saison knipste der 36-Jährige aus Buxtehude 16-mal, keiner im Team öfter. Mit der Torausbeute war er dennoch nicht zufrieden. Er ist kein Mann großer Worte. Er will Tore sprechen lassen.

Ahmed Rahdi schaut seinem Schuss hinterher

Ahmed Rahdi traf letzte Saison 16-mal - hier nicht. Foto: Thies Meyer

Lehrer Mielke über die Manieren seiner Schüler

Die Beziehung zwischen Trainer und Spielern im Fußball ist besonders. Kult-Profitrainer Klaus Augenthaler beschrieb sie einst so: „Spieler sind wie kleine Kinder. Wenn ich meiner Tochter fünfmal etwas sage und sie macht es nicht, kann ich sie auch nicht ins Heim stecken.“

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So klingt auch Björn Mielke, Ottensens Trainer. „Fußballer sind Vorschule”, sagt er. Der Fußballlehrer ermahnt seine Schüler auch heute. Die sollen den Platz räumen und ein Spielfeld für das Abschlussspiel abstecken. Zwei Spieler diskutieren. „Der Jüngste baut auf”, scherzt einer. Keiner übernimmt die Verantwortung. Das dauert dem Coach zu lange. „Jungs, ist eure Zeit, nä”, ruft er entnervt.

Trainer Björn Mielke hat Fußballtore unter seinem Arm und schaut seiner Mannschaft beim Trainieren zu.

SV-Coach Björn Mielke beäugt das Abschlussspiel seines Teams kritisch und gibt auch aus der Ferne lautstark Anweisungen, wenn ihm etwas nicht passt. Foto: Thies Meyer

„Hühnerhaufen”, „Fußballer halt”, sagt Mielke. „Und das Bekloppte ist: Die Profis sind genauso”, weiß er. Ob Amateure oder Profis: Wenn die keine klaren Ansagen bekämen, würden die machen, was sie wollen. Wie Schulkinder. Mielke habe einmal das Glück gehabt, mit Ex-Profis wie Stefan Kuntz, Michael Schulz oder Jonny Otten zu plaudern. Die hätten „ein paar Sachen aus ihrer Zeit rausgehauen”, schwärmt er.

Wieder tratschen die Spieler, das Spielfeld ist noch nicht fertig, die Teams sind noch nicht eingeteilt. Wieder platzt es aus dem Coach heraus: „Kommt, Jungs. Zwei Teams jetzt! Auf geht’s!” Die Ansage sitzt und der Ball rollt.

Ein Fußballtor von hinten, davor trainiert der SV Ottensen auf einer Spielhälfte.

Der Platz an der Konopkastraße wird von einer Aschelaufbahn umkreist. Normalerweise trainiert und spielt der SV in Ottensen. Foto: Thies Meyer

Bei aller Aufregung über das Verhalten seiner Spieler muss er eingestehen: „Fußball ist immer noch der geilste Sport, den wir haben.” Mielke weiter: „Natürlich fauchen die Spieler sich auch mal gegenseitig an, ich fauche auch mal.” Egal was los war - am Ende müsse man sich gegenseitig in die Augen schauen und versöhnen. Wie Klaus Augenthaler und seine Tochter. Und nach dem Training oder Spiel sagen: „Komm, lass ein Bierchen zusammen trinken.”

Mit 36 „Lust wie ein Kind”

Mielke schickt seine Spieler nach einem Gespräch im Mannschaftskreis in den Feierabend. Rahdi geht sofort zur Bank. Dort wartet das Feierabendbier in der Sonne auf ihn. Rahdi macht sich eins auf und eine Zigarette an. Er versuche nicht zu viel zu trinken, aber für die Geselligkeit gehöre das dazu.

Rahdi hat noch etwas gemeinsam mit seinem Idol: Beide sehen sich ähnlich und auch Rahdi grinst wie Ribéry breit und oft. Angesprochen darauf, dass er der Erste am Bier war, grinst er breit.

Franck Ribéry hat sein Trikot ausgezogen und jubelt damit in Richtung Fans.

Ikone: Franck Ribéry ist eine Legende beim FC Bayern München - und auch für Ahmed Rahdi vom SV Ottensen. Foto: Matthias Balk/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

Nicht nur auf seinen Alkoholkonsum achtet er. Im höheren Fußballalter tut Rahdi auch zu Hause etwas für seine Fitness. „Ich arbeite für meinen Körper, um besser zu sein.” Das Alter ist für ihn nur eine Zahl. Mit 36 Jahren hat er viel Fußballerfahrung. Damit will er den jungen Spielern helfen. „Auch wenn ich schon 36 bin, habe ich immer Lust wie ein Kind. Denn ich will immer viel Fußball spielen und Tore machen”, sagt Rahdi.

Ahmed Rahdi im roten Bayern-Heimtrikot liegt am Boden und hält sich das Knie.

Tut ein bisschen weh, aber: Ahmed Rahdi lacht den Schmerz von einem Zweikampf weg. Foto: Thies Meyer

Im kleinen Kreis umzingeln die noch verbliebenen Spieler die Kiste Bier und reden. Das Thema: Fußball. Manchmal aber auch Gott und die Welt. Rahdi macht sich noch ein zweites Bier auf.

Der Trainer räumt auf mit einem Klischee. „Fußballer und Bier - das wird immer so verbunden. So ein Blödsinn.” In seiner Fußballgeneration habe man bis früh morgens getrunken. Das könne man sich heute nicht mehr erlauben. Mielke ist Fan davon, wenn einer sagt: Ich trinke keinen Alkohol. Dem werde dann mal ein Spruch gedrückt - „aber alles im Freundlichen”.

Was ist wichtiger: Spaß oder Erfolg?

Neunte Liga - hier müsste doch Spaß über Erfolg stehen? Ja, hier erfüllen sich Klischees, die im Volksmund über den Amateurfußball herrschen. Das Bier nach dem Training darf nicht fehlen. Keiner geht, bevor die Kiste leer ist. Aber das Bier ist nicht wichtiger als das Spiel. In Ottensen haben sie den Anspruch, sportlich was zu reißen.

Ein Fußballtor. An den Pfosten wächst das Gras hoch.

Die Tore an der Konopkastraße sind in die Jahre gekommen und haben ihren eigenen Charme. Die Pfosten sind zugewachsen. Foto: Thies Meyer

Am Sonntag ist Pflichtspielauftakt im Kreispokal, nur eine Woche später beginnt die Liga. Für Rahdi muss beim Fußball immer der Spaß mitkicken. Aber er will auch gewinnen. Wenn er nicht trifft oder sie verlieren, ärgere er sich. Der Torpfosten bekommt das im Training zu spüren.

Der eine lässt den anderen Teamkollegen im Zweikampf aussteigen.

Ausgetanzt! Der eine lässt den anderen Teamkollegen klassisch aussteigen und alt aussehen. Foto: Thies Meyer

Mielke will den Klassenerhalt, am liebsten sogar als Aufsteiger oben mitspielen. Für ihn überwiegt der Ehrgeiz. „Wenn du auf den Platz gehst und nicht gewinnen willst, dann geh in eine Freizeitmannschaft, wo es hinterher drum geht: Wer gibt das Bier aus?”

Er sprudelt vor Siegermentalität und glaubt an die Qualität des Teams. Dafür müsse es regelmäßig ihre PS auf den Platz bekommen. Er will erfolgreich sein. Verlangen kann er von seinen Jungs nur das, was schon Michael Jordan gepredigt hatte: Alles zu versuchen, um zu gewinnen. Wenn der Einsatz stimmt, seien Niederlagen immer zu verzeihen.

Trainer Björn Mielke schaut im Mannschaftskreis in die Augen seiner Spieler.

Trainer Björn Mielke hat zwar das Sagen, ein Alleinherrscher sei er aber nicht: „Wir erarbeiten uns alles im Team.” Foto: Thies Meyer

Trainer und Spieler müssen sich vertrauen. Streit gehört dazu, danach müssen sie wieder an einem Strang ziehen. So kann es in der neunten Liga Spaß und Erfolg bringen. Auch mit einer Cola oder einem Wasser nach dem Sport.

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